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Rund 32.000 Menschen nutzen die PrEP, fast alle davon sind Männer, die Sex mit Männern haben.

© imago/Panthermedia/Bowonpat Sakaew

„Wir haben Engpässe“: Wird die HIV-Prophylaxe PrEP in Berlin knapp?

Auf die HIV-Prophylaxe PrEP verlassen sich Tausende. Jetzt warnen mehrere Verbände vor „massiven“ Lieferschwierigkeiten. Auch Berliner Apotheken berichten von Problemen.

Ist die Versorgung mit der HIV-Prophylaxe PrEP aktuell gefährdet? Davor warnen die Deutsche Aids-Gesellschaft, die Vertretung ambulant tätiger HIV-Mediziner*innen (Dagnä) und die Arbeitsgemeinschaft HIV-kompetenter Apotheken (DAHAKA) in einer gemeinsamen Mitteilung. Die Lieferschwierigkeiten hätten sich seit Mitte Oktober „offenbar massiv verstärkt“, heißt es da. „Uns gehen die Vorräte aus, wir können gerade nur irgendwie versuchen, die Löcher zu stopfen“, wird DAHKA-Vorstand Erik Tenberken zitiert. Viele Kollegen könnten seit Wochen ihre Patienten nicht mehr versorgen.

Die PrEP, kurz für Präexpositionsprophylaxe, ist ein Medikament, das eine HIV-Infektion verhindert und seit 2019 als Kassenleistung verschrieben werden kann. Rund 32.000 Menschen nutzen nach einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts die PrEP, fast alle davon sind Männer, die Sex mit Männern haben. Ein Drittel der Verschreibungen kommt demnach allein aus Berlin, gefolgt von NRW, während Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Thüringen ganz wenige Verordnungen registrieren.

Zu hören ist, dass unlängst bei einer Infektiologie-Tagung zum Beispiel aus Bayern und Sachsen Ärzt*innen von größeren Problemen für ihre Patienten berichteten. Auf einer Liste für Lieferengpässe des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ist zumindest das Medikament eines PrEP-Herstellers aufgeführt.

Nachgefragt bei Erik Tenberken, der in Köln zwei Apotheken betreibt und seit 30 Jahren HIV-Patienten betreut. Zwar habe er es bisher „irgendwie noch hinbekommen“, diese zu versorgen. Aber: „Im Markt macht sich Panik breit“, sagt er: „Wir können nicht abwarten, bis wir komplett ohne dastehen.“ Viele Hersteller würden gar nicht mehr liefern, andere sehr viel weniger als früher. Die Probleme seien dieselben wie bei den Engpässen für Fieber- oder Schmerztabletten: Die Preise sinken, gleichzeitig steigen Kosten etwa für Herstellung und Personal. „Der verantwortliche Minister neigt dazu, alles zu negieren.“

Der verantwortliche Minister neigt dazu, alles zu negieren.

Erik Tenberken, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft HIV-kompetenter Apotheken

Wie sieht die Lage in Berlin aus? Die Einschätzungen sind unterschiedlich. In der Regenbogen-Apotheke zum Beispiel ist man besorgt. „Nur zwei unserer Großhändler können aktuell ausliefern, und auch nur das Medikament eines Herstellers“, sagt Filialleiterin Annika Eschner. „Wir haben Engpässe.“ Bisher könnten alle Patienten versorgt werden, sagt die Apothekerin. Damit das so bleibt, hätte sie nun Vorräte für einen Monat bestellt. „Viele verlassen sich auf die PrEP, was ihren Lebensstil und Sexleben angeht“, sagt Eschner. Es gehe hier schließlich nicht um eine harmlose Erkrankung.

Auch HIV-Experte Frank Reißmann von der Medios-Apotheke wurde von dem Engpass kalt überrascht. Die Lage, sagt er, habe sich im Vergleich zur vergangenen Woche aber schon wieder verbessert. Die Medios-Apotheke könnte nun wieder von mehreren Herstellern beliefert werden. Zwischenzeitlich behelfen sich Reißmann und seine Kolleg:innen mit kleineren Dosen: Statt der sonst üblichen Drei-Monats-Packung à 90 Tabletten vertreiben sie 30er-Packungen für einen Monat. „Dann muss der Patient zwar mehr zuzahlen, ist aber erstmal versorgt“, sagt Reißmann.

Der Berliner Apotheker-Verein kann zur Verfügung einzelner Wirkstoffe nichts sagen, weist aber allgemein auf die seit Jahren zunehmenden Probleme hin – und dass besagte Liste des Bundesarzneimittelinstituts lückenhaft sei, weil Hersteller Engpässe da nicht melden müssen, sondern das freiwillig tun können.

Von Ärzt:innen kommen noch nicht ganz alarmierte Rückmeldungen. So heißt es etwa aus einem medizinischen Versorgungszentrum, massive Auswirkungen seien noch nicht zu spüren. Allerdings würde bei Patienten nicht immer drei Monatsdosen zur Verfügung stehen, die Bestellung dauere etwas länger. Von Leuten, die länger warten müssten oder gar keine Tablette mehr haben, habe man noch nichts gehört. Sollte es so weit kommen, wäre es eine Katastrophe für die HIV-Prophylaxe in der Stadt.

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