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Das queere Berlin soll ein Kulturhaus bekommen - doch um das wird nun heftig diskutiert.

© imago/Seeliger

Diskussion um das queere Kulturhaus in Berlin: Eine queere Institution, die Transfeindlichkeit unterstützt, ist nichts wert

Das queere Kulturhaus in Berlin muss ein inklusives Haus werden. Mit dem aktuellen Vorstand wird das nicht gelingen: Zeit, dass sich etwas ändert. Ein Appell.

Was bedeutet es, wenn eine queere Initiative eine Person mit transfeindlichen Positionen einlädt, am Geburtsort der Sexualwissenschaft vorzutragen? Was bedeutet es, wenn die entsprechende Einladung zunächst in einer auch rassistisch getönten Sprache verfasst wurde? Was bedeutet es, dass die Kritik an der Einladung von dieser Organisation als eine Art Hysterie gedeutet wird?

Ganz sicher nicht, dass hier wertschätzend mit Meinungsdifferenz oder mit queer-feministischem Wissen umgegangen wird. Wird dagegen Hass als Debatte verkleidet, ist das für die Community weder gut noch sinnvoll. Im Lichte aktueller rechtsterroristischer Herausforderungen ist es sogar gefährlich.

Was ist geschehen? Der Vorstand der „Initiative Queer Nations e.V.“ hatte in der vergangenen Woche für den 17. März 2020 einen Vortrag der „LAZ reloaded i. Gr.“-Aktivistin Gunda Schumann (im taz-Haus) mit dem Titel angekündigt: “Transgender: Geschlechtergeschichte Passé?“

Zu Transfeindlichkeit kommt eine antisemitische Figur

Als wäre das nicht schon problematisch genug, wurde es noch schlimmer: Ursprünglich war die Veranstaltung unter dem Titel „Transkrake“ angekündigt worden – was neben der Konstruktion einer „trans Bedrohung“ zudem eine antisemitische Figur ist. Nach diesen Ankündigungen hagelte es Kritik, insbesondere aus der LGBTQI* Community.

Daraufhin veröffentlichte Christiane Härdel, die zugleich Mitglied im Vorstand von IQN und im Elberskirchen Hirschfeld Haus (E2H) ist, eine Pressemitteilung, die eher einer Nicht-Entschuldigung gleich kommt und die keine Verantwortung für die ungeheuerliche Ankündigung übernimmt.

Das E2H soll ein queeres Kulturhaus werden, in dem Berliner queere, lesbische, lesbisch-feministische und schwule Archive, Bildungseinrichtungen, ein Café und ein Kino ein Zuhause finden sollen. Die Initiative dafür ging 2016 von IQN aus. Die Ankündigung wurde seitens E2H als nicht beabsichtigte, missverständliche Formulierung dargestellt. Als dann auf Facebook direkte kritische Nachfragen formuliert wurden, misgenderte das E2H in seiner Reaktion eine Transperson.

In Windeseile war daraus eine Debatte über die Wechselfälle freier Meinungsäußerung

Was als dubioser Fall von Transfeindlichkeit begann, verwandelte sich rasch in etwas noch Problematischeres: In Windeseile war daraus eine Debatte über die Wechselfälle freier Meinungsäußerung geworden, die, verknüpft mit der für den Vortrag angekündigten Kritik an den Gender Studies, tatsächlich alarmierend ist.

