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© dpa

Usedom: Der Klang der Kaiserbäder

Das Usedomer Musikfest erstrahlt drei Wochen lang in "Preußens Glanz".

Usedom war schon immer ein begehrtes Fleckchen Erde: Jahrhundertelang machten sich Schweden, Dänen, Russen, Polen und Deutsche die Insel streitig. Diese bewegte Historie hat die Veranstalter des 1994 gegründeten Usedomer Musikfestivals dazu inspiriert, jedes Jahr einen der Ostsee-Anrainerstaaten in den Mittelpunkt ihrer Programme zu rücken. Vom Baltikum bis Skandinavien hat man die verschiedenen nationalen Traditionen mittlerweile vorgestellt. Darum kann sich Intendant Thomas Hummel in diesem Herbst nun ein Heimspiel gönnen: Er macht sich auf eine Spurensuche nach „Preußens Glanz“ in der Musikgeschichte.

Seit 1720 strahlt nicht nur der Himmel über der sonnenreichen Ostseeinsel preußisch blau: Durch den „Stockholmer Frieden“ wurde ein Großteil Vorpommerns, und damit eben auch Usedom, dem Hoheitsgebiet Brandenburg angegliedert. Zu dieser Zeit liegt das Musikleben am preußischen Hof allerdings noch brach. Der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. interessiert sich nicht für die schönen Künste. Erst unter seinem Sohn Friedrich entwickelt sich Berlin ab 1740 zum Musenhof. Mitglieder der Berliner Staatskapelle werden diese glorreiche Epoche in der Wolgaster St.-Petri-Kirche wieder zum Klingen bringen, mit Werken von Carl Philipp Emanuel Bach, Graun, Benda und vom Alten Fritz höchstpersönlich.

Ein paar Jahrzehnte später macht dann ein Berliner Wunderkind in aller Welt von sich Reden: Wo Felix Mendelssohn Bartholdy auftritt, werden seine Werke gefeiert – nur in seiner Heimatstadt wird er nie recht glücklich. So kommt es fast einer kleinen Wiedergutmachung gleich, wenn sich das Usedomer Musikfestival aus Anlass von Mendelssohns 200. Geburtstag ausführlich seinem Œuvre widmet, mit Orchester- und Kammerkonzerten, literarisch-musikalischen Soireen und sogar einer internationalen Tagung.

Die spannendsten Jahre des Berliner Musiklebens waren zweifellos die „Goldenen Zwanziger“, als in der frisch gegründeten Republik ästhetisch plötzlich alles möglich schien: Die große Sopranistin Anja Silja beschwört gemeinsam mit Musikern der Berliner Philharmoniker den Geist dieser wilden Jahre. In schönem Kontrast zu den Avantgardestücken von Hindemith, Busoni, Schönberg und Weill steht dabei der Aufführungsort, der Kaiserbädersaal in Heringsdorf. Denn der noble Küstenort war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Treffpunkt des traditionell eher konservativen Geldadels.

Die Zeiten Usedoms als Society-Hotspot sind definitiv vorbei, seit 1989 hat sich die Insel auf angenehmste Weise zu einem unprätentiösen Urlaubsziel entwickelt. Hier kann man Ruhe finden, hier wird man aber auch angeregt, sich mit den Nachbarländern zu beschäftigen, den langen Sandstrand hinter Ahlbeck gen Osten zu verlängern, ganz konkret bei einem Spaziergang nach Swinemünde, vielleicht auch nur gedanklich bei einem Konzert des Baltic Youth Philharmonic. 2008 hat der estnische Dirigent Kristjan Järvi ein Orchester gegründet, in dem sich die begabtesten Nachwuchsmusiker aus allen zehn Ländern des Ostseeraums zusammenfinden.

Im Zuge der diesjährigen Sommertournee, die das Baltic Youth Philharmonic nach Finnland, Estland, Litauen und Dänemark führt, spielen die 70 jungen Musiker zum Start des Usedomer Musiksommers am 19. September in Peenemünde. Ein historischer Ort, der vom Untergang des einst so glanzvollen preußischen Staates erzählt: Ganz im Norden Usedoms errichteten die Nazis ab 1936 eine „Heeresversuchsanstalt“, hier mussten Zwangsarbeiter Vernichtungswaffen herstellen, unter anderem die berüchtigte „V 2“. Dass heute nicht nur eine Ausstellung den Missbrauch des technischen Fortschritts für Kriegszwecke dokumentiert, sondern dass im ehemaligen Heizkraftwerk von Peenemünde auch mit Konzertabenden die völkerverbindende Kraft der Musik gefeiert werden kann, zählt fraglos zu den wichtigsten Errungenschaften der Nachwendezeit auf Usedom.

Das Festival startet am 19. September und dauert bis zum 10. Oktober. im Internet: www.use domer-musikfestival.de

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