zum Hauptinhalt
Jetzt nicht mehr zusammen: Michael und seine Frau Claudia Müller.

© Jens Kalaene/dpa

Trennung jenseits der 50: Warum so viele Menschen im Alter das neue Glück suchen

Nicht nur Berlins Bürgermeister und seine Frau stehen nach 26 Jahren vor dem Liebes-Aus. Trennungen werden immer häufiger und Neuanfänge immer leichter.

Schöner kann man es kaum formulieren: „Nach mehr als dreißig guten und spannenden Jahren geben wir heute unsere Trennung als Paar bekannt“, schrieben Susanne Klatten und Noch-Ehemann Jan im Sommer letzten Jahres in einer gemeinsamen Erklärung. „Wir gehen in Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit und in Freundschaft in eine neue Lebensphase.“

Diese noble Haltung einer der reichsten Frauen Deutschlands und ihres Mannes konnte man nur vorbildlich finden angesichts eines Trends, der sich immer mehr zu verstärken scheint: die späte Scheidung. Von 153 500 Ehen, die im Jahr 2017 vor dem Scheidungsrichter endeten, wurden 17,5 Prozent nach 25 oder mehr Ehejahren geschieden, mehr als doppelt so viele wie noch Anfang der 90er Jahre.

Thomas Gottschalk lag also voll auf der Höhe der Zeit, als er sich kürzlich nach 43 Ehejahren einvernehmlich von Frau Thea trennte. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller ließ jetzt über seinen Anwalt mitteilen, dass er sich von seiner Frau getrennt hat. Allerdings liegt bei ihnen die Silberhochzeit noch nicht so lange zurück.

Boris Becker schaffte nur neun Jahre, trennte sich im Alter von 50 Jahren von seiner zweiten Ehefrau. Ein neues Leben jenseits der 50 zu beginnen, ist nicht nur für Männer attraktiv, sondern auch für Frauen, die viel zu lange gezwungen waren, mangels eigener Einkommen in unglücklichen Ehen zu verharren. Manchmal wurden solche Frauen vom Tod des Partners erlöst, dann sagten die Freunde: „Danach blühte sie so richtig auf.“

Besonders mit gutem Job hat und wenn Kindern, die sich schon zum Studium verabschiedet haben, kann die Frau guten Gewissens die gemeinsame Wohnung verlassen und in ein neues Leben durchstarten. Bei Männern will es das Klