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Berlin Feminist Film Week: "Eine Trennung zwischen cis und trans Frauen lehnen wir ab"

Am Donnerstag beginnt die Feminist Film Week. Mit Gründerin Karin Fornander haben wir über Solidarität, #MeToo und den Klassiker „Bandits“ gesprochen.


Karin Fornander, auf Ihrem Festival zeigen Sie 40 Filme. Mit Beiträgen wie „History of Voguing: Fabulous“, „Lingua Franca“ und dem Kurzfilm „Manning Up“ über den Stand-Up Comedian James Lórien MacDonald lässt sich ein kleiner Transgender-Schwerpunkt erkennen.
Insgesamt haben wir in diesem Jahr mehr Filme mit queeren Themen im Programm als in den Jahren zuvor. Aber zu unserem Konzept gehört, dass wir Filme nicht unter einem bestimmten Label präsentieren. Wir sind ein feministisches Filmfestival. Das heißt, wir zeigen Protagonist*innen, die sich nicht nur als cis Frauen identifizieren. Gerade in Bezug zu der aktuellen Diskussion um eine als transfeindlich kritisierte Veranstaltung ist es für uns als Festival wichtig zu betonen, dass wir eine Trennung zwischen cis Frauen und trans Frauen ablehnen! In dem Film „Lingua Franca“ von der philippinischen trans Regisseurin Isabel Sandoval wird zum Beispiel die Geschichte einer illegal lebenden Migrantin in New York gezeigt. Aber ihre Transidentität steht nicht im Vordergrund. Ich finde es wichtig, dass trans Personen in Filmen oder Serien einfach existieren dürfen, ohne unnötige Stereotypen zu reproduzieren oder, dass die Transidentität immer gleich als einziges Thema im Fokus steht.  

Der Dokumentarfilm „History of Voguing: Fabulous“ erzählt wiederum eine Emanzipationsgeschichte einer trans Frau.  
Ja, in dem Film begleiten wir die trans Tänzerin Lasseindra Ninja, eine Pionierin der französischen Voguing-Szene, in ihr Heimatland Französisch-Guyana. Es ist uns übrigens eine sehr große Freude, dank unserer Kooperation mit dem Berliner Ballroom-Kollektiv „So Extra Berlin of Mother Zueira Gucci“, Lasseindra Ninja am Freitagabend auch persönlich begrüßen zu dürfen. Im Anschluss an den Film gibt es ein Q&A mit ihr und sie wird zusammen mit Berlin ansässigen Tänzer*innen eine Voguing-Performance präsentieren. 

Tänzerin Lasseindra in dem Dokumentarfilm „History of Voguing: Fabulous“.
Tänzerin Lasseindra in dem Dokumentarfilm „History of Voguing: Fabulous“.

© Feminist Film Week/Audrey Jean Baptiste/Outplay Photo

Sie suchen selbst Filme aus, es werden aber auch Filme bei Ihnen eingereicht. Welche gesellschaftlichen Themen dominieren aktuell? 
Es gibt viele Kurzfilme zu #MeToo. Für viele jüngere Filmemacher*innen scheint das ein sehr wichtiges Thema zu sein. Und uns wurden allgemein viele Dokumentarfilme, besonders zu queeren Themen eingereicht. Daneben stellen wir insgesamt fest, dass Netflix oder Amazon Prime einen immer größeren Einfluss auf die Filmauswahl haben. Die Streamingdienste kaufen vermehrt Spielfilme zu queeren oder feministischen Filmen ein, was erst einmal gut ist: Je mehr Menschen solche Filme sehen, desto besser. Wegen der Rechtefragen wird es für uns aber schwieriger, diese Filme auf unserem Festival zu zeigen.   

Sie verweisen auf Zahlen des Europäischen Parlaments, wonach in der europäischen Filmindustrie zwischen 2012 und 2016 nur 19,6 Prozent der Filme von Regisseur*innen gedreht wurden. 
Diese Strukturen sind nach wie vor sehr verkrustet. Es wird noch ein sehr langer Weg werden, bis sich mehr Diversität auf allen Ebenen der Filmindustrie durchgesetzt hat. Deshalb befürworten wir auch eine Quotenregelung, wie sie der deutsche Verein Pro Quote Film fordert: Dass die Vergabe öffentlicher Aufträge und Fördermittel zur Hälfte an Frauen geht, dass es eine Parität in Gremien gibt, und dass eine gleiche Bezahlung unabhängig vom Geschlecht erfolgt. Das alles wird trotzdem nicht ausreichen. Wir organisieren jetzt schon zum siebten Mal das Festival und unsere Erfahrung ist nach wie vor: Es gibt sehr gute Filme von Frauen und queeren Menschen, die auf Festivals laufen, die im Mainstreamkino aber nie zu sehen sind. Das hat natürlich auch etwas mit Vermarktung und Budgets zu tun. Für wirkliche Veränderungen muss es endlich auch den Willen dafür geben – von allen Seiten! Das beste Beispiel für diese starren Strukturen ist die letzte Oscarverleihung.

