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Familie Kleiber (Jens Kipper (l-r), Niklas Geiling, Alina Stiegler und Hannes Linder) kurz vor dem dem Unglück, das zwei von ihren das Leben kosten und das Leben der anderen beiden unwiderruflich verändern wird.

© Foto: dpa

„Ramstein - Das durchstoßene Herz“: Flammendes Inferno

Ein ARD-Film rekonstruiert das Unglück während einer Flugschau in Ramstein 1988.

Bei einer Flugschau in Ramstein, dem größten amerikanischen Militärflughafen in Europa, kollidierten am 28. August 1988 drei Düsenjäger einer italienischen Flugstaffel. Etwa 300.000 Besucher befanden sich vor Ort. Zuschauer wurden überzogen mit einer Wolke aus 800 Liter brennendem Kerosin, die glühendes Metall und Stacheldraht enthielt. 70 Menschen starben. Über 1000 wurden verletzt in diesem flammenden Inferno. Das Flugunglück zählt zu den folgenschwersten Vorfällen seiner Art weltweit.

Geschildert aus der Sicht eines Notarztes

In ihrem ARD-Fernsehfilm „Das durchstoßene Herz“ rekonstruieren Kai Wessel und sein Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt das Unvorstellbare aus der Sicht des Notarztes Matthias Kruse. Die von Jan Krauter gespielte Figur ist angelehnt an Dr. Klaus-Peter Wresch, der seinerzeit als erster medizinischer Helfer am Unglücksort eintraf.

Auf dem Flugfeld muss der Arzt grauenhafte Entscheidungen treffen. Ein schwer verletzter Junge hat Durst. Matthias Kruse gibt ihm einen Schluck Wasser. Die Mutter bekommt nichts. Warum, erfahren wir erst später. Nur diejenigen, die nach Einschätzung des Mediziners nicht mehr zu retten sind, dürfen noch einmal trinken. Um anderen helfen zu können, die noch eine Überlebenschance haben, muss der Arzt das tödlich verletzte Kind aufgeben. Triage nennt sich dieses Verfahren.

Katastrophe in der Katastrophe

Nicht minder grauenhaft ist die Katastrophe in der Katastrophe, die der Notarzt miterleben muss. Bei schweren Brandwunden, wie sie in Ramstein zuhauf auftraten, ist die Erstversorgung am Unfallort entscheidend. Die überforderten Helfer des US-Militärs hatten dies nicht auf dem Schirm. Sie operierten stur nach dem Strategie scoop and run (etwa „aufsammeln und abhauen“), die noch aus dem Vietnamkrieg stammt. Vor den Augen des Notarztes werden Infusionsschläuche herausgerissen und die Brandopfer unversorgt in Busse verfrachtet.

US-Militärs, die diese Befehle gaben, treten nicht als Protagonisten in Erscheinung. Auch die chaotischen Aktionen amerikanischer Rettungsbusse, die dank ortsunkundiger Fahrer mit schwer verletzten Brandopfern auf der Suche nach dem Krankenhaus stundenlang durch Ludwigshafen irrten, werden nicht bebildert.

Eine Herausforderung für sensible Zuschauer sind die drastischen Szenen auf dem Flugfeld. „Ramstein – Das durchstoßene Herz“ ist allerdings kein Katastrophenfilm im üblichen Sinn. Das Grauen wird meist nur angedeutet. Ein Schwerpunkt liegt auf der fiktiven Figur des Hagen Dudek (Trystan Pütter), der die Abläufe des Unglücks im Auftrag der Landesregierung untersucht. Analysen über die Hintergründe der Katastrophe erfährt der Zuschauer hauptsächlich aus Dialogen.

Ein Fokus richtet sich auf die Spätfolgen. Der Film beginnt Jahre nach der Katastrophe mit einer idyllischen Szene in der Fußgängerzone. Entspannt betrachtet eine Frau Kleider vor einer Boutique. Das Geräusch eines überfliegenden Düsenjets stürzt sie unversehens in eine Panikattacke. Hilfe findet sie bei der Psychologin Martina Puttkammer (Therese Hamer). Deren Figur verbeugt sich vor den beiden Therapeuten Hartmut und Sybille Jatzko, deren Publikation „Das durchstoßene Herz“ aus dem Jahr 1988 der Film seinen Titel verdankt.

Die Amerikaner haben nach ihren Regeln gehandelt.

Rupert Scholz

Welche Verantwortung tragen die Politik und das Militär? Diese bis heute offenen Fragen stellt die anschließende Dokumentation von Benjamin Arcioli und Hans Jakob Rausch. Der damals zuständige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) klingt darin noch heute hilflos: „Ich konnte mich ganz sicher nicht hinstellen und die Amerikaner öffentlich kritisieren. Die Amerikaner haben nach ihren Regeln gehandelt.“

Diese politische Ebene verknüpft die Dokumentation mit der persönlichen Geschichte zweier Menschen, deren Schicksale durch die Katastrophe verflochten wurden. Roland Fuchs, der durch die Katastrophe Frau und Tochter verlor, besucht in den USA Gordon Tatro, einen GI, der seinerzeit in Ramstein stationiert war. Die herzliche Begegnung zwischen dem Deutschen und dem Amerikaner zählt zu den wenigen versöhnlichen Momenten in beiden Filmen.

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