zum Hauptinhalt
Maren Kroymann, Mehmet Sözer und Johannes Kram (v. l.) beim Teddy-Panel.

© Kai S. Pieck

Diversität in der Filmbranche: Sehnsucht nach vielfältigeren Geschichten

Kürzlich hatten 185 Schauspieler:innen bei der "Act Out"-Aktion ihr öffentliches Coming out. Was es gebracht hat und wie geht es weitergeht, diskutierte ein Online-Panel.

Beim Vorsprechen spiele er oft zwei Rollen, sagt Mehmet Sözer. “Die vorbereitete - und dann noch meine private, also wie ich da jetzt auftrete.” Die Castingsituation sei zu oft ein heterosexueller Raum, er wünsche sich, dass sich das ändert.

Sözer ist einer von 185 Schaupieler:innen, die das Manifest #ActOut unterzeichnet haben. Er und seine Kolleg:innen fordern mehr Sichtbarkeit für Lesben, Schwule, Bisexuelle, nicht-binäre und trans Personen. Ihr Plädoyer erschien, begleitet von Fotos und Interviews, im „SZ-Magazin“. Die Ausgabe war nach wenigen Stunden ausverkauft, die Aufmerksamkeit groß.

Das ist einen Monat her. Hat sich was verändert? Und wie könnte, sollte es nun weitergehen? In einer Podiumsdiskussion, initiiert von der Queer Media Society und vom Teddy Award, dem LGBTIQ-Preis der Berlinale, soll es einen Ausblick geben. Die Auswahl der Gäste ist prädestiniert für einen produktiven Austausch: Schauspielerin Maren Kroymann, Casting-Direktorin Karimah El-Giamal, PR-Agent Peter Schulze, Schauspieler Mehmet Sözer und Schauspielstudentin Nicola-Rabea Langrzik. Autor Johannes Kram stellt die Fragen.

"Man muss die blöden Sprüche nicht allein verarbeiten"

Er beginnt mit Kroymann. Die 71-Jährige hatte sich 1993 im “Stern” geoutet. Als eine der ersten lesbischen Schauspielerinnen in Deutschland. Bei #ActOut ist sie wieder dabei. “So eine große Aktion hat so viel mehr Macht. Man kann nicht so vereinzelt werden und muss die blöden Sprüche nicht alleine verarbeiten. Das ist einfach so wunderbar.”

Schauspielstudentin Nicola-Rabea Langrzik bedankt sich bei Kroymann, die seither immer wieder für queere Belange eingetreten ist. “Ihr habt uns einen Weg geebnet, der es uns jetzt leichter machen wird.” Versöhnliche Worte zwischen Millennials und Boomern, wie man sie in letzter Zeit selten hört.

[Wer noch mehr über queere Politik erfahren will: Der Tagesspiegel-Newsletter Queerspiegel erscheint monatlich, immer am dritten Donnerstag. Hier kostenlos anmelden: queer.tagesspiegel.de]

Ist Langrzik nun Generation #ActOut und hat alles viel einfacher? Gerade tue sich an der Ernst-Busch Schule viel, sagt Langrzik. Dozierende seien aufgeschreckt und würde das Gespräch mit den Studierenden suchen. Allerdings gilt das nicht für alle. Was sie sich wünscht? Workshops für die Lehrenden. “Manche sind immer noch ganz festgefahren und haben diese Klischees: Der muskulöse Mann ist der Held, der die kleine, arme Frau rettet.” Längst nicht alle, aber doch ein fester Kern an Lehrenden, “würde Hamlet noch immer nicht mit einer Frau besetzen.”

Sözer sagt, er habe das anders erlebt. Er hat ebenfalls an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin studiert. Starre Rollenbildern hätten ihm erst im Berufsleben richtig ereilt. In der Filmbranche noch mehr als am Theater. “Wenn ich Nagellack draufhabe und dann kommt ein E-Casting rein, ist mein erster Gedanke: Jetzt muss ich das abmachen.”

Die Angst das Publikum zu verschrecken, muss aufhören

Dazu ist Karimah El-Giamal gefragt. Als Casting-Direktorin schafft sie die Atmosphäre bei den Vorsprechen. Sie wolle solch Vorstellungen natürlich keineswegs befeuern. Bei ihren Castings sollen sich alle wohlfühlen. Trotzdem ist sie sich der Probleme in der Branche bewusst: “In erster Linie muss sich an den Geschichten und Erzählperspektiven etwas ändern.” Zudem seien die Stellen entscheidend, an denen Menschen sitzen, “die Geschichten zulassen und veröffentlichen.”

Studentin Langrzik sehnt sich schon in der Ausbildung nach vielfältigeren Geschichten. Ihr Vorschlag: mehr queere Literatur und Drehbücher für die Bibliothek der Ernst Busch. Das finden alle anderen auch gut.

Ohnehin ist sich die Runde sehr einig: Die Branche braucht mehr Diversität. Das gilt für die Besetzung, die Crew, aber auch für die Komplexität der Rollen. “Die Angst muss aufhören, dass wir Zuhörer verschrecken, wenn wir vielfältiger erzählen”, sagt El-Giamal. Die Voraussetzungen sind gut, denn das Publikum ist längst viel diverser als die Bilder auf der Mattscheibe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false