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Luca Renner ist das erste und bislang einzige queere Mitglied im 60-köpfigen ZDF-Fernsehrat.

© Tilmann Warnecke/ Tsp

Fernsehrat-Mitglied Luca Renner im Interview: „Bei queeren Themen im ZDF gibt es immense Änderungen“

Luca Renner ist das erste queere Mitglied im ZDF-Fernsehrat. Hier spricht Renner über Gendern, nicht-binäre Hauptfiguren und den Umgang mit Beschwerden.

Luca Renner ist Mitglied im Fernsehrat des ZDF und hat dort den stellvertretenden Vorsitz des Programmausschusses Programmdirektion inne. Luca ist in den Fernsehrat als LGBTIQ-Vertretung durch das Land Thüringen entsandt.

Du bist das erste und bislang einzige queere Mitglied im 60-köpfigen ZDF-Fernsehrat. Was kannst Du da bewirken?
Wir wählen die Intendanz. Das ist nicht ganz irrelevant. Im vergangenen Sommer haben wir mit Norbert Himmler jemanden gewählt, der ziemlich innovativ ist. Zweite Aufgabe ist die Programmbeobachtung. Wir gucken uns einzelne Formate an und besprechen die in den Ausschüssen. Wir tauschen uns mit dem Verwaltungsrat aus, der über Geld und Personal bestimmt - und diskutieren die Selbstverpflichtungserklärung des Intendanten, eine Art Regierungsprogramm.

Du bist seit 2016 dabei. Bemerkst Du Veränderungen, was den Umgang mit queeren Themen angeht?
Das gibt es schon immense Änderungen. Queere Themen werden in den Nachrichten auch jenseits des CSD aufgegriffen, im Sport werden sie etwa miterzählt, ohne dass es zu etwas Besonderem gemacht wird. Im Filmbereich spielt das immer öfter eine Rolle. Der Kika hat sich richtig reingehängt, die haben letztes Jahr einen Diversity-Tag gemacht, wo LGBTIQ ein Themenschwerpunkt war. ZDFneo hat jetzt vor kurzem eine Serie rausgebracht mit einer nicht-binären Hauptfigur. Es bewegt sich etwas.

Im Vergleich etwa zu Netflix wirkt der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk in Deutschland dennoch immer noch betulich und ängstlich, was LGBTIQ-Themen angeht. Teilst Du diesen Eindruck?
Ängstlich würde ich nicht sagen, es ist einfach etwas Neues. Zumindest für den öffentlich- rechtlichen Rundfunk, der das jahrelang ausgespart hat. Natürlich gibt es Anlaufschwierigkeiten, man macht auch Fehler – aber die Sensibilität für das Thema ist da.

Kannst Du ein Beispiel für Fehler nennen?
Es gab eine Doku, da wurde der Deadname von einer trans Frau genannt, obwohl es vorher extra anders abgesprochen war. Es handelte sich im eine Fremdproduktion, die das ZDF eingekauft hatte. Das geht natürlich nicht, aber wir haben das geklärt, die haben es korrigiert. Ein anderes Beispiel sind ebenfalls Dokumentationen zum Thema Trans, die noch nicht so ausgewogen erscheinen, wie sie es eigentlich sein müssten im Öffentlich-Rechtlichen.

Da muss man die Redaktion sensibilisieren: Wer sind die Akteur*innen, und wie berichtet man ausgewogen, ohne dass eine Seite eine gesellschaftliche Stimmung erzeugen kann?

Lichtblicke sind Serien wie „Loving Her“ oder – von Dir bereits angesprochen - „Becoming Charlie“ mit einer nicht-binären Hauptfigur. Wirst du im Vorfeld konsultiert, wenn diese produziert werden?
Offiziell gehört das nicht zu meinen Aufgaben. Aber bei „Becoming Charlie“ kenne ich die Regisseurin, dann darf ich vorher schon mal reinschauen und meinen Senf dazugeben. Das ist immer spannend, und meine Kritikpunkte werden relativ ernst genommen. Wobei ich meistens filmische Sachen kritisieren, inhaltlich ist das gar nicht nötig.