[Die Autor_innen des Appells sind: Jennifer Evans, Professorin für Geschichte an der Carleton University, Ottawa, Kanada; Anna Hájková, Associate Professor für Europäische Zeitgeschichte, University of Warwick, Großbritannien; Sabine Hark, Professor_in für Soziologie an der TU Berlin und Leiter_in des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung; Ervin Malakaj, Assistant Professor für Germanistik an der University of British Columbia, Vancouver, Kanada; Iris Rachamimov, Professorin für Geschichte an der Tel Aviv Universität, Israel; Laurie Marhoefer, Associate Professor für Geschichte an der University of Washington, Seattle, USA; Katie Sutton, Senior Lecturer für Germanistik und Literaturwissenschaft an der Australian National University, Canberra, Australien]

Was nämlich inmitten der Presseerklärungen, den Tweets und Facebook-Postings aus dem Blick geraten ist, ist die Tatsache, dass dieser Vortrag und die unsäglichen Erklärungen des IQN nicht nur im Widerspruch zum aktuell gültigen Stand der Forschung in kritischer Trans-Geschichte, in der kritischen Sexualwissenschaft sowie den Gender Studies steht. Es untergräbt zudem jahrzehntelange Kämpfe und Bemühungen, die sich gegen die Stigmatisierung von Trans Personen artikulieren – etwa, indem sprachliche Diskriminierung sowie der Ausschluss von Gesundheits- und anderer Versorgung sowie die Unsichtbarkeit von Trans-Personen skandalisiert wird. Trans Aktivismus, Forschung und die Community werden also komplett negiert.

Die Kritik wurde nicht ernst genommen

Die falschen Unterstellungen ‚verletzter Gefühle‘ zeigen, wie wenig ernst die Organisator_innen der Veranstaltung die Kritik genommen haben, und diese sich der Verantwortung entziehen, indem sie mit der Einladung zu einem sich als feministisch ausgebenden, in Tat und Wahrheit aber reaktionär gerahmten, trans Personen und Positionen diffamierenden Vortrag eine Plattform geboten haben.

Es stimmt zwar, was taz-Redakteur, IQN-Vorstand und E2H-Initiator Jan Feddersen im Tagesspiegel erklärte: Dass dies nämlich wohl nicht dasselbe und nicht so schlimm sei, wie einen waschechten Nazi einzuladen. Das ist aber eine überaus fragwürdige Rhetorik für jemanden, der sich der pluralistischen Debatte verpflichtet sieht, ist doch die Einladung einer vermeintlichen Expertin, die ganzen Gruppen des LGBTI* Spektrums ihre Daseinsberechtigung abspricht, infam.

[Wer noch mehr über das queere Berlin erfahren will: Der Tagesspiegel-Newsletter Queerspiegel erscheint monatlich, immer am dritten Donnerstag. Hier kostenlos anmelden: queer.tagesspiegel.de]

Feministische, trans und queere Kritik ist ein dynamischer interdisziplinärer Diskurs, der grundlegende Annahmen hinsichtlich Körper, Identitäten, Begehren und Normen sowie Herrschaft untersucht. Im Kern sucht diese Kritik auch nach einem besseren Verständnis und einer Anerkennung alternativer Lebensweisen. Dieser Diskurs ist Vieles, aber er ist nicht exkludierend. Sein intellektuelles Erbe ist emanzipatorisch, eine Würdigung differenter Leben, die wesentlich der Anerkennung von Pluralität und Verschiedenheit verpflichtet ist.

Die Organisationsform des E2H muss kritisch befragt werden

Die Behauptung, der vorgesehene Vortrag inklusive seiner transfeindlichen feministischen Behauptungen stelle lediglich eine weitere Position im breiten politischen Spektrum rund um Geschlecht, Sexualität und Körper dar und habe daher auf dem demokratisch-pluralistischen Marktplatz der Ideen seine Legitimität, ist im besten Falle irreleitend. Die von der Rednerin Schumann formulierten Überlegungen bedienen sich einer exkludierenden Logik, die Politiken der emanzipatorischen Solidarisierung in den queeren und feministischen Communities diametral entgegen stehen.

Wir müssen die Organisationsform des E2H kritisch befragen: Wenn E2H sich der Repräsentation der historischen und gegenwärtigen Kämpfe um Anerkennung und Wertschätzung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – insbesondere in Berlin – verpflichtet hat, und wenn es stattdessen Exklusion, Missachtung und falsche Darstellungen von Forschung praktiziert, wie geht das zusammen?

