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Linus Giese ist Buchhändler und Autor ("Ich bin Linus").

© Sophia Emmerich

Überfälliges Aus für das Transsexuellengesetz: Wir verdienen es, selbst über Namen und Geschlechtseintrag zu bestimmen

Auf den Tag haben wir lange gewartet: Unser Autor erklärt, warum das Selbstbestimmungsrecht zum Geschlechtseintrag so wichtig ist.

Linus Giese ist Autor ("Ich bin Linus"), Buchblogger, Buchhändler und Aktivist.

Heute wurde in Berlin die Eckpunkte für das neue Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt. Das ist ein Tag auf den ich und viele andere trans, inter und nicht-binäre Menschen lange gewartet haben!

Wer heutzutage den eigenen Namen- und Personenstand ändern möchten, muss dafür den Weg über das sogenannte Transsexuellengesetz (TSG) gehen. Obwohl große Teile des vierzig Jahre alten Gesetzes in den vergangenen Jahren für verfassungswidrig erklärt wurden, hat es bis zum heutigen Tag immer noch Bestand.

Viele trans Menschen, die das TSG durchlaufen, erleben den Prozess – der die Betroffenen einen zumeist vierstelligen Betrag kostet – als demütigend, übergriffig und traumatisierend. Was ist das überhaupt für eine absurde Vorstellung, zwei Gutachter*innen beweisen zu müssen, welches Geschlecht ich habe?

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Mein Coming-Out als trans Mann ist mittlerweile fast fünf Jahre her, mit 31 Jahren sagte ich in einem Starbucks zum ersten Mal meinen neuen – meinen richtigen – Namen. Ein Barista schrieb ihn auf den Pappbecher, ein Foto davon landete auf meinen sozialen Kanälen – „Ich wünsche mir, dass ihr mich ab jetzt Linus nennt“ stand darunter.

Ein Gefühl von Freiheit

Anschließend ging ich zum Friseur und kaufte mir dann eine neue Garderobe zusammen. Ich begann damit Testosteron zu nehmen, das mir seitdem alle zwölf Wochen gespritzt wird. Im vergangenen Jahr hatte ich endlich meine Mastektomie, im Sommer darauf konnte ich schon das erste Mal ohne T-Shirt schwimmen gehen und am Strand liegen. Das war ein Gefühl von Freiheit, das ich mir so sehnlich gewünscht hatte.

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Doch eine der wichtigsten Veränderungen der vergangenen Jahre war meine Namens- und Personenstandsänderung. Ich habe erst danach gemerkt, wie stressig und anstrengend ein Leben mit falschen Ausweisdokumenten ist.

Alltagssituationen als belastende Herausforderung

Solange auf meinem Personalausweis noch mein alter Name stand, waren viele Alltagssituationen eine oft belastende Herausforderung: jeder Gang zu Behörden und Arztpraxen war für mich eine Kraftanstrengung – genauso wie das Buchen eines Bahntickets, das Bezahlen mit meiner EC-Karte oder das Abholen eines Pakets in der Post. Überall musste ich mich immer wieder erklären. Das muss ich nun endlich nicht mehr.

Ich hatte das Glück, dass ich meinen Namen nicht über das TSG ändern musste, sondern über den Paragraphen 45b gegangen bin. Dieser Paragraph war eigentlich für intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen gedacht, bevor auch trans Menschen anfingen, ihn zu nutzen. Ich brauchte lediglich ein Attest vom Hausarzt, anschließend bekam ich im Standesamt eine neue Geburtsurkunde für die ich – statt mehr als 1000 Euro - nur 25 Euro zahlen musste.

Nach ein paar Monaten wurden die Standesämter dazu angehalten, das Attest von trans Menschen nicht mehr zu akzeptieren. Ich hatte Glück, viele andere nicht – doch wir alle verdienen das Recht darauf, dass unser richtiger Name auch auf unserem Ausweise steht. Wir alle verdienen es, endlich selbst über uns, unseren Namen und unseren Geschlechtseintrag bestimmen zu dürfen. Der heutige Tag war ein ganz wichtiger Schritt dahin.

Linus Giese

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