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Die «Big Brother»-Bewohner von 2020 sitzen in einem Whirlpool.

© dpa

Promi Big Brother: „Shakespeare? Muss man den kennen?“

22 Jahre Trash-TV: Am Freitag startet die zehnte Staffel der Promiversion vom großen Bruder.

Wir schreiben das Jahr 2000. Wir haben gerade das Millennium überlebt, die befürchteten Zusammenbrüche der Computernetze hat es nicht gegeben und der Weltuntergang blieb uns ebenfalls erspart. Doch was dann kommen sollte, hat wahrscheinlich keiner vorausgesehen. Nur zwei Monate nach dem Jahreswechsel 1999/2000 startet in Deutschland die erste Staffel „Big Brother“.

Eine neue Ära der Fernsehgeschichte wird geschrieben und RTL II setzt den Startschuss für das heiß geliebte und gleichermaßen gehasste Reality-TV. Am 28. Februar 2000 strahlt die kleine Schwester von RTL die erste Folge vom großen Bruder aus. Die Zuschauer können von nun an Menschen dabei beobachten, wie sie in den Tag hineinleben, Aufgaben und Spiele absolvieren und über alltägliche Dinge sinnieren.

„Wer war William Shakespeare? Muss man den kennen?“, fragt Publikumsliebling Zlatko in der ersten Staffel seine Mitbewohner. Spätestens jetzt sind die Zuschauer am Fernsehbildschirm fasziniert und können nicht mehr wegschauen.

Es geht entweder darum, ein soziales Geltungsbedürfnis zu befriedigen oder auch darum, (wieder) prominent zu werden.

Peter Walschburger, Psychologie-Professor an der FU Berlin.

„Reality-TV-Formate schaffen es, ganz unterschiedliche Aspekte der sozialen Wirklichkeit fernsehgerecht, publikumswirksam und leicht verdaulich aufzubereiten. Damit lenken sie uns, möglichst in medial besonders verführerischen Serienformaten, von unseren täglichen Widrigkeiten unterhaltsam ab“, sagt Peter Walschburger, Professor für Psychologie an der FU Berlin.

Aus Reality-TV wird Trash-TV

Am Ende eines anstrengenden Tages könne jeden diese einfache Kost der Fernsehunterhaltung unangestrengt amüsieren und der Stressbewältigung dienen, so Walschburger. Egal, ob „Frau oder Mann, ob jung oder alt, ob mehr oder weniger intelligent, ob ärmer oder besser gestellt“. Doch was die einen glücklich stimmt, ist für die anderen der reinste Müll der Fernsehunterhaltung.

Der Begriff Trash-TV setzt sich mit Zunahme etlicher weiterer ähnlicher Formate irgendwann durch. Die als Dschungelcamp bezeichnete RTL-Show „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ wird 2013 gar für den angesehenen Grimme-Preis nominiert. Dabei perfektioniert sich das Konzept des Reality-TVs zunehmend und funktioniert vor allem mit einer Komponente hervorragend: der Liebe.

Neben dem rosenverteilenden Bachelor und den suchenden Bauern sind es die zahlreichen Datingshows wie „Love“ oder „Temptation Island“, „Ex on the Beach“, „Bachelor in Paradise“ oder „Are you the One?“, die sich alle nach dem gleichen Rezept backen lassen. Man nehme zehn bis zwanzig Singles und verfrachte sie mit einer Menge Alkohol für zwei bis drei Wochen in eine schicke Villa in einem sonnigen Land.

Dabei beobachte man sie vierundzwanzig Stunden täglich mit mehreren Kameras und schneide das Ganze hübsch für den Zuschauer zusammen. Es ist das gleiche Prinzip wie schon zu Beginn bei „Big Brother“. Nur nicht mehr ganz so jugendfrei wie früher und mittlerweile weniger im analogen Fernsehen zu finden als im Streamingdienst.

Doch worin liegt der Reiz für den Zuschauer? „Als Couch-Potatoes können wir in bequemer Distanz zum sozialen Geschehen Schadenfreude, schamlos-schaulustiges Gaffen, Verrohungstendenzen, Respektlosigkeit oder aber unkritische ‘Heldenverehrung‘ erleben und ausleben“, sagt Peter Walschburger.

Ich gucke nicht viele Reality-Shows.

Moderatorin Marlene Lufen

Von „normalen“ Bewohnern zu „Promis“

Laut Statista gaben im März im Rahmen einer YouGov-Umfrage rund 16 Prozent der Teilnehmer an, vor allem aus Unterhaltungszwecken Trash-TV-Formate im Fernsehen zu sehen. Neun Prozent der Befragten schalten hauptsächlich aus Langweile ein. „Ich gucke nicht viele Reality-Shows“, gibt Moderatorin Marlene Lufen am Donnerstag im Vorfeld der zehnten Promi „Big Brother“-Staffel zu.

„Big Brother“ sei für sie aber die Nummer Eins. Apropos Nummer Eins: Der Titelsong „Leb!“ von der Band Die 3. Generation aus der ersten Staffel schaffte es im Jahr 2000 direkt auf Platz Eins der deutschen Singlecharts. Für die neunte und elfte Staffel in den Jahren 2009 und 2011 wurde der Song nochmal als Titelmusik verwendet. Für Fans bis heute der einzig wahre „Big Brother“-Song.

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2013 startete die Promiversion des großen Bruders auf Sat 1. Seit 2014 moderiert Jochen Schropp die Show, seit 2018 gemeinsam mit Lufen. „Wir sind ein richtig gutes Duo“, so Schropp. Bereits einen Tag vor Staffelbeginn wirft die Streaming-Plattform Joyn den Fans und Schaulustigen den ersten Appetithappen vor die Augen. Die Rede ist von absoluten Top-Promis, mit denen die Jubiläumsstaffel besetzt sein soll.

Doch wann ist ein Promi ein Promi? Die Teilnehmer müssen mittlerweile keine jahrelange Gesangs- oder Schauspielkarriere mehr vorweisen. Es reichen heute 50.000 Instagram-Follower aus, um sich für die Promiausgabe von „Big Brother“ zu qualifizieren. Oder man hat irgendwann mal an irgendeiner anderen Trash-Island-Sendung teilgenommen.

„Für solche Formate lassen sich besonders leicht Mitwirkende gewinnen, die auch zu prekären Formen medialer Selbstdarstellung bereit sind“, sagt Psychologieprofessor Walschburger. Neben einem großen Interesse am schnellen Geld stünden laut Walschburger zwei weitere Motive im Vordergrund der Teilnahme: „Es geht entweder darum, ein soziales Geltungsbedürfnis zu befriedigen oder auch darum, (wieder) prominent zu werden.“

In der nun startenden Jubiläumsstaffel von „Promi Big Brother“ (PBB) gibt es „einen schlechten Bereich und einen noch schlechteren Bereich“, verrät PR-Manager Kevin Körber. Den Kandidaten um Micaela Schäfer, Menderes oder Katy Karrenbauer wird also einiges abverlangt. Und der Zuschauer kann sich am Elend der Promis ergötzen, während diese in einer Garage im Stil einer Autowerkstatt nächtigen oder sich ihr Essen auf einem Dachboden voller Gerümpel und Spinnweben einverleiben.

Reality-TV funktioniert heute genauso gut wie vor 22 Jahren, wenn nicht sogar noch besser. Als erfolgreiches Geschäftsmodell betreibt es „eine Bewirtschaftung unserer Erregungs-, Zerstreuungs- und sozialen Orientierungsbedürfnisse, indem es zentrale Aspekte unseres Soziallebens auf möglichst einfache Weise in Szene setzt“, so Walschburger. Auch, wenn das Vergnügen mit der Promiversion von „Big Brother“ nur knappe drei Wochen anhält, müssen wir nicht traurig sein, wenn es im Dezember wieder vorbei ist. Denn: Nach „Big Brother“ ist vor dem Dschungelcamp!

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