Das queere Kulturhaus soll im alten Gebäude der "taz" entstehen (hier ein Archivbild).
Das queere Kulturhaus soll im alten Gebäude der "taz" entstehen (hier ein Archivbild).

© Tim Brakemeier dpa/lbn

Hier geht es nicht um Wahrheiten, wie der Vorstand glauben machen will. Es geht hier vielmehr um eine falsche, fahrlässige Rahmung eines überaus wichtigen Themas, die Erfahrung und Lebenswelten von Trans Personen im 21. Jahrhundert. Ausgeblendet bleibt, wie sehr diese Thematik mit Menschrechten und dem Kampf um Anerkennung und Würde verbunden ist. Es geht um Grundlegendes: Wie Wren Sanders jüngst über die Arbeit der US-Amerikanischen transpolitischen Ikone Susan Stryker schrieb, transness ist „eine Metapher für unsere grundlegende Fähigkeit, uns selbst neu zu erfinden und die Welt um uns herum lebenswerter zu machen“.

Die extreme Rechte hat sich auf die "Gender-Ideologie" eingeschossen

Die populistisch agierende extreme Rechte hat sich auf die sogenannte „Gender-Ideologie“ eingeschossen, um feministische, queere und trans Kämpfe z.B. um Bürger_innen-Rechte zu delegitimieren. Sie hat Meinungsfreiheit in eine Keule verwandelt, um Kritik und Widerstand mundtot zu machen. Sie attackiert die Forschung, insbesondere zu Geschlecht und Sexualität, als schlechte Pseudowissenschaft, und propagiert die Rückkehr zu ‚natürlichen‘ Rollen für Frauen und Männer. Kann eine queere Organisation diesen Diskurs bedienen, ihn gar perpetuieren?

Wir sind etablierte Forschende im Feld der Gender und Sexualitäts-Studien, mit einem Fokus auf Deutschland. Wir arbeiten in Deutschland, Israel, Kanada, Australien und Großbritannien. Manche von uns sind Botschafter*innen für das E2H-Projekt. Allerdings haben uns die jüngsten Entwicklungen davon überzeugt, dass das Projekt mit dem aktuellen Vorstand und dessen mindestens intransparent und wenig partizipatorisch zu nennendes Vorgehen keine Zukunft hat. Immer mehr Projekte haben sich bereits aus dem E2H-Projekt zurückgezogen, zuletzt im Zusammenhang mit diesem Konflikt der „Spinnboden e.V.“

Das E2H muss ein inklusives Projekt werden

E2H sollte ein Projekt der Berliner queeren Kultur und Wissenschaft werden, deshalb sollten alle gleichermaßen und transparent an den Planungen partizipieren können und gehört werden. Das Planungsteam zum E2H besteht nach unserer Kenntnis indes nur aus dem jetzigen Vorstand von IQN. Während die immer wieder formulierten rassistischen, misogynen, rechtslastigen und transfeindlichen Statements des aktuellen Vorstands immer wieder verheerend waren, wäre eine Aufwertung dieses Vorstands in Zukunft nachgerade gefährlich.

Angesichts des Erstarkens von Homofeindlichkeit, Rassismus, Misogynie und Transfeindlichkeit kann diese Gefahr kaum überschätzt werden. Wir appellieren an die Berliner Politik und die (noch) beteiligten Projekte, etwa die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, darauf hinzuwirken, dass E2H ein inklusives Projekt wird und Strukturen zu schaffen, die eine egalitäre Partizipation aller sicherstellen und die entscheidungsrelevanten Gremien mit Personen zu besetzen, die auf der Höhe der Forschung und in kritischer Würdigung vergangener sowie aktueller Kämpfe agieren. Queere Geschichte, die nicht trans-inklusiv ist, ist nichts wert. (Aus dem Englischen von Paula Villa Braslavsky)

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