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Können Sie das näher erläutern?
Es dominierten mehrheitlich Männerfilme mit Männerthemen. Für die beste Regie war keine einzige Frau nominiert. Oder schauen wir auf die Verleihung des französischen Filmpreises César vor wenigen Tagen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Regisseur Roman Polanski, dem Vergewaltigung von Frauen vorgeworfen wird, drei Mal für seinen Film „Intrige“ ausgezeichnet wurde. Wir als Festival befürworten deshalb auch, dass die Schauspielerin Adéle Haenel und Regisseurin Céline Sciamma aus Protest die Preisverleihung verlassen haben. Für mich ist diese Ehrung für Polanski auch ein Zeichen dafür, dass #Metoo und die Belange von Frauen komplett ignoriert werden. #MeToo ist zwar eine große Bewegung, aber an einige Strukturen kommt sie nicht ran. Das alles zeigt einmal mehr – viele Männer mit Macht können weiterhin machen, was sie wollen. Frauen werden hingegen, wenn sie den Mund aufmachen, sofort abgestraft.  

Filmregisseurin Isabel Sandoval spielt auch selbst in ihrem Film „Lingua Franca“ mit.
Filmregisseurin Isabel Sandoval spielt auch selbst in ihrem Film „Lingua Franca“ mit.

© Feminist Film Week/LookBook/HiRes Color

Sie zeigen auch Katja von Garnier’s Film „Bandits“ mit Jasmin Tabatabai, Katja Riemann, Nicolette Krebitz und Jutta Hoffmann aus dem Jahr 1997.
Wir präsentieren seit letztem Jahr unseren „Focus Feminist Heritage“, in dem wir ältere Filme von und mit Frauen zeigen. Wir wollen damit unsere Wertschätzung gegenüber Filmemacher*innen zum Ausdruck bringen und damit auch ein Stück zum Filmerbe beitragen. „Bandits“ wurde damals von der mehrheitlich männlich dominierten Kritik mit viel Häme bedacht. Für uns ist das auch Ausdruck des misogynen Diskurses in der Gesellschaft. Von vielen Frauen wurde die Geschichte um eine Knastfrauenband hingegen als feministischer Film gefeiert und er genießt heute Kultstatus. Deswegen wollen wir ihn unbedingt zeigen. Zudem wurde im letzten Jahr die letzte Staffel der US-amerikanischen Gefängnisserie „Orange Is The New Black“ ausgestrahlt. Dieses Phänomen – Frauen, Gefängnis, Popkultur – möchten wir gerne etwas genauer betrachten. Das ist sicher auch für unser oft internationales Publikum interessant. Am Samstagabend sind zum Q&A Schauspielerin Jasmin Tabatabai und die Amerikanistin Maria Sulimma von der Universität Duisburg-Essen dabei. Sie können uns dazu bestimmt noch mehr erzählen.  

Karin Fornander Gründerin der Feminist Film Week, vor dem Kino Babylon, wo auch wieder Festivalfilme gezeigt werden.
Karin Fornander Gründerin der Feminist Film Week, vor dem Kino Babylon, wo auch wieder Festivalfilme gezeigt werden.

© Jana Demnitz

In einer Europapremiere zeigen Sie die US-amerikanische Dokumentation „Queer Genius“ über queere Künstler*innen wie Barbara Hammer, Eileen Myles oder Black Quantum Futurism.  
Regisseurin Chet Catherine Pancake, die am Sonnabend auch dabei sein wird, hat intime Porträts über radikale queere Künstler*innen unterschiedlicher Generationen gedreht, die trotz persönlicher und politischer Hindernisse konsequent ihren Weg gegangen sind. Wir fanden zudem die Gegenüberstellung zwischen „male genius“ und „queer genius“ spannend. Im Film sehen wir auch eins der letzten geführten Videointerviews mit Barbara Hammer, die vor einem Jahr gestorben ist.  

Jutta Hoffmann (l), Katja Riemann, Jasmin Tabatabai und Nicolette Krebitz in dem Film Bandits".   
Jutta Hoffmann (l), Katja Riemann, Jasmin Tabatabai und Nicolette Krebitz in dem Film Bandits".   

© Feminist Film Week/Olga Film Rieger

Ist der Film „Intersectional Perspectives on Climate Justice: Maxima“ über peruanische indigene Farmer*innen, die gegen ein US-amerikanisches Bergbauunternehmen kämpfen, Ihr Beitrag zu Fridays For Future?  
Das kann man so sehen. Ja. Hinzu kommt, dass die Klimabewegung, so wie wir sie zurzeit in der Öffentlichkeit wahrnehmen, auch wieder sehr von weißen Menschen geprägt ist. Anfang des Jahres wurde z.B. aus einem Agenturfoto mit Greta Thunberg und Luisa Neubauer auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate herausgeschnitten. Erst durch ihren Protest ist diese Tatsache öffentlich geworden. Mit dem Film und dem anschließenden Panel wollen wir darüber diskutieren, welche anderen Perspektiven auf die Klimabewegung gibt es noch, und warum hört man davon so selten etwas in Deutschland.  

Sie bieten auch wieder Workshops an – unter anderem zum „weiblichen Blick“.
Es wird vier Workshops geben, die wir wieder in Kooperation mit unterschiedlichen Akteur*in organisiert haben. Unter anderem mit dem Berliner Filmkollektiv TINT. 
Die siebte Berlin Feminist Film Week findet vom 5. bis zum 9. März statt. Veranstaltungsorte sind das Kino Babylon in der Rosa-Luxemburg-Straße 30 und Berliner Union Film in der Oberlandstraße 26-35.

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