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Die Taiga stirbt in den Flammen. Lebensgefährlich ist die Arbeit der Löschmannschaften in den endlosen Wäldern.

© imago images/ITAR-TASS

Waldbrände in der sibirischen Taiga: Eine Art Apokalypse

Klimawandelt treibt die Brände, die Brände treiben den Klimawandel. Inzwischen ist die Gefahr erkannt: Putin spricht von einer „beispiellosen Katastrophe“.

Es geht ganz schnell. Gerade noch scheint in der sibirischen Stadt Jakutsk die Sonne, jetzt treibt der Wind eine gewaltige Wolke über die Dächer der Häuser. Der Himmel färbt sich erst hellgelb, dann sepia. „Heute hatten wir so eine Art Apokalypse“, sagt eine Stimme aus dem Hintergrund in dem Tweet, der wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film wirkt. Ein anderer zeigt, wie Asche auf die Frontscheibe eines Autos fällt, die Scheibenwischer schaffen es nicht mehr, der Fahrer muss anhalten, aussteigen und die Scheiben freikratzen.

Ähnliche Aufnahmen aus Sibirien waren in diesem Sommer in den sozialen Netzwerken oft zu sehen, nicht nur aus Jakutsk. Die Region musste von Mai bis Anfang September die schlimmsten Waldbrände ihrer bisherigen Geschichte durchstehen. Nach Angaben der russischen Abteilung von Greenpeace standen in diesem Jahr 170.000 Quadratkilometer in Flammen, ein Gebiet weit größer als Österreich, die Schweiz und Liechtenstein zusammengenommen.

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Für Jakutsk war es bereits das dritte Jahr in Folge, in dem die Brände der Stadt mit ihren 270.000 Einwohnern bedrohlich nahekamen. An manchen Tagen wurde die zulässige Schadstoffbelastung um das 20-fache überschritten, der Ausnahmezustand musste ausgerufen werden. Die Taiga brennt in Sibirien in jedem Jahr, das hat auch mit Gewittern und Selbstentzündung zu tun. Aber die Veränderungen des Klimas spielen nach Ansicht von Experten die viel größere Rolle.

Jakutien, eine Fläche fünf Mal so groß wie Frankreich, ist die Kältekammer Russlands. Im Winter sanken die Temperaturen in der Vergangenheit oft unter die Marke von 50 Grad minus. Doch oft werden solche Temperaturen nicht mehr erreicht. Es wird wärmer, immer Sommer manchmal bis zu 30 Grad, und es wird trockener. Die Region erwärmt sich sehr viel schneller als der Rest der Welt.

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Viele Brände, die im Sommer als gelöscht oder erloschen galten, schwelen im Winter unter der dünnen Schneedecke und dem manchmal nur noch oberflächlich gefrorenen Boden weiter, um gleich im nächsten Frühjahr wieder offen auszubrechen. „Der Klimawandel ist die Hauptursache der Feuer und die Feuer treiben den Klimawandel an“, erklärt Greenpeace-Aktivist Grigori Kuksin den Teufelskreis. Die meisten Wälder liegen zudem im hohen Norden, wo die Bäume sehr viel langsamer wachsen, als in den gemäßigten Zonen. Wo es einmal gebrannt hat, wächst sehr lange nichts.

Russische Gesetzgebung erschwert Brandbekämpfung

Es gibt weitere Faktoren, die die Probleme verschärfen. Eines davon ist die russische Gesetzgebung. Fast die Hälfte der Flächen, auf denen es in diesem Jahr brannte, liegen in der vom Gesetz so genannten „kontrollierten Zone“. Der Begriff ist nach Ansicht von Umweltschützern total irreführend. Er bestimmt nämlich nicht, dass dort verstärkt kontrolliert wird, sondern das Gesetz erlaubt es den Verantwortlichen in den Regionen abzuwägen, ob die Kosten für das Löschen höher liegen als der durch den Brand entstandene Schaden.

Weil ein Großteil des betroffenen Waldes wirtschaftlich nicht nutzbar ist, liegt der Schaden bei null, heißt deren Logik. Langfristige Folgen wie das weitere Auftauen des Permafrostbodens oder die Gesundheit der Menschen, kennt das Gesetz nicht. So tun die Bürokraten in Jakutsk und anderswo das, was im Gesetz steht: nichts.

Erbärmliche Ausrüstung für sibirische Brandbekämpfer

Aber auch dort, wo gelöscht wird, bietet sich ein trauriges Bild. Eine Reportage des oppositionellen Online-Portals „Meduza“ legte das in diesem Sommer offen. Lebensgefährlich ist die Arbeit der Brandbekämpfer auch anderswo. Aber in Sibirien kommt hinzu, dass sie mit einer erbärmlichen Ausrüstung losziehen müssen.

Meist ist es so, dass Trupps von acht bis zehn Leuten mit dem Hubschrauber Mi-8 bei den oft weit von der nächsten Ortschaft entfernten Feuern abgesetzt werden. Sie haben Spaten dabei, Äxte und einen Flammenwerfer mit einem 18-Liter-Tank, um Gegenfeuer zu legen. Manchmal werfen Löschflugzeuge Wasser ab, aber es hilft allenfalls dabei, die Temperatur in der Brandzone zu senken. In der Nähe von Dörfern kommt dann auch einmal ein Traktor zum Einsatz. Das ist alles.

Systematische Brandbekämpfung kann man das sicher nicht nennen. Offensichtlich hat man das inzwischen auch im fernen Moskau erkannt. Zwei Mal befasste sich Präsident Wladimir Putin mit den „absolut beispiellosen Bränden“. Man müsse aus ihnen lernen.

Putin ist einem „menschengemachten Klimawandel“ gegenüber skeptisch

Den Begriff „Klimawandel“ nannte er dabei immer noch nicht. Putin hat wiederholt deutlich gemacht, dass er skeptisch sei, was die Erkenntnisse über einen „menschengemachten Klimawandel“ angeht. Aber dass die Forstwirtschaft chronisch unterfinanziert ist, gibt der Präsident zu.

Im nächsten Jahr soll sie mit rund 300 Millionen Euro zusätzlich unterstützt werden. Zugleich sollen Unternehmen die Möglichkeit erhalten, Flächen in der Taiga zu pachten. Entweder um sie selbst zu bewirtschaften oder aber, um so Zertifikate für die Kompensation ihrer Treibhausgas-Emissionen zu erhalten.

Doch das zentrale Problem lösen diese Maßnahmen noch immer nicht, meint der Kommentator der Zeitung „Moscow Times“: Die politische Klasse in der Provinz würden ökologischen Problemen völlig gleichgültig gegenüberstehen.

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