Mit "Becoming Charlie" hat das ZDF die erste nicht-binäre Hauptperson ins deutsche Fernsehen gebracht.
Mit "Becoming Charlie" hat das ZDF die erste nicht-binäre Hauptperson ins deutsche Fernsehen gebracht.

© ZDF und Philip Jestädt

Du beschäftigst Dich auch mit Programmbeschwerden. Worüber regen sich die Zuschauer*innen auf?
Zunächst: Wir nehmen alles ernst, was als Programmbeschwerde qualifiziert ist. Die Themen sind bunt gemischt, vieles kommt aktuell zum Klima. Zweites Lieblingsthema ist die sogenannte Gendersprache, auch wenn ich die noch in keinem Volkshochschulkurs entdeckt habe. Aber es gibt auch inhaltliche Anmerkungen, Kritiken an Dokumentationen.

Wir hatten einen Fall bei einer Serie mit einer autistischen Hauptfigur, wo sich Menschen aus dem autistischen Spektrum beschwert haben, dass die Figur stigmatisierend dargestellt wurde. Da müssen wir schauen, wie wir damit umgehen.

[Das ist eine Leseprobe aus dem Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel, der zweimal im Monat erscheint - hier geht es zur Anmeldung.]

Es gibt den Diskurs, dass der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk angeblich einseitig zu liberale Inhalte bringe. Wird so etwas unter den Fernsehrät*innen thematisiert?
Dieser Diskurs wird so ernst genommen von einigen, dass sie das in jeder Ratssitzung anschneiden. Das ist ihr gutes Recht, und wir diskutieren das jedes Mal wieder neu. Ich werde da nicht müde, meinen Standpunkt klarzumachen.

Ich bin zum Glück nicht alleine damit. Es gibt eine klare Linie: Jede Redaktion darf und soll machen, was sie möchte. Das ist auch richtig so, dass wir keine Verbote haben oder inhaltliche Vorgaben.

Wie sieht es mit Gendern aus? Claus Kleber und Petra Gerster waren da im „Heute Journal“ Vorreiter*innen. Hat da der Fernsehrat auch ein Wort mitzureden?
Wir diskutieren das und geben Hinweise, greifen aber nicht in die journalistische Freiheit der Mitarbeitenden im ZDF und auch nicht in das Programm ein. Das steht uns nicht zu, und das finde ich absolut korrekt so. Für das Heute Journal entscheidet dessen Chef, was Standard ist. So ist es mit jeder Redaktion. Der Chef des Morgenmagazins zum Beispiel hat sich im Moment dagegen ausgesprochen, da muss die Redaktion auch mitmachen.

Der Fernsehrat hat 60 Mitglieder, das Gremium ist insgesamt sehr männlich, sehr weiß und auch ziemlich alt. Wie lässt sich das ändern?
Im Staatsvertrag gibt es die Regelung, wenn ein Mann ausscheidet, muss die entsendende Organisation eine Frau folgen lassen. Das klappt in allen Fällen. Dieser Fernsehrat hat daher die höchste Frauenquote, die er jemals hatte. Der Altersdurchschnitt ist allerdings viel zu hoch - ich bin die zweitjüngste Person, und ich werde nächstes Jahr 40.

Ich verstehe auch nicht, warum es zum Beispiel für Sint*izze und Rom*nja keine Vertretung gibt. Die Zahl der Menschen, die eine Migrationsgeschichte haben, kann man im Fernsehrat noch nicht einmal an einer Hand abzählen. Und auch für queere Menschen hätte ich einen Wunsch.

Und zwar?
Ich würde mir wünschen, dass unsere Community auch in den Rundfunkanstalten der ARD überall vertreten ist. Das müssten die Landesparlamente bestimmen. Anders wird es keine verbesserte Sichtbarkeit im Programm geben.

Und dann würde ich mich sehr freuen, wenn auf diesen Mandaten nicht nur schwule cis Männer sitzen, sondern die ganze Vielfalt unsere Community repräsentiert ist.

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