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Abhängig vom Daddeln. Mit der Pandemie ist die Mediensucht unter Jugendlichen stark gestiegen.

© picture alliance / Patrick Seeger/dpa

Sexueller Missbrauch in Online-Spielen: Wie Gaming-Chats zunehmend Pädokriminelle anlocken

Kinder und Jugendliche lieben den Kontakt über Soziale Medien oder auch in Spiele-Chats. Diese ziehen laut Medienbericht aber auch immer mehr Pädophile an.

Laut Bericht der „New York Times“ tauchen in den USA verstärkt Hinweise über sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im virtuellen Raum auf. Zunehmend werden bei der Kontaktanbahnung zwischen Tätern und Opfern auch die Chat-Funktionen von Online-Videospielen genutzt.

Einige Täter hätten laut Justiz und Forschung dabei sogar mit Hunderten oder Tausenden von Opfern eine sexualisierte Beziehung angebahnt. Im Deutschen wird dies als „Cybergrooming“ bezeichnet. Laut des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland geht es dabei um den sexualisierten Beziehungsaufbau zu Kindern und Jugendlichen.

Der Zugang erfolgt unter anderem über Soziale Medien wie Instagram, Snapchat, TikTok, Yubo, Youtube, LiveMe, Omegle oder Periscope von Twitter. Auch die Chat-Funktion vieler beliebter Online-Videospiele wie „Fortnite“ oder Plattformen wie Twitchoder Dischord werden genutzt. Die Täter und Täterinnen, so der Beauftragte, geben sich bei der Kontaktaufnahme häufig selbst als Kinder und Jugendliche aus, manchmal täuschten sie auch eine schwierige Lebenssituation vor. So gewönnen sie Vertrauen und manipulierten die Wahrnehmung ihrer Opfer. Zunehmend verstrickten sich diese dann in Abhängigkeiten und mieden es teilweise auch aus Scham, mit jemandem darüber zu sprechen. In Deutschland gilt Cybergrooming als Vorbereitung zu sexuellem Kindesmissbrauch und damit als strafbar.

Zahl von Cybergrooming und sexueller Erpressung steigt in den USA

Das Problem ist nicht neu, dass Kinder und Jugendliche durch digitale Medien potentiell in Kontakt mit Pädophilen geraten könnten. Vor sechs Jahren wurden einer entsprechenden US-Meldestelle etwas mehr als 50 Übergriffe im virtuellen Raum gemeldet, so die „New York Times“. 2018 erhielt die Meldestelle bereits 1500 Meldungen von sogenannten „Sextortion“-Fällen. Das Kofferwort aus Englisch „sex“ und „extortion“ (Erpressung) beschreibt sexuelle Erpressung - beispielsweise für Geld oder weitere sexualisierte Bilder, Videofilme und auch Treffen im realen Leben. Die Dunkelziffer sei laut der US-Meldestelle weitaus höher.

Ein wichtiges Warnsignal sei, dass Kinder und Jugendliche in Online-Chats von neuen Freunden oder gar Fremden auf Plattformen wie Whatsapp, Instagram, Dischord, Kik oder Skype gelenkt werden sollen. Bereits Grundschulkinder werden als Spieler angesprochen und im Netz nach Alter, Name oder Wohnort gefragt. Kinder und Jugendliche, die Opfer von Cybergrooming und Sextortion geworden sind, leiden zum Teil noch Jahre später unter dem Erlebten.

Software zum Erkennen von sexuellem Missbrauch

Wie die „New York Times“ bereits Anfang 2019 berichtete, unternimmt die Tech-Branche bislang aber nur wenige Anstrengungen, um dem Kindesmissbrauch in ihren Netzwerken Einhalt zu gebieten. Die Aufgabe gestaltet sich umso schwieriger, je mehr sich die Online-Vorlieben von Erwachsenen und Minderjährigen zunehmend überschneiden, so dass US-Blatt. Dabei gibt es bereits Software-Tools zum Erkennen von Missbrauchsinhalten, aber dies geschieht meist erst, wenn Kinder und Jugendliche bereits Opfer von Cybergrooming und Missbrauch geworden sind, so die US-Zeitung. Das Scannen von Bildern in Echtzeit sei komplizierter. Auch juristisch gibt es derzeit in den USA kaum Anreize, das Problem zu lösen. Unternehmen werden für illegale Inhalte, die auf ihren Websites veröffentlicht werden, größtenteils nicht verantwortlich gemacht.

Kein Muster beim Cybergrooming erkenntlich

Das FBI hat im Herbst 2019 aufgrund der Zunahme von pädokriminellen Annäherungen in Online-Spielen eine Aufklärungskampagne gestartet. Kinder und Jugendliche sollen sich melden, wenn sie merken, dass die Dinge aus dem Ruder liefen. Sie sollten sich, so der Info-Flyer, nicht schämen, falls sie doch Geld, Geschenke oder virtuelles Spielgeld angenommen hätten.

Polizeibeamte im US-Bundesstaat New Jersey gingen zuvor sogar einen Schritt weiter: Sie installierten 2018 zahlreiche Fake-Profile von Kindern und Jugendlichen und fingen an, auf Spiele-Plattformen zu chatten. In weniger als einer Woche hatten die Beamten 24 Personen aufgrund von pädokriminellen Handlungen verhaftet. Das Experiment wurde noch zweimal in den USA wiederholt, dabei wurden insgesamt 36 Personen verhaftet. Eine Person wurde bislang zu einer Haftstrafe verurteilt.

