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Schon wieder ein Schiff, mögen diese Pinguine denken. Ja, das Interesse an Seereisen ist ungebrochen, wobei die Antarktis schon ein recht exklusives Ziel ist.

© Hapag-Lloyd Kreuzfahrten

Tourismus-Jahresrückblick: Eitel Sonnenschein

Weltweite Krisenherde verhageln Reiseveranstaltern nicht die Bilanz. Kreuzfahrten legen weiter zu.

Bilanz zu ziehen, wenn ein Jahr zu Ende gegangen ist, gehört zu den Gepflogenheiten jeder Branche. Das ist auch im Tourismus so. Unter dem Strich bleibt für das Geschäftsjahr 2013/14 (1. November bis 31. Oktober), zumindest bei den meisten Veranstaltern von organisierten Reisen, ein zufriedenes Lächeln. Euphorie greift nicht Platz, obwohl die Zahlen sich sehen lassen können. Ausufernde Jubelgesänge in Vorstandsetagen und bei Aktionären sind also nicht zu hören, dafür war auch das abgelaufene Jahr von zu vielen Krisen geschüttelt, die Reisende verunsichert und so das Geschäft mit dem Fernweh schwieriger gemacht haben.

Doch die Welt ist groß und die Branche hat es verstanden, Alternativen für sich und ihre Kundschaft zu schaffen. Kriselt es in Ägypten, werden Sonnesuchende auf die Kanaren umgeleitet. Fliegen im Nahen Osten Raketen, die den Besuch historischer Stätten für Studienreisende nicht geraten erscheinen lassen, weichen diese nach Lateinamerika aus, um sich auf die Spur der Inka- oder Mayakultur zu begeben.

Nahezu gänzlich unbeeindruckt von aller Unbill pflügt allein die Kreuzfahrt durch das Meer der Reiseträume. Und einmal mehr haben es drei Berliner Veranstalter geschafft, sich mit ihren hochwertigen und – nolens volens – hochpreisigen Angeboten am hart umkämpften Markt gut zu behaupten.

Politische Unruhen beeinflussen das Urlaubsverhalten kaum

Krim-Annexion, Abschuss eines Passagierflugzeugs über und kriegsähnliche Zustände in der Ukraine, Gazakonflikt, Syrien-Krieg, IS-Terror in all seinen Varianten und in unterschiedlichen Regionen der Welt sowie Ebola – das waren die Schreckgespenster 2014, auch für die Tourismusindustrie. Politische Unruhen in Bangkok oder Istanbul fallen da kaum mehr ins Gewicht. Wichtigste Frage für die Urlaubsverkäufer bleibt: Wie wirken sich Brandherde der Welt auf die Reiselust der Menschen aus?

„Die meisten Krisen beeinflussen das Urlaubsverhalten nicht“, sagt Martin Lohmann, Leiter des Kieler Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa. Es gebe keinen Indikator, dass die Menschen wegen irgendwelcher Krisen weniger reisten. Allein die Ziele änderten sich. Viele Urlauber seien heute „multioptional“. Scheide das eine Ziel aus, wähle man eben ein anderes.

Gleichwohl bekamen die deutschen Veranstalter auch im vergangenen Jahr zumindest kurzfristig zu spüren, dass Unruhe in der Welt herrschte. „Der Tourismus in die Ukraine ist völlig zum Erliegen gekommen, nach Russland fast um die Hälfte“, stellt Michael Frese fest. Der Geschäftsführer von DER Touristik in Frankfurt am Main nennt auch Israel: „Als es im Gazastreifen losging, war sofort Stillstand.“

Nachfrage nach Kulturreisen in Ägypten brach zusammen

Die Großen der Branche wie Tui, Thomas Cook oder DER ficht das im Gesamtergebnis eines Jahres nicht besonders an. Es trifft eher die Mittelständler, die Spezialisten, die nicht Millionen Reisende bewegen, sondern deren Teilnehmerzahlen sich bestenfalls im unteren sechsstelligen Bereich bewegen. Auch Studiosus Reisen zählt mit knapp 100 000 Gästen dazu. Beispielsweise spüre Jordanien in puncto touristischer Nachfrage durchaus die Auswirkungen des Kriegs im Nachbarland Syrien, sagt Geschäftsführer Peter-Mario Kubsch.

Und die allgemeine Nachfrage nach Kulturreisen in Ägypten sei sogar total zusammengebrochen. Studiosus konnte gerade einmal 36 Gäste am Nil begrüßen, ein Minus von 72 Prozent. Ebola, beschränkt auf wenige Länder Westafrikas, die ohnehin kaum von Touristen besucht werden, strahlte hingegen auf nahezu den gesamten Kontinent aus. Die Nachfrage für das südliche Afrika beispielsweise sei spürbar abgeschwächt, heißt es unisono bei allen Veranstaltern.

Hochsee- und Flussreisen liegen im Trend

Insgesamt besteht für die Branche in der Jahresrückschau jedoch kaum Grund zur Klage. Der Platzhirsch Tui Deutschland führt wie seit Jahrzehnten die Rangliste der Veranstalter unangefochten an, sowohl beim Umsatz als auch bei der Zahl der Reiseteilnehmer (siehe Grafik links). Trotz eines leichten Umsatzrückgangs wurde mit einem operativen Gewinn von 144 Millionen Euro das Ergebnisziel erreicht, wie das Fachblatt „fvw“ in seinem Dossier 2014 berichtet. In der Dokumentation sind die Zahlen von 55 Unternehmen erfasst, die zusammengenommen ihren Umsatz um 4,3 Prozent auf 20,7 Milliarden Euro steigern konnten.

Besonders erfreuliche Zahlen weisen – mal wieder – drei Berliner Veranstalter auf. In der Rangliste „Umsatz pro Teilnehmer“ reihen sich Windrose Finest Travel, Lernidee Erlebnisreisen und Chamäleon Reisen gleich hinter Spitzenreiter Hapag-Lloyd Kreuzfahrten ein. Sie dürften überproportional vom allgemeinen Trend zu besonderen Fernreisen profitiert haben.

Wie stark sich der Kreuzfahrtmarkt entwickelt hat, ist daran abzulesen, dass sich vier Anbieter von Hochsee- und Flussreisen unter den „Top Ten“ der Branche in Deutschland platzieren konnten. Die Flotte von Tui Cruises bekam mit der „Mein Schiff 3“ Zuwachs, was einen Umsatzsprung von einem Viertel bedeutete. Aida Cruises stellte 2014 kein neues Schiff in Dienst, darf jedoch höhere Erwartung an dieses und das kommende Jahr stellen, wenn jeweils ein neues Schiff auf Jungfernfahrt gehen wird. Dass gleich drei „Ein-Schiff-Reedereien“ (mit „Deutschland“, „Delphin“, „Astor“) Insolvenz anmelden mussten, tut der guten Bilanz keinen Abbruch.

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