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Das Gelände der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück.

© Jürgen Ritter/Imago

Erinnerung an lesbische NS-Opfer: Gedenkkugel für das KZ Ravensbrück ist zerbrochen

Endlich sollte die Gedenkkugel für die lesbischen Opfer in Ravensbrück eingeweiht werden, doch nun ist sie geborsten. Gedenkveranstaltung findet dennoch statt.

Es könnte ein Sinnbild für den Druck sein, dem sie ausgesetzt war und am Ende nicht standhalten konnte: Die Gedenkkugel für lesbische NS-Opfer in Ravensbrück hätte am 1. Mai endlich eingeweiht werden sollen. Doch dazu wird es nicht kommen. Aus "technischen Gründen", wie es in einer Stellungnahme der Gedenkinitiative autonome feministische Frauen und Lesben aus Deutschland und Österreich heißt. "Bei der Herstellung ist die Kugel zerbrochen und kann bis zum 1. Mai nicht nochmals produziert werden".

Zwar soll laut Initiative im Rahmen der Feierlichkeiten zum 77. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers am 1. Mai dennoch ein Interims-Gedenkzeichen in Form einer Scheibe angebracht werden, das auch die geplante Inschrift enthält: "In Gedenken aller lesbischer Frauen und Mädchen im Frauen-KZ Ravensbrück und Uckermark. Sie wurden verfolgt, inhaftiert, auch ermordet. Ihr seid nicht vergessen".

Lange Diskussionen über die Verfolgung lesbischer Frauen

Die Einweihung der richtige Gedenkkugel müsse allerdings auf den Herbst 2022 verschoben werden. "Für uns ist die Einweihung der Gedenkkugel eine hochemotionale Angelegenheit. Sie sollte eigentlich der Schlusspunkt eines europaweiten Kampfes für Würdigung und Sichtbarkeit sein“, sagt Marion Lüttig vom Lesbenring. Denn vorangegangen war ein jahrzehntelanger Streit um die Anerkennung lesbischen Gedenkens.

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Bereits seit 2012 lagen Anträge für ein Gedenkzeichen vor, das an lesbische Häftlinge des ehemaligen Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück erinnern soll. Von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten waren sie lange abgelehnt worden – mit der Begründung, dass nach dem Strafrecht des NS-Staats allein Männer aufgrund homosexueller Handlungen kriminalisiert und dafür ins KZ gebracht wurden.

Auch innerhalb der queeren Szene wurde jahrelang diskutiert, ob es überhaupt eine vergleichbare Verfolgung lesbischer Frauen in Deutschland gab. Der Streit sei "beschämend für die Aufarbeitung innerhalb der queeren Szene gewesen", sagt Lüttig heute.

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Vor fünf Jahren hatte sich schließlich eine Initiative engagierter Frauen an die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten gewandt. Dem Anliegen schloss sich nach und nach ein ganzes Bündnis an Unterstützer*innen an. Im Frühjahr 2021 hatte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten daraufhin gemeinsam mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Nachweis der Verfolgung lesbischer Frauen innerhalb und außerhalb des Lagers schließlich als erwiesen beurteilte. Im Juli 2021 haben die Leitung der Gedenkstätte Ravensbrück und der Vorstand der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten einem entsprechenden Antrag zugestimmt.

[Dieser Text ist eine Leseprobe aus dem Tagesspiegel-Newsletter Queerspiegel, der 14-täglich, immer am ersten und dritten Donnerstag erscheint. Hier kostenlos anmelden]

Neben dem Kampf innerhalb der queeren Szene kritisiert der Lesbenring auch, dass lesbische Geschichte in der Geschichtsschreibung der Mehrheitsgesellschaft kaum präsent sei. Bis heute bestimme die massive Homosexuellenfeindlichkeit, von der die Mehrheit der überlieferten Zeugnisse geprägt ist, Erinnerungspolitik und Forschung. Die Einweihung der Gedenkkugel sei ein erster Schritt, "mit dem Heilung beginnen kann", sagt Lüttig.

Die Tonkugel erinnert an lesbische KZ-Häftlinge.

© Lesbenring

Für den 1. Mai sind trotz der zerbrochenen Kugel Ansprachen und Reden geplant, unter anderem von der deutschen und der österreichischen Lagergemeinschaft, der damaligen DDR-Gruppe Lesben in der Kirche und der Gedenkkugel-Initiative selbst. Das offizielle Gedenken findet von 13-14 Uhr statt. "Es wird die Möglichkeit geben, Blumen und Gestecke abzulegen und eine Schweigeminute denen zu widmen, um die es hier letztendlich geht, den lesbischen Frauen, die an diesem Ort ermordet wurden," heißt es in der Einladung. 

Die jetzt zerbrochene Kugel ist übrigens schon die vierte Version. Drei andere, früher produzierte Kugeln tragen jeweils eine abweichende Innschrift. Eine befindet sich im Schwulem Museum in Berlin, eine weitere im Spinnboden Lesbenarchiv e. V. ebenfalls in Berlin, und die dritte ist in einem Büro in der Gedenkstätte Ravensbrück untergebracht. 

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung des Textes hieß es, alle vier Kugel seien zerbrochen. Das ist falsch, wir haben das korrigiert und bitten den Fehler zu entschuldigen.

Vanessa Fischer

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