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Mit Halogen. Unterfeuer Somfletherwisch.

© Baumann

Für Leuchtturm-Fans: Wacht ohne Wärter

Am 1. September ist der „Elbe-Leuchtturm-Tag“. Elf Wegweiser sind geöffnet.

Stolz thronen sie am Elbufer. Bei Wanderern, Rad- und Autofahrern lösen sie Fernweh aus. Kapitänen von Kreuzfahrt- und Containerschiffen dienen sie zur Orientierung. 56 Leuchttürme stehen zwischen der Elbmündung in die Nordsee bei Cuxhaven und dem Hamburger Hafen. Die meisten von ihnen sind noch in Betrieb und für den Schiffsverkehr unverzichtbar. Sie helfen bei der Positionsbestimmung, markieren sicheres Fahrwasser oder warnen vor Untiefen. „Selbst im GPS-Zeitalter gibt ein Leuchtfeuer Kapitän und Lotsen im Dunkeln wesentlich mehr Sicherheit“, meint der Leuchtturmwärter ehrenhalber Horst Freese vom Förderverein „Dicke Berta“ in Altenbruch bei Cuxhaven.

Um das Einsegeln in den Hafen auch nachts möglich und sicherer zu machen, begann Hamburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Befeuerung der Unterelbe. Zunächst mit kleinen Feuerschiffen. Bis dahin mussten sich Kapitäne nach Kirchtürmen oder anderen Besonderheiten in der Umgebung richten.

Viele Leuchtfeuer entlang der Elbe blinken im Doppelpack. „Das sind Richtfeuer“, erklärt Freese. „Es gibt einen kleinen Turm als Unterfeuer direkt am Elbufer und einen einige hundert Meter entfernt landeinwärts stehenden, das Oberfeuer. Beide haben die gleiche Bemalung und Kennung. Sie blinken im gleichen Takt.“ Vom Schiff aus betrachtet müssen beide Lichter deckungsgleich sein, also in einer Linie übereinanderstehen. Sieht der Kapitän das Unterfeuer bei der Ansteuerung zu weit links oder rechts vom Oberfeuer, muss er seinen Kurs korrigieren.

Als jüngster Turm wurde 2010 das neue rot-weiße Unterfeuer Somfletherwisch im Alten Land gebaut. Eine breite Wendeltreppe führt hinauf ins Laternenhaus des knapp 19 Meter hohen, runden Stahlturmes. Er löste das alte, denkmalgeschützte Unterfeuer Mielstack ab, das auf einem Wohnhaus errichtet ist. Da sich die Brückenhöhen der Schiffe im Lauf der Jahre geändert haben, war ein Neubau erforderlich. Wer nun einen Raum voller Technik erwartet, der wird enttäuscht. Sechs Halogenlampen mit jeweils nur 50 Watt verbergen sich hinter einer Glasabdeckung. Sie strahlen 18 Seemeilen (rund 33 Kilometer) weit. Sobald eine Lampe ausfällt, springt eine Ersatzleuchte an. Das dazugehörige Oberfeuer ist ein 35 Meter hoher, sechseckiger Stahlgitterturm von 1905. Gemeinsam weisen sie einlaufenden Schiffen den Weg.

Fünf Stahlgittertürme aus den Jahren 1899 bis 1907 stehen heute unter Denkmalschutz. Zu ihnen zählt auch das nur wenige Kilometer elbabwärts blinkende Oberfeuer Grünendeich, das mitten im Ort errichtet ist: ein prächtiger rot-weißer Leuchtturm. Beim Oberfeuer Krautsand im Kehdinger Land steht auch noch das ehemalige Leuchtturmwärterhaus an alter Stelle. Die rund 160 Stufen der Wendeltreppe, die ins Laternenhaus führen, riechen frisch renoviert. Licht fällt durch einige große Bullaugen ein.

Ursprünglich wurde das Leuchtfeuer mit Flüssiggas betrieben. Ende der 1920er Jahre erfolgte die Umstellung auf Elektrostrom. Eine Flüssiggas-Reservelichtquelle blieb noch 40 Jahre erhalten. Seit 1988 deutet ein Signalscheinwerfer mit nur 30 Watt die richtige Route. Der letzte Leuchtturmwärter auf Krautsand ging 1977 in Rente. Seitdem wird der Turm von der Verkehrszentrale Brunsbüttel auf der gegenüberliegenden Elbseite überwacht und gewartet. Andere Leuchttürme entlang der Strecke stehen unter der Obhut der Verkehrszentrale Cuxhaven oder der Port Authority Hamburg.

„Neben Richtfeuern gab es früher auch Quermarkenfeuer, die einen Kurswechsel ankündigten“, erzählt Horst Freese. Die gebe es heute nicht mehr. „Aber an besonders schwierigen Stellen sind noch Leitfeuer anzutreffen.“ Sie senden weißes, rotes und grünes Licht. Der schwarz-weiße Leuchtturm auf dem Deich von Twielenfleth ist so ein Leitfeuer. Seinem Vorgänger blieb – dank beherzter Bürger – der Abriss erspart. Der tonnenförmige Turm stammt aus dem Jahr 1893. 90 Jahre später erlosch sein Feuer. Heute befindet sich ein kleines maritimes Museum mit winzigen Schiffsmodellen im Untergeschoss.

Ein bewegtes Leuchtturmleben hat auch die „Dicke Berta“ in Altenbruch, südlich von Cuxhaven, hinter sich. Sie wurde 1897 in Betrieb genommen und war bis 1968 das Unterfeuer zur „Schlanken Anna“. Nachdem Unter- und Oberfeuer Altenbruch neu errichtet wurden, fungierte die „Dicke Berta“ bis 1983 noch als Quermarkenfeuer. Ein Förderverein restaurierte und pflegt den gedrungenen, genieteten Stahlturm. Seit 2002 dient er als Außenstelle des Standesamtes Cuxhaven. „128 Ehen wurden 2012 im Lampenraum geschlossen“, sagt Ulla Stark, ein Mitglied des Fördervereins.

Vier Paare hat sie heute auf dem Weg ins Trauzimmer im dritten Stock begleitet. Sollte sich gerade niemand das Jawort geben, finden Führungen durch den Turm statt. In der zweiten Etage steht man im ehemaligen Dienstzimmer des Leuchtturmwärters mit Schreibtisch und doppelstöckiger Koje. „Über ein Spiegelsystem konnte der Wärter von hier aus den Lampenraum und auch die Fahrrinne in der Elbe überwachen“, erklärt Freese. Im obersten Stock ist eine 300-Watt-Glühlampe hinter einer Gürtellinse installiert. Davor befinden sich grüne und rote Farbglassektoren. Jeweils daneben hängen Otterblenden – senkrecht stehende, um 90 Grad drehbare Lamellen. Sie erzeugten durch Verschatten und Durchlassen des Lichts Blitzgruppen, die Kennung des Lichtfeuers. Welch eine Leuchtturmromantik im Gegensatz zum nüchternen Halogenscheinwerfer im drei Jahre alten Unterfeuer Somfletherwisch.

Am 1. September, von 10 bis 17 Uhr, veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft Landschaft Unterelbe den „Elbe-Leuchtturm-Tag“. Zahlreiche Türme können dann von innen besichtigt werden. Auskunft unter Telefon: 041 42 / 81 20 76, elbeleuchtturmtag.de

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