zum Hauptinhalt
Backen im Museum. In Emstal wird altes Handwerk demonstriert.

© Bernd Settnik, pa

Backofenmuseum: Kross und knackig

Im Backofenmuseum Emstal wird Brottradition gepflegt und demonstriert. Besucher können zum Teil über 100 Jahre alte Exponate bestaunen.

Jeden Tag macht bundesweit eine Backstube dicht. Aufgebackenes beim Discounter ersetzt die handgemachte Schrippe vom Bäcker im Kiez. Diesem Handwerk geht es also richtig schlecht. Und eine offenbar sterbende Tradition taugt, bevor sie auf den Müllhalden der Geschichte landet, in aller Regel vortrefflich für Musealisierung, erst recht, wenn es sich um lokale Alltagshistorie handelt. Das ist auch das Rezept des „Backofen-Museums“ in Emstal, wo vor bald 20 Jahren um Geschichtsvergessenheit besorgte Bürger sich zur „Interessengemeinschaft Backofen“ zusammenfanden.

Diverse Backtage, dazu am Sonnabend nach Pfingsten ein ausgewachsenes „Backofenfest“, gehören seither unverrückbar zum Jahreskalender in dem 385-Seelen-Dorf, einem von 14 Ortsteilen der Gemeinde Kloster Lehnin im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Auch politische Prominenz wie etwa Frank-Walter Steinmeier versäumt es nicht, dem Dorf zu solchen Anlässen ihre Aufwartung zu machen.

Denn reichlich Bilder sind hier garantiert, wenn, gleich gegenüber vom Museum, auf dem Dorfanger in einem der restaurierten Lehmbacköfen die Emstaler Kugelbrote gebacken werden, 60 bis 70 Stück pro Durchgang. Waren es, wie Herbert Schenk sich erinnert, zu DDR-Zeiten noch bis zu 4000 Besucher, die zum nachpfingstlichen Backofenfest strömten, so sind es heutzutage doch deutlich weniger. 1000, immerhin. „Die Kugelbrote, kross und knackig, gehen dann weg wie warme Semmeln“, sagt Schenk. Ein Kilo schwer für drei Euro fünfzig. Es kann vorkommen, dass kaum ein Brot in Emstal bleibt.

Das Bäckereihandwerk hat im Emstal eine lange Tradition

Schenk, LPG-Vorsitzender vor der Wende, ab den 90ern für bald zehn Jahre ehrenamtlicher Bürgermeister von Emstal, war die treibende Kraft, den gemeinschaftsstiftenden Wert des Backens für den Ort wieder zu entdecken.20 Lehmbacköfen, so erzählt er, soll es früher mal auf dem Dorfanger gegeben haben. Das ist sehr lange her, mehr als 100 Jahre. Auch eine Bockwindmühle und eine Bäckerei hatte Emstal, das noch 1986 von der „Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe“ ziemlich unenthusiastisch als „Schönes Dorf im Kreis Brandenburg“ ausgezeichnet wurde.

Gehalten haben sich, wie man erfährt, nahebei bis heute noch Bäckereien in den Ortsteilen Grebs, Lehnin und Rädel. Die Bäckerei Wendler in Nahmitz hat im vergangenen Sommer zugemacht. Gesundheitliche Probleme und Nachwuchssorgen führten hier zum Ende, deutet Udo Wernitz an.

Der Prüfungsobermeister der Bäckerinnung im Land Brandenburg hat 2013 den Vorsitz der Interessengemeinschaft Backofen von Herbert Schenk übernommen. Wernitz ist gelernter Bäckermeister, der heute überwiegend im norddeutschen Raum Bäckereirohstoffe wie Backhefe und -malze vertreibt. Er könnte sich gut und gerne eine Vergrößerung des Backofen-Museums vorstellen, das im Juni 2001 in einer ehemaligen Konsum-Verkaufsstelle öffnete. Denn allein bei Herbert Schenk steht eine Ölpresse; auch hat er Brotschneidegeräte, alte Backschieber, Instrumente zur Teigvorbereitung zwischengelagert. Bisher gibt es keinen Ort, nirgends, wo dies ausgestellt werden könnte. Noch nicht.

Waffeleisen, Backformen, Rührgeräte

Es ist, wenn man so will, ein erweiterter Backofen-Begriff, der dem Museum in Emstal zugrunde liegt. Gerätschaften, zu Teilen aus dem 19. Jahrhundert und aus Nachlässen geschlossener Betriebe von nah und fern, machen deutlich, „wie viel Handwerk und wie wenig Industrie im Backen früher steckte“. Davon ist Wernitz überzeugt. Noch immer gute Dienste verrichten die beiden Knetmaschinen aus Michelsdorf und Prützke, etwa wenn die Backtage näher rücken und schon mal mehr als 100 Kugelbrote angesetzt werden müssen.

