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Winke, winke! Ob Ankunft oder Abschied – Gäste und Personal des Hotels Jacob an der Elbe feiern die „Queen Mary 2“ immer.

© promo

"Queen Mary 2" und Hamburg: Aufstehen für Ihre Majestät

Seit zehn Jahren kommt die „Queen Mary 2“ nach Hamburg. Ein häufiger Gast. Doch stets wird sie jubelnd empfangen.

Der offenbar frisch der Dusche entstiegene Hotelgast im tipptopp geplätteten weißen Hemd und messerscharfer Bügelfalte in der Hose muss erst einmal tief Luft holen, als er ins Freie tritt. „Au ha, kein Platz mehr in der ersten Reihe.“ Ja, auf der „Lindenterrasse“ des Hotels Louis C. Jacob bei Blankenese sind die Tische mit dem besten Elbblick an diesem frühen Morgen bereits alle besetzt. „Ooch, das Schiff ist so groß, das sehen Sie schon“, tröstet die plietsche Bedienung und rückt schnell einen Stuhl zurecht – mit zweitbester, keineswegs schlechter Sicht.

Nicht Frühstückshunger hat die Hotelgäste aus dem Bett getrieben. Vielmehr steht wieder mal königlicher Besuch ins hanseatische Haus. Wie immer will Hamburg der „Queen Mary 2“ auch bei ihrem 41. Anlauf in exakt zehn Jahren einen gebührenden Empfang bereiten. Eine Tradition, die im Hotel Jacob von Angestellten und Gästen mit besonderer Hingabe gepflegt wird. Warum die Hansestädter und extra anreisende Besucher angesichts des Oceanliners so aus dem Häuschen geraten – darüber darf gerätselt werden. Und es sind beileibe nicht nur die reiferen Jahrgänge, die vom Anblick des einzig wahren Linienschiffs zwischen der Alten und der Neuen Welt fasziniert sind.

Kreuzfahrt können schließlich viele Schiffe. Wahrhaftiges Reisen von A nach B jedoch, sprich: von Hamburg nach New York City, auch als Alternative zum Flugzeug – das bietet hingegen allein noch die Reederei Cunard im Linienverkehr. Und weckt damit Erinnerungen an vergangene, große Zeiten der Passagierschifffahrt mit Namen wie „Titanic“ (1912 in Dienst gestellt), „Europa“ (1930), „Normandie“ (1935), „United States“ (1952) „Andrea Doria“ (1953), „France“ (1960) und auch „Bremen“, die für den Norddeutschen Lloyd am 9. Juli 1959 zu ihrer Jungfernfahrt von Bremerhaven über Southampton und Cherbourg nach New York aufbrach und bei der Vorbeifahrt an den Stränden der Ostfriesischen Inseln für helle Begeisterung sorgte.

In die lange Reihe der frühen Schiffe im Nordatlantikdienst, die schon immer für die Sehnsucht nach einem (vermeintlich) besseren Leben in der Neuen Welt standen, gehören natürlich auch die vielen Cunard-Schiffe wie etwa „Mauretania“ (1906), „Lusitania“ (1907), „Queen Mary“ (1936; heute noch anzuschauen in Long Beach, Kalifornien) und die unvergessliche „Queen Elizabeth 2“, die seit Jahren im Hafen von Dubai dümpelt und einem immer ungewisser werdenden Schicksal entgegenrostet.

Ob die auf der Hotelterrasse versammelten Gäste von diesem bedeutenden Teil der zivilen Seefahrtsgeschichte inspiriert werden, lässt sich nicht sagen. Doch infiziert von einer Art Schiffsvirus sind sie allesamt. Es ist kurz nach sieben, die Vorbeifahrt der „Königin“ am Hotel Jacob ist für exakt acht Uhr angesagt. Die Tische sind mit Union-Jack-Fähnchen dekoriert; wer will, kann ein „English Breakfast“ bestellen, mit Eiern, Bohnen, gebratenem Speck und Würstchen – ein Angebot, das trotz des Anlasses augenscheinlich höchst sparsam wahrgenommen wird. Einige Gäste werden am Nachmittag auf dem Schiff einchecken, um über Southampton nach New York zu fahren. Für sie ist die Ankunft der „Queen“ natürlich von besonderer Bedeutung. „Das Kribbeln im Bauch wird immer stärker“, sagt Christa Kurz aus Berlin. Sie ist schon etwas betagt und will ihre Schwester im New Yorker Stadtteil Queens besuchen. „Was lag da näher, als mit diesem Schiff zu fahren“, sagt sie augenzwinkernd.

