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Für trans Rechte auf der Straße - eine Demonstration in Berlin.

© Nadine Lange

„Diese Unklarheiten sind frustrierend“,: Transfeindliche Hetze nach Gerüchten um Neuregelung des Transsexuellengesetzes

Eine Reform des Transsexuellengesetzes wird schon lange gefordert. Jetzt wird das Gerücht um eine Neuregelung genutzt, um gegen trans* Personen zu hetzen.

Das Transsexuellengesetz wird schon lange von vielen als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Auf seiner Grundlage müssen trans* Personen sich seit über 40 Jahren einer langen, teuren Begutachtung unterziehen. Aktivist*innen und Parteien wie die FDP, Grüne und Linke fordern schon lange, das Gesetz abzuschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Nun kursierten Gerüchte über eine Neuregelung des Gesetzes, was von Rechten genutzt wurde, um öffentlich Stimmung gegen trans* Personen zu machen.

So veröffentlichten die rechts-konservative Stiftung Citizen Go und das Aktionsbündnis „Demo für alle“ im Januar einen gemeinsamen Referentenentwurf des Bundesinnenministerium und Bundesjustizministeriums zur Neuregelung des Transsexuellengesetzes (TSG). Unter dem Slogan „Kinderfalle Trans-Gesetz- sofort stoppen!“ veröffentlichte das Aktionsbündnis „Demo für alle“ im selben Kontext eine trans*feindliche Petition, in der die Rede von einer „Transgender -Lobby“ war und von einem „hinterhältigen Angriff auf die Kinder“.

Auch die Publizistin Birgit Kelle, die für einen trans*feindlichen Gastartikel in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung bekommen hatte, bezog sich in einem Text auf den Gesetzentwurf. In ihrem Beitrag für "Focus Online" warnte sie vor „dramatischen Folgen für Frauen und Kinder“, falls der Entwurf in Kraft treten sollte. Inwiefern der Gesetzentwurf überhaupt echt ist, ist nach wie vor unklar.

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Entgegen der Einschätzung einiger Medien hätte die Neuregelung die Rechte von trans* Personen ohnehin nicht gestärkt, meint Kalle Hümpfner, Referent_in für gesellschaftspolitische Arbeit des Bundesverband Trans* (BVT*). Vielmehr hätte sie den Status Quo zementiert. Das sieht Julia Monro von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität ähnlich. Der Gesetzentwurf spiegle lediglich die Überheblichkeit des Innenministeriums wider und sei „handwerklich eine Katastrophe“.

Demonstration für trans Rechte.
Demonstration für trans Rechte.

© Inga Hofmann

Der gesamte Sachverhalt muss aufgeklärt werden

Doch auch, wenn der Entwurf mittlerweile verworfen wurde, bleiben einige Fragen offen. Zum Beispiel warum ein gemeinsamer Entwurf in keiner Antwort an die Abgeordneten, die zuvor Anfragen gestellt hatten, erwähnt wurde. Und wie das interne Paper an Birgit Kelle oder die Verfasser*innen der trans*feindlichen Position kommen konnte. „Diese Unklarheiten sind frustrierend“, sagt Hümpfner, „es stimmt mich besorgt, wie vertrauliche Dokumente aus einem Bundesministerium an Einzelpersonen oder Organisationen gelangen können, die diese für trans*feindliche Stimmungsmache nutzen.“ Der gesamte Sachverhalt sollte deshalb schnellstmöglich allumfassend aufgeklärt werden.

„In meiner Arbeit erreichen mich regelmäßig E-Mails von trans* Personen, in denen ich hoffnungsvoll gefragt werde, wann das diskriminierende TSG endlich abgeschafft wird“, berichtet Hümpfner. Es seien teils verzweifelte Nachrichten von trans* Personen, die mit einem unpassenden Namen und Geschlechtseintrag leben und dadurch im Alltag regelmäßig vor Herausforderungen stehen würden.

Trans* Personen, die ihren Vornamen und Geschlechtseintrag jetzt ändern wollten, schreckten aber von der Aussicht auf ein Verfahren vor dem Amtsgericht und eine doppelte Begutachtung zurück. „Ich kann ihre Fragen nicht zuversichtlich beantworten und nur enttäuschende Antworten geben“, sagt Hümpfner.

Julia Monro von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität verurteilt die trans*feindliche Hetze scharf: „Gespielt wird mit der Angst der Eltern. Als ‚Kinderfalle‘ wird die Petition betitelt oder als ‚Irres Transgender-Gesetz‘ bezeichnet. Wir sind schockiert und haben keine Gelegenheit den Entwurf zu kommentieren, der diesen Gruppierungen offensichtlich schon länger vorliegt.“

Demokratische Abläufe sind eher Wunschdenken

Das sei ein unfairer Vorteil für radikale Anti-Gender-Ideolog*innen. Vor zwei Jahren hatte das Bundesjustizministerium die Verbände zumindest einbezogen, bevor der Entwurf publik wurde. „Man hat auch ordnungsgemäß geladen und Gespräche geführt und sogar Vorschläge entgegengenommen“, berichtet Monro. Außerdem hätten sich die Oppositionsparteien engagiert und zu Gesprächen eingeladen. Doch im Innenministerium seien derartige demokratischen Abläufe eher Wunschdenken, kritisiert sie, und sämtliche Anfragen würden lustlos zurückgewiesen.

Hümpfner hält es für „sehr unwahrscheinlich“, dass das TSG noch vor der Bundestagswahl abgeschafft wird und durch ein Gesetz, das die geschlechtliche Selbstbestimmung aller Menschen achtet, ersetzt wird. Die Reform-Hoffnungen liegen damit auf der nächsten Regierung.

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