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Karl-Theodor zu Guttenberg (links) und Thomas Gottschalk als Moderatoren-Duo.

© dpa / dpa/Rolf Vennenbernd

Update

Wenn Gefühle kommerzialisiert werden: Gottschalk und zu Guttenberg holpern durch den RTL-Jahresrückblick

„Menschen - Bilder - Emotionen 2022!“ übernahmen in Doppelmoderation Thomas Gottschalk und Karl-Theodor zu Guttenberg. Das klappte nicht immer optimal.

25 Jahre lang hielt Günther Jauch bei dieser Sendung die Fäden in der Hand, nicht so 2022. Eine Doppelmoderation wird aufgeboten: Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich als „früherer politischer Lackaffe“ bezeichnet, und Thomas Gottschalk, der „Silberrücken des deutschen Fernsehens“.

Nach ein bisschen Scherz, Keks und Selbstironie startet „KT“ mit einem Kleinstinterview: Ramin Juhnke ist fast 40.000 Kilometer mit dem 9-Euro-Jahresticket durch Deutschland gefahren. Kann man sagen: toll. Muss man aber nicht.

Doch eine Aufgabenteilung wird klar: Guttenberg wird sich um gesellschaftliche, politische Themen und Ereignisse kümmern. Gottschalk ums Menschliche und Menschen. 2022 hat alles, was ein „annus horibilis“ braucht. Also könnte ein Jahresrückblick mit permanentem Trauerrand ablaufen.

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Der Privatsender RTL aber will anderes - eine Mischung aus großem Unglück und kleinem persönlichen Glück.

Also spricht „KT“ mit der Iranerin Sanaz Sifaie, die nach schweren Misshandlungen aus ihrem Land geflohen ist, über die Proteste in der Mullah-Autokratie. Erkennbar und unangenehm erkennbar wird, dass der Moderator seine Fragen zu überhöhen sucht. Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, wird geduzt, der wiederum „KT“ siezt.

Sie sind eine unglaublich tapfere Frau.

Karl-Theodor zu Guttenberg

Die Fragen sitzen besser, wenn Themen ins Politische rüberlappen - siehe das Gespräch mit Bundesfinanzminister Christian Lindner. Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat Angst, dass 2022 das Jahr ist, an dem Deutschlands Abstieg beginnt. Mit dem Ukrainekrieg hat sie nicht gerechnet. Fast kommt es zur intensiven Auseinandersetzung mit Guttenberg, fast.

Die Sendung heißt: „Menschen - Bilder - Emotionen 2022!“. Es fehlt nicht an Menschen, nicht an Bildern und schon gar nicht an Emotionen. Es fehlt an Zeit (auch für die Zeitenwende). Der Jahresrückblick gerät zur Nummernrevue.

Thomas Gottschalk sucht das positive Schicksal von Menschen

Zwar wird das Thema „Ukraine“ immer wieder aufgerufen, eine klare Hierarchie wird nicht sichtbar, vielleicht ist sie in diesem Jahr des Tsunamis an Ereignissen gar nicht herstellbar.

Thomas Gottschalk sucht das positive Schicksal von Menschen: Die andersfähige Schauspielerin aus dem Film „Weil wir Champions sind“, das Mädchen, das in der U-Bahn von Kiew herzergreifend singt, der Stammzellenspender, der eine junge Frau, erkrankt an Blutkrebs, rettet, der lebensfrohe Lotto-Millionär Chico.

Der Musiker Marius Müller-Westernhagen kann nachdenkliche Momente über Zeitläufte und Zeitgeist unterbringen. Er hätte mehr Redezeit verdient - was die Dramaturgie des Durchlauferhitzers nicht zulässt.

Wenn Gottschalk sagt, „das Fernsehen neigt dazu, auf die Tränendrüse zu drücken“, dann drückt er freiwillig und gerne auf selbige.

Gottschalk ist ganz Gottschalk, nahbar, gediegen unernst, wie immer schwingt bei seinen Auftritten der Eindruck mit, ob er sich für andere Menschen auf der Bühne wirklich interessiert,

Was in diesen Tagen, Wochen, Jahren, was im Jahr 2022 bestimmt nicht falsch ist: Zu zeigen, dass es zur Hoffnung, zur Zuversicht, zum Optimismus keine echte Alternative gibt. Entscheidend ist dabei , dass der Zungenschlag stimmt. Da übertreibt die RTL-Sendung an nicht wenigen Stellen.

Vor allem Guttenberg tut es, auch nachdem er seine Anfangsnervosität überwunden hat. Ein Moderator, der bei jedem Thema, jedem Gesprächspartner in superlativische Empathie verfällt. Das ist zu viel, hier werden Gefühle und Emotionen kommerzialisiert.

Okay, Karl-Theodor zu Guttenberg ist Moderations-Novize, er wird lernen und lernen müssen, wenn er bei RTL zur festen Größe werden will.

Was der Jahresrückblick klarmacht: Es sind Menschen, die Menschen bewegen. Das wird im Applaus des Studiopublikums spürbar und nicht nur dort. Vielleicht ist 2022 das Jahr, in dem Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit gefordert waren und gefordert sind wie selten zuvor.

PS: Den Jahresrückblick schalteten 2,2 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer ein, glatt eine Million weniger als 2021.  Wie es zu diesem Minus kommt? Liegt es an den Moderatoren oder am Sender oder liegt es daran, dass nur wenige Menschen an dieses „annus horribilis“ erinnert werden wollen?

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