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Jeff Hall, Anführer einer Neonazi-Gruppe, schlug regelmäßig seine Kinder. Bis der zehnjährige Joe einen Plan fasste.

© dapd

USA: Zehnjähriger erschießt Nazi-Vater

Die Öffentlichkeit hat Verständnis dafür, dass der kleine Joe Hall seinem Martyrium ein Ende bereitete. Er und seine Geschwister wurden regelmäßig geschlagen. Aber der Staatsanwalt sagt, der Junge sei schon immer gewalttätig gewesen.

Joe war zehn Jahre alt, als er von der Schaukel im Garten aufstand, die geladene 357 Magnum aus der Küchenschublade holte und seinem auf dem Sofa schlafenden Vater in den Kopf schoss. Heute, zwei Jahre später, steht er dafür als „Amerikas jüngster Nazi-Killer“ vor Gericht in Riverside, einem Vorort von Los Angeles. Sollte der Junge am Ende des Prozesses des Mordes für schuldig befunden werden, bekommt er nach den hiesigen Gesetzen mindestens zehn Jahre Jugendhaft.

Der Prozess verursacht große Aufregung in den USA. Nicht nur, weil ein Zehnjähriger so kaltblütig getötet hat, auch weil es sich bei dem Opfer um einen der führenden Neonazis in Amerika handelte und viele Prozessbeobachter glauben, der Junge habe richtig gehandelt. Joes Vater Jeff Hall, ein gelernter Klempner, hatte Wahlkampf für Rechtsradikale betrieben, regelmäßig Treffen mit bekannten Neonazis in seinem Haus abgehalten und habe, so berichten Bekannte des getöteten Mannes, gar Jagd auf illegale Einwanderer gemacht. „Keine Frage, Jeff war kein guter Mensch“, sagt Joes Anwalt Matthew Hardy. Und weiter: „Der Junge dachte, dass ihn der Schuss auf den Vater zum Helden machen würde. Er dachte, er tut das Richtige.“ Auch deshalb, weil Joe zusammen mit seinen vier jüngeren Geschwistern und seiner Stiefmutter in einem Haus aufwuchs, in dem Gewalt gegen die Kinder an der Tagesordnung gewesen sein soll. Von Faustschlägen ins Gesicht war bei der Vernehmung des Jungen die Rede, von auf Unterarmen ausgedrückten Zigarettenstummeln, emotionaler Vernachlässigung und Phasen, in denen die Kinder nicht regelmäßig ernährt worden seien. Zur „Normalität“ für die Kinder zählten demnach auch die Treffen des National Socialist Movements (NSM) im Wohnzimmer der Familie, das Singen von Nazi-Liedern und Hasstiraden gegen Minoritäten. „Ich glaube an die Rassentrennung“, sagte Hall einst in einem Interview mit der „New York Times“.

Irgendwann muss es der kleine Joe nicht mehr ausgehalten haben. Irgendwann fing er an, einen Plan zu schmieden. Einen Plan, den er seiner kleinen Schwester mitteilte. „Ich werde Daddy erschießen“, soll er gesagt haben. Eine Aussage, die bei Joes Anwalt und vielen Amerikanern Verständnis und Anerkennung findet. „Mein Mandant wuchs in einem Umfeld auf, das Mord und Hass akzeptierte“, sagte Hardy. In erster Linie, so argumentiert der Anwalt weiter, trage das Nazitum des Vaters die Schuld an den psychischen Problemen des Jungen.

Die Anklage sieht das anders. Der kleine Joe sei immer schon gewalttätig gewesen, die Neonazi-Einflüsse des Vaters hätten mit der Gewalttat nichts zu tun, argumentierte Staatsanwalt Michael Soccio. „Der Junge hätte seinen Vater auch erschossen, wenn er Mitglied im Friedenskorps gewesen wäre“, sagte der Ankläger im Gespräch mit der „New York Times“. Richterin Jean Leonard steht nun eine schwere Aufgabe bevor. Sie muss eine Antwort auf die Frage finden, ob der Junge zur Tatzeit tatsächlich wusste, was er tat. Rechtsanwalt Hardy ist fest davon überzeugt, dass Joe „nur seine Familie vom gewalttätigen Vater beschützen wollte“. Staatsanwalt Soccio kontert mit Familienfotos, die er der Richterin zeigt. Darauf zu sehen sind scheinbare Idylle und trautes Familienleben im Einfamilienhaus in Riverside. Eine wichtige Zeugin in diesem Prozess ist die Witwe von Hall. Krista McCary sagte aus, dass der Junge sehr wohl richtig von falsch unterscheiden konnte, dass er oftmals schwer zu kontrollieren gewesen sei und zu Gewaltausbrüchen neigte. Aber sie sagte auch, dass ihr Ehemann „Drogen missbrauchte und den Jungen oft und heftig schlug“, wenn er unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand. Sie sei dann mit den anderen Kindern in ein Nebenzimmer gegangen, um der Rage ihres Mannes aus dem Weg zu gehen.

McCary war es auch, die ihren Mann mit einer blutenden Kopfwunde an jenem Tag im Mai im vergangenen Jahr auf dem Sofa vorgefunden hatte. Als sie Joe kurz nach der Tat zur Rede stellte, habe er gesagt: „Ich habe Papa erschossen.“ Danach blieb er stumm. Bis die Polizei kam und ihn abführte.

In dem Vernehmungs-Video, das dem Gericht vorgespielt wurde, sagte der Junge, er habe es nicht länger ausgehalten, dass sein Vater ihn und die Geschwister geschlagen habe. Außerdem habe der Vater gedroht, das Haus mit den Kindern darin in Brand zu stecken. „Ich beschloss, es zu beenden.“

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