zum Hauptinhalt
In Bosnien war die Corona-Lage zwischenzeitlich besonders schlimm.

© imago images/Pixsell

Skandal in Bosnien: Wurden Covid-Patienten mit Industriegas behandelt?

Offenbar ist zwei bosnischen Kliniken falsch deklarierter Sauerstoff geliefert worden. Politiker und Anwälte fordern Konsequenzen.

Während die einen sich keiner Schuld bewusst sind oder dies zumindest behaupten, sprechen andere von der „größten kriminellen Affäre aller Zeiten“. Gemeint ist ein Sauerstoff-Skandal in Bosnien. Der Vorwurf: In dem bosnischen Teilstaat der Republika Srpska sollen Covid-Patienten in mindestens zwei Kliniken statt medizinischem Sauerstoff Industriegase verabreicht worden sein.

Es gebe „keinen Grund zur Sorge“, versichert Alen Seranic, der Gesundheitsminister im bosnischen Teilstaat der Republika Srpska. In den Covid-Kliniken werde derselbe Sauerstoff verwendet, „mit denen schon seit 20 Jahren Babys, Familien und andere Patienten geheilt werden.“ Der Bürgermeister von Banja Luka ist anderer Meinung.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Seinen Informationen zufolge habe die Universitätsklinik in Banja Luka ihren Sauerstoff von der Firma TGT Tehno Gas bezogen, obwohl diese nur eine Lizenz für den Handel mit technischen Gasen besitze. Er fragt: „Wissen die Patienten, dass ihr Sauerstoff ohne Lizenz, Zertifikat und Kontrollen geliefert worden ist?“

Der Vorwurf erscheint ungeheuerlich. Doch Bosniens Arzneimittelbehörde hat der ins Zwielicht geratenen Firma des früheren Polizeichefs Stanislav Cado wegen der fehlenden Lizenzen die Produktion und den Handel mit medizinischen Gasen nun verboten.

Hat Bosnien deshalb so viele Corona-Tote?

Die Produktion von medizinischen sei zwar „ähnlich“ wie die von technischen Gasen, aber wegen der für Arzneimittel erforderlichen Zulassungen und Qualitätskontrollen mit einem wesentlich höheren Personal- und Kostenaufwand verbunden, sagte ein Branchenkenner dem Tagesspiegel.

„Korrekt abgefüllt“ seien bei der Verabreichung von für Industriezwecke gefertigten Sauerstoff zwar nicht zwangsläufig gesundheitliche Folgen zu fürchten. Doch bei Abfüllung und Transport könne es bei falsch deklariertem Sauerstoff wegen der fehlenden Kontrollen leicht zu „Kontaminierungen“ kommen: „Riskant wird es vor allem, wenn mit Lachgas gepanscht wird, bei dem der CO2-Anteil zu hoch ist. Die Patienten merken das nicht und wachen aus der Narkose nicht mehr auf.“

Ein Anwalt verklagt die Verantwortlichen

Das Webportal „klix.ba“ fragt sich bereits, ob die im internationalen Vergleich auffällig hohe Zahl von Corona-Toten in Bosnien „etwas mit der Qualität des Sauerstoffs zu tun hat“. Außer an der Unikinik in Banja Luka sollen auch in der Covid-Klinik in Trebinje Industriegase verabreicht worden sein. Dusko Tomic, der Anwalt von mehreren Familien verstorbener Covid-Patienten, spricht von Hinweisen, dass Patienten an dem ihnen verabreichten Sauerstoff verstorben seien – und fordert Konsequenzen für die Verantwortlichen: „Dies ist eine viel größere Affäre als man sich vorstellen kann.“

[Lesen Sie bei T-Plus auch, welche Probleme Indien während der Pandemie mit dem Sauerstoff hatte]

Über eine „politisch motivierte Panikmache“ klagen dagegen die in die Kritik geratenen Amtsträger. Tatsächlich könnte es für die regierende SNSD von Serbenführer Milorad Dodik wegen der Affäre problematisch werden. Denn es mehren sich die Enthüllungen über korruptionsträchtige Anschaffungen während der Pandemie.

Erst Mitte September war der Chef der Gesundheitsbehörde wegen des Verdachts des Ankaufs von medizinischer Schutzkleidung zu völlig überhöhten Preisen verhaftet worden. Der in den Kliniken der Republika Srpska verabreichte Sauerstoff sei von „derselben Qualität wie der, der in München oder Wien verwendet wird“, beteuert Dauerregent Dodik. Doch immer weniger seiner Landsleute mögen ihm Glauben schenken.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false