Kugelbrot aus Ministerhand: Frank Walter Steinmeier in Emstal

© Tim Brakemeier, dpa

Zu bestaunen ist, wie im 19. Jahrhundert Brötchenteig-Teilmaschinen oder Sackausklopfmaschinen gehandhabt, wie eine Pfannkuchenfüllmaschine und eine Semmelmühle befüllt oder Kirschen per Entsteiner kernlos wurden.

Es gibt Waffeleisen, Gebäckspritzen, diverse Backformen, eine alte Steinmühle, Informatives über Getreidesorten, Rührgeräte, eine alte Beute (Arbeitsfläche mit Mehlwanne) sowie zahllose Utensilien zum Backen-wie-es-einmal-war, als die Waren noch von Hand entstanden. Kleinode fraglos auch die silbrig-blau schimmernde Fahne der „Bäcker-Innung Lehnin und Umgegend“ oder die aus Porzellan gefertigten Preisschilder aus DDR-Zeiten, die für ein Roggenbrot von 1500 Gramm einen Verkaufspreis von „0,78 M“ oder „0,51 M“ für das gleichgewichtige Vollkornbrot aufriefen.

Neuer Nachwuchs wird gesucht

2000 bis 3000 Besucher jährlich zeigen ihr Interesse an den Exponaten unter dem charakteristischen Pultdach an der alten Lehniner Straße. Es sind dies Wanderer, Pedaleure, Schulklassen, auch schon mal Besucher aus Südamerika oder aus Frankreich – mehr kann der Verein mit seinen 20 Mitgliedern und das Museum, das zugleich Vereinsheim für die Interessengemeinschaft, Tagungsstätte und Besuchercafé ist, gar nicht verkraften.

Und makaber genug: So rasant wachsen, wie das Handwerk von der Bildfläche verschwindet, kann das Backofen-Museum sowieso nicht. Dafür fehlt es ihm an Mitteln – und: an Grund und Boden für eine Erweiterung der Ausstellungsfläche.

Verstärkt bemühen will sich die Interessengemeinschaft Backofen künftig um die jüngere Generation. Die Nachwuchsarbeit bei Traditions- und Nostalgiepflege ist – traditionell – schwierig, bekennt man dort. Erste Erfolge brachte der Emstaler „Kugelbrotlauf“ über acht bis zehn Kilometer rund um’s Dorf, 100 Läufer waren vergangenes Jahr dabei und alle, die ankamen, bekamen ein Kugelbrot.

„Augenmaß und Handgewicht verlässt einen alten Bäcker nicht“

„Sauerteig, Salz, Wasser und Mehl, fertig.“ Aus der genauen Rezeptur dieses Brotes macht auch Gerhardt Beling kein Geheimnis. An den Backtagen kehrt der 71-Jährige für kurze Momente in den Beruf zurück, den er Ende der 50er Jahre in Gartz an der Oder erlernt hat, aus gesundheitlichen Gründen aber nach gut zehn Jahren wieder an den Nagel hängen musste. Seine Fertigkeiten hat er sich allerdings über die Zeiten bewahrt: „Augenmaß und Handgewicht verlässt einen alten Bäcker nicht“, variiert er einen überlieferten Sinnspruch.

Den unverwechselbaren Geschmack schließlich macht auch das Backen im Lehmofen aus, eine Stunde bei etwa 230 Grad, vorgeheizt über Tage mit Kiefernreisig, früher auch schon mal mit Ginster. In die remanente Wärme werden Kuchenbleche oder auch mal – zum „Herrentag“ – Grillhaxen geschoben. Und wer möchte, kann alle Jahre am Tag vor Heiligabend in der Emstaler Dorfmitte auch seinen Weihnachtsbraten abbacken und mit Glück ein Kugelbrot ergattern. Ersatzweise bietet sich dafür der Weg nach Kloster Lehnin an, wo es Brot gibt, das so ähnlich schmecken soll wie in Emstal. Aber eben nur so ähnlich.

Backofen-Museum Emstal, Alte Lehniner Straße 21, 14797 Kloster Lehnin, Ortsteil Emstal (Landkreis Potsdam-Mittelmark); Telefon: 033 82 / 504; geöffnet sonnabends von 14 bis 16 Uhr sowie nach vorheriger Anmeldung, Eintritt frei; Anfahrt mit der Regionalbahn bis Beelitz-Heilstätten, dann mit dem Bus 643 bis Busendorf, von dort im Bus 645 bis Emstal; Informationen auch über die öffentlichen Backtage gibt es im Internet unter backofen-emstal.de

Stefan Woll

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false