Die Behörden hatten gehofft, durch die Aktion auf ein Muster zu stoßen, das für weitere Ermittlungen hilfreich sein würde. Doch die Täterinnen und Täter wiesen kein klares Profil auf. Sie stammten aus allen gesellschaftlichen Schichten – darunter seien Polizeibeamte, Zahnmediziner, Lieferanten, Bankangestellte oder Kellner gewesen, so die „New York Times“.

Was gegen pädophile Online-Kriminalität getan wird

Widerstand gegen bessere Kontrollen auf Spiele-Plattformen kommt zum Teil aus der Gaming-Community selbst. Viele wollen ihre Anonymität nicht aufgeben und sich beispielsweise mit einem Ausweisverfahren verifizieren. Für Kinder und Jugendliche ist das oft auch gar nicht möglich, weil sie keine entsprechenden Ausweisedokumente besäßen, so die „New York Times“.

Facebook hat zum Teil die Möglichkeit, über das Auslesen von Textnachrichten Cybergrooming zu erkennen, wie eine Sprecherin des Unternehmens gegenüber der US-Zeitung mitteilte. Doch in vielen Online-Games seien hingegen eher Interaktionen über Sprach- und Videonachrichten üblich. Diese generell zu löschen wäre ein harter Schlag für viele Gaming-Unternehmen. Gerade bei Gruppenspielen könnten Teams oft nur aufgrund guter Kommunikation gewinnen. An vielen US-Schulen gelten Gruppen-Onlinespiele zudem als E-Sport, an dem teilzunehmen relevant für Zeugnisse oder Stipendien sein kann.

Das planen einige Tech-Unternehmen gegen Cybergrooming

  • Das Unternehmen Roblox, das auch Spiele für junge Kinder anbietet, nutzt laut eigener Aussage die Erkennungs-Software der Firma „Two Hat Security
  • Roblox untersagt seinen Nutzern, nach echten Namen und dem Alter eines Spielers zu fragen
  • Weitere Filter für Kinder unter 13 Jahren sind bei Roblox noch einmal verstärkt
  • Microsoft (Xbox und „Minecraft“) plant 2020 eine Software, die einige Formen des Cybergroomings und der sexuellen Erpressung automatisch erkennt
  • Microsoft wird die Software auch anderen Tech-Unternehmen kostenfrei anbieten
  • Facebook (Whatsapp und Instagram) nutzt neben einem Algorithmus mit Texterkennung Einschränkungen, damit Erwachsene Minderjährige nicht kontaktieren können
  • Ein Reporter der „Times“ konnte jedoch per Instagram problemlos in einem abgesprochenen Experiment die 13-jährige Tochter eines befreundeten Paares kontaktieren
  • Instagram kündigte ein neues Feature an, das Nachrichten von Usern blockiert, denen man nicht folgt
  • Zudem sollen Nutzer beim erstmaligen Anlegen eines Instagram-Accounts ihr Alter angeben. Dies ließe sich mit einem gefälschten Profil jedoch leicht umgehen
  • Die in der Gaming-Szene beliebte Plattform Dischord sagte gegenüber der „New York Times“, dass man in Chats geteilte Bilder auf illegale Inhalte überprüfe. Dazu nutze man eine Software, die Videos und Bilder nach Kinderpornografie durchsuche
  • Bei Dischord läsen auch Moderatoren einige als „hochriskant“ eingestufte Chatprotokolle, die zuvor gespeichert wurden. Eine Echtzeit-Überprüfung fände nicht statt
  • Dischord überprüft jedoch nicht automatisch Unterhaltungen auf seiner Plattform auf Cybergrooming und sexuelle Erpressung, da dies gegen die Privatsphäre verstoße, so das Unternehmen
  • Epic Games („Fortnite“) hat gegenüber der „New York Times“ auf mehrmalige Nachfrage nicht angegeben, wie es Kinder und Jugendliche vor Pädokriminalität schützt
  • Sony (PlayStation) gab an, dass man Anleitungen verfasse, damit Eltern besser darüber Bescheid wissen, was ihre Kinder mit der PlayStation machen können. Zudem gäbe es Tools, mit denen User Missbrauch melden könnten

Häufig würden Kinder und Jugendliche erpresst, indem ihnen der Täter oder die Täterin vorgäben, dass er oder sie ein Freund oder Bekannter aus der Schule oder dem näheren Umfeld des Opfers sei. In vielen Fällen hinterfragen die Opfer dies nicht und glauben ihrem Peiniger. Ihre Angst, sich anzuvertrauen, basiert deshalb auch darauf, tatsächlich öffentlich bloßgestellt zu werden. Beispielsweise drohen die Täter damit, dass heikle oder eindeutig sexuelle Bilder und Videos an die Schule, Eltern oder den Freundeskreis der Opfer gesendet werden.

Eltern sollten im Fall von Cybergrooming die Kinder nicht bestrafen oder einfach alle Zugänge zu den Spielen sperren, so die „New York Times“. Denn das mache die Kinder anfälliger dafür, sich heimlich Zugang zu den Plattformen zu verschaffen. Dadurch gäbe es dann noch weniger Kontrolle über die Kontakte der Kinder auf den Gaming-Plattformen.
Ebenso hilft es, wenn Eltern sich intensiv mit den Spielen ihrer Kinder auseinandersetzen und diese grundsätzlich verstehen. Eltern sollten fragen, wie die Chats funktionieren, wen die Kinder in den Chats der Spiele kennenlernen und was die Personen wissen möchten. Schlimmstenfalls sollen sie verdächtige User blockieren oder die Chatfunktion abschalten. (Tsp)

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