Die "QM2" kann die amerikanische Mutter nicht verleugnen

Um sich auf die Überfahrt mit der „Queen Mary 2“ einzustimmen, gibt es wohl kaum einen passenderen Ort als das Hotel Jacob, Jahrgang 1791. Dabei wollen wir dem Hotel nicht unrecht tun, denn die stilvolle hanseatische Eleganz, die das traditionsreiche Haus ausstrahlt, findet sich doch nur sehr entfernt auf dem Schiff wieder: Schwere Sitzmöbel, kunterbunte Kunst, gedämpft-farbenfrohe Fußbodenbeläge entsprechen, wie die Farbgebung an Bord überhaupt, eher dem, was man vor allem in Nordamerika unter „gediegen-elegant“ versteht.

Gewiss, alles ist hochwertig und mit Liebe zum Detail gerichtet, doch der Gast muss wissen, dass Amerikaner die Hauptklientel von Cunard sind, also deren Geschmack zuerst getroffen werden soll. Auch wenn Cunard stets die britische Tradition betont – nicht zuletzt abzulesen am Fortbestand der Drei-Buchungsklassen-Gesellschaft an Bord –, kann die 2004 in Dienst gestellte „QM 2“ nicht verleugnen, dass sie Spross einer amerikanischen Mutter ist. Schon 1998 gelang es schließlich der US-amerikanischen Carnival Corporation, Cunard Line zu übernehmen. Carnival ist heute mit den Marken Carnival Cruise Lines, Holland-America Line, Cunard Line, P&O Cruises, P&O Cruises Australia, Princess Cruises, Seabourn Cruise Line, Costa Crociere, Aida Cruises und Ibero Cruceros das größte Kreuzfahrtunternehmen der Welt mit etwa 100 Schiffen.

Inzwischen ist die Jacob’sche Lindenterrasse seeehr gut besetzt. Dieses Kleinod an der Elbchaussee wird übrigens auch gern als „Liebermann-Terrasse“ bezeichnet, weil dem Haus das Glück beschieden ist, dass Max Liebermann 1902 im Auftrag der Hamburger Kunsthalle dieses wahre Idyll am Elbufer malte. Es wurde eines seiner bekanntesten Bilder.

Jetzt kommt Unruhe unter den Schaulustigen auf. Jawohl, ein Oberexperte darf bei solchen Anlässen nie fehlen. Diesmal sitzt der Alleswisser am Nachbartisch. Ein Blick auf sein Smartphone und die „Vesseltracker“-App verrät ihm: „Sie hat jetzt Wedel passiert!“ Knapp zehn Kilometer also vor dem Jacob. „Sie macht 9,6 Knoten“, werden wir unterrichtet. 7 Uhr 50, die ersten Vorboten erscheinen auf der Elbe, kleine Privatboote und Barkassen, die den Ozeanriesen flussaufwärts begleiten. 7 Uhr 55, das Riesenschiff erscheint leicht verfrüht, „God save the Queen“ schallt aus den Lautsprechern auf der Terrasse, alle Gäste erheben sich, recken die Hälse, und wer nicht unbedingt fotografieren muss, schwenkt beseelt eines der bereitliegenden großen Tücher, um Ihrer Majestät zuzuwinken. An Bord, so scheint es, sind alle Mann an Deck. Schließlich ist die „Winkparade“ des Hotels einer der Hamburger Höhepunkte für die Passagiere. Selbstverständlich bleibt der Gruß nicht unerwidert: Der mächtige Ton des Schiffshorns legt sich für ein paar Sekunden als schwerer Klangteppich über Fluss und Ufer.

Hoteldirektor Jost Deitmar verzichtet heute auf das Ritual, zu Ehren des hohen Besuchs drei Schüsse aus der Jacob-Kanone abzugeben. „Ich selbst lasse das auch lieber und erinnere nur an den Urheber dieser Tradition, Nikolaus Paridom Burmester, der vor 220 Jahren in diesem Haus eine Konditorei betrieb. Es war eine Marotte von ihm, Schiffe mit Böllerschüssen zu begrüßen. Einmal hatte er wohl ein wenig zu viel Schwarzpulver in die Kanone gefüllt. Es kam zum Rohrkrepierer und der gute Mann starb.“ Heute ist die Kanone natürlich „entschärft“, niemand würde zu Schaden kommen. Es bleibt also alles gut auf der Lindenterrasse, wo auch weiterhin jede Vorbeifahrt der „Queen Mary 2“ groß gefeiert wird.

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