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In Ghana hat sich die Situation queerer Menschen in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert:

© imago images

Queere Personen in Ghana attackiert: "Wir sind total überfordert von dem Level an Misshandlungen.“

In Ghana verschlechtert sich die Situation von LGBTIQ*. Queere Personen werden attackiert und könnten bald mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.

Eine Woche vor seiner Abreise sitzt Alex Kofi Donkor in einer Wohnung in Schöneberg. Auf der Heizung im Wohnzimmer trocknen die letzten Kleidungsstücke und die Wände sind mit etlichen bunten Zetteln beklebt. Auf einigen sind Termine der vergangenen Wochen notiert; auf anderen stehen die Namen von Berliner Clubs wie SchwuZ oder Berghain.

Hier haben er und seine Kolleg*innen die vergangenen drei Monate verbracht. Sie haben sich mit queeren Organisationen in Berlin vernetzt, Workshops veranstaltet, politische Entscheidungsträger*innen getroffen und sich ausgeruht, soweit der Zeitplan es zuließ.

Donkor ist Leiter der Organisation LGBT Rights Ghana, die vor drei Jahren gegründet wurde und sich für die Rechte von queeren Menschen in Ghana einsetzt. Im Februar wurde das Büro in Accra von der Polizei gestürmt, nachdem eine Gruppe rund um den Exekutivsekretär der National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values, Moses Foh-Amoaning, die Schließung der Büroräume und die Verhaftung der Mitglieder gefordert hatten.

Etliche lokale Medien hatten Bilder von Mitgliedern der Organisation verbreitet, woraufhin viele von ihnen verbale und körperliche Angriffe erfuhren.

Umorganisieren und Strategien entwickeln

Als die Lage sich im Sommer immer weiter zuspitzte, kamen Donkor und einige Kolleg*innen mithilfe der Schwulenberatung nach Berlin. „Wir fanden ihr Anliegen nach einer Auszeit verbunden mit Unterstützung, Vernetzung, Austausch, Reflexion und Orientierung sehr nachvollziehbar und unterstützenswert“, sagt Stephan Jäkel, Abteilungsleiter bei der Schwulenberatung Berlin.

Gleichzeitig benötige man für die Finanzierung des Aufenthalts und administrative Abläufe einen „langen Atem“. „Ich habe zwischendurch schon gezweifelt, ob es jemals klappen wird. Aber nach sechs langen Monaten und in enger Kooperation mit dem evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte kam die Bewilligung.“

Alex Kofi Donkor ist Leiter von LGBT+ Rights Ghana.

© Inga Hofmann

Donkor war vor zwei Jahren schon einmal in Berlin, deshalb kannte er die Stadt bereits und konnte seinen Kolleg*innen einige Orte zeigen. „Hierher zurückzukommen hat mir geholfen, mich von dem, was gerade in Ghana passiert, zu distanzieren. Wir konnten uns umorganisieren und Strategien zu entwickeln, damit wir als queere Ghanaer*innen weiterhin für unsere Rechte kämpfen können.“ Insgesamt sei es eine „tolle Erfahrung“ gewesen. „Wir gehen nach Hause mit neuen Ideen und genug Energie, um zu kämpfen.“

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Während ihres dreimonatigen Aufenthalts vernetzten er und seine Kolleg*innen sich mit zahlreichen queeren Organisationen wie der Schwulenberatung Berlin und Queer Amnesty. Auf die Frage danach, wie eine transnationale Solidarität aussehen könne, habe er zwar kein „Patentrezept“, sagt Stephan Jäkel, aber das Interesse an gegenseitigem Austausch, das Zuhören und Fragenstellen sowie Fragen beantworten würden ihm wichtig erscheinen.

Neuer Gesetzentwurf

„Es gibt Unterschiede in den Lebensrealitäten, im Alltag, in gemachten Erfahrungen und gleichzeitig Gemeinsamkeiten. Wo dann die Unterschiede und Gemeinsamkeiten liegen, kann überraschend anders sein als vermutet, wenn ich nicht vorgefertigte Bilder zu bestätigen suche.“ Neben dem persönlichen Kontakt erhoffen Jäkel und seine Kolleg*innen sich auch mittelfristige Kooperationen mit LGBT+ Rights Ghana.

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Für Donkor und seine Kolleg*innen geht es an diesem Freitag zurück nach Ghana. Dort hat sich die Situation queerer Menschen weiter verschlechtert. Es kursieren Bilder und Videos in den sozialen Medien, auf denen zu sehen ist, wie Menschen, die als queer wahrgenommen werden, attackiert werden. „Erst kürzlich wurde eine trans Person von der Polizei verhaftet, als sie nachts auf dem Heimweg war. Die Polizei demütigte die Person und nahm das Ganze auf Video auf“, sagt Donkor, „wir sind total überfordert von dem Level an Misshandlungen.“

Donkor zufolge liegt die aktuelle Situation maßgeblich an den öffentlichen Debatten rund um einen Gesetzentwurf, der vor einigen Monaten von Mitgliedern des Parlaments vorgestellt wurde und als „The Promotion of Proper Human Sexual Rights and Ghana Family Values“ bezeichnet wird.

„Der Gesetzentwurf würde Familien spalten“

Sollte der Gesetzentwurf beschlossen werden, würde das bedeuten, dass queere Personen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden könnten. Auch Personen, die sich für queere Rechte einsetzen, müssten mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren rechnen. Gemäß dem Entwurf wäre es außerdem für Nachrichtenagenturen illegal, sich positiv zu LGBTIQ* Rechten oder der queeren Community zu äußern und Cross-Dressing wäre illegal, ebenso wie Händchenhalten oder Umarmungen.

Weiter wären alle Bürger*innen Ghanas dazu verpflichtet, queere Familienmitglieder der Polizei zu melden. „Der Gesetzentwurf würde Familien und Freund*innen spalten“, sagt Donkor. Man könne bereits an dem Namen des Gesetzentwurfes erkennen, dass er in direktem Zusammenhang mit einer Anti-LGBT-Gruppe in Ghana stehe. Auch die Wortwahl lege offen, dass der Entwurf aus dem rechten Spektrum käme und darauf abziele, die queere Community zu diffamieren. „Wir wissen, woher der Entwurf kommt. Diese Gruppe macht Stimmung gegen LGBT Rechte, Frauenrechte und Black Empowerment.“

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Sollte der Gesetzentwurf beschlossen werden, hätte das nicht nur gravierende Auswirkungen auf Ghana, sondern die gesamte Region. „Wenn man sich Ghanas Rolle in Afrika anschaut, dann gilt das Land als demokratisch, wirtschaftlich florierend und stabil“, sagt Donkor, „wenn so ein Land ein Gesetz verabschiedet, dann motiviert das auch andere Länder, LGBT Personen ins Visier zu nehmen.“

Historisch betrachtet habe Ghana immer einen großen Einfluss gehabt und sei in vielerlei Hinsicht Vorbild für andere Länder gewesen. „Dieses Gesetz würde alle Bemühungen zunichte machen.“ Umso wichtiger findet Donkor es, sich auf verschiedenen Ebenen zu vernetzen. In diesem Zusammenhang haben prominente Anwält*innen wie Akoto Ampaw kürzlich eine Erklärung an das Parlament unterzeichnet, in der sie sich gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen haben.

Bisher steht nicht fest, wann über den Entwurf abgestimmt wird. Aber die Tatsache, dass das Thema nun auch von vielen Personen mit großer Reichweite aufgegriffen wurde, dürfte den Druck auf die Parlamentsmitglieder erhöhen.

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