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Wasser, Wasser, Wasser. Unwetter gehen über den Osten Siziliens und Teilen Kalabriens am Südzipfel von Italien nieder.

© REUTERS

Zwei Tote bei Extremwetter auf Sizilien: Plötzlich stand das Wasser hüfthoch

Ein extremes Unwetter mit Überschwemmungen setzt Catania unter Wasser, zwei Menschen ertrinken. Experten warnen eindringlich: Das Mittelmeer ist zu einem Klima-Hotspot geworden.

Seit Montagmorgen war das Wasser in Catania immer wieder in kleinen Bächen die Straßen hinabgeflossen. „Es ist wie in Venedig“, sagten die Menschen zunächst belustigt in den Cafés, die mit ihren Markisen Schutz vor dem Regen boten. Doch am Dienstagnachmittag wurde die Situation zunehmend dramatisch.

In der Via Giuseppe Garibaldi, die zum zentralen Domplatz führt, stand das Wasser mittags plötzlich fast hüfthoch. Die Kanalisation hatte versagt, aus den Gullys sprudelte zusätzlich Wasser hervor. Auch in den umliegenden Straßen floss das Wasser die Hügel hinab zum tiefgelegenen Domplatz.

Die Höfe der alten Stadtpaläste wurden überschwemmt. Binnen Minuten füllte sich ein tief gelegener Platz. In diesem Becken schwammen Stühle und Tische umliegender Kneipen, jede Menge Müll und ein großer Sonnenschirm. Am Nachmittag war das Wasser schließlich verschwunden.

Der Bürgermeister des mittelalterlichen Catania, Salvo Pogliese, hatte zwischenzeitlich die Schließung aller Geschäfte verfügt und sich mit einem Appell an die Bevölkerung gewandt: „Bleibt zuhause – und flüchtet in die höheren Etagen eurer Häuser, wenn ihr das könnt.“

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Auch alle Schulen und die Universität bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Bisher sind in Catania und Umgebung zwei Menschen in den Fluten umgekommen; die Ehefrau eines der Opfer wird noch vermisst.

300 Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden

Laut Angaben der Behörden sind auf dem Gebiet der 300 000-Einwohner-Stadt am Fuß des Ätnas am Montag und Dienstag innerhalb von 24 Stunden 300 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, die Hälfte dessen, was normalerweise in einem ganzen Jahr vom Himmel fällt.

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An den Abhängen des über 3000 Meter hohen Ätna, der seit fast einem Jahr sehr aktiv ist, waren es fast 700 Liter pro Quadratmeter. Am Mittwoch legte das Unwetter zwar eine Pause ein, doch das Schlimmste könnte erst noch bevorstehen, betonte der nationale Zivilschutzchef Fabrizio Curcio. „Unsere Modelle sagen voraus, dass der Sturm am Donnerstag und Freitag zurückkehren wird, mit noch größerer Wucht. Es erwarten uns schwierige Stunden“, sagte Curcio.

Tatsächlich warnen die Meteorologen davor, dass sich das nahezu stationäre Tief über Süditalien, das für die derzeitigen Unwetter über Sizilien und Kalabrien verantwortlich ist, zu einem sogenannten „Medicane“ entwickeln könnte, einem mediterranen Wirbelsturm. Das Wort „Medicane“ ist zusammengesetzt aus den englischen Vokabeln „mediterranean“ und „Hurricane“.

Ein „Medicane“ entwickelt zwar nur ein Viertel der Energie eines tropischen Hurrikans, ist aber ähnlich gefährlich. Neben erneuten sintflutartigen Regenfällen mit Überschwemmungen und Erdrutschen drohen Sturmböen von bis zu 180 Kilometern pro Stunde. Bisher sind bei den Unwettern dieser Woche in Catania Windspitzen von „nur“ 119 Kilometern pro Stunde gemessen worden.

Die Meteorologen sind sich weitgehend einig, dass die Wetterextreme, wie sie derzeit in Sizilien zu beobachten sind, zu einem erheblichen Teil durch den Klimawandel mitverursacht werden. Mehr noch: Das Mittelmeer sei förmlich zu einem Klima-Hotspot geworden, betonen Experten wie der Klimaphysiker Salvatore Pascale der Universität Bologna, ein Spezialist für das Phänomen der „Medicanes“. Er erinnert daran, dass der Sommer in Süditalien viel zu heiß und zu trocken gewesen ist.

48,8 Grad - Rekordhitze in Europa

In Catania wurde im Juli der Allzeit-Rekord von 48,8 Grad Celsius registriert, die höchste je in Europa gemessene Temperatur. „Der zu heiße Sommer hat im Mittelmeer zu einer stark erhöhten Oberflächenwassertemperatur geführt, und dies wiederum bedeutet, dass mehr Wasser in die Atmosphäre verdampft, das sich dann in immer intensiveren Unwettern entlädt“, betont Pascale.

Auch die Bildung eines „Medicanes“ über Sizilien und Kalabrien wäre, sollten die Prognosen zutreffen, kein neues Phänomen. Bereits im vergangenen Jahr hatte der mediterrane Wirbelsturm „Udine“ und ein weiteres Sturmtief über der Nordägäis unter anderem auf der Insel Kefalonia schwere Verwüstungen angerichtet und Todesopfer gefordert.

Wenige Tage vor dem Beginn der Uno-Klimakonferenz in Glasgow fordert der Klimaphysiker Salvatore Pascale die Weltgemeinschaft deshalb zum Handeln auf: „Die Wettervorhersagen für Catania für die kommenden Tage mögen schlimm sein – aber geradezu dramatisch wären die Prognosen für die nächsten Jahrzehnte, wenn sich die Atmosphäre um mehr als zwei Grad erwärmen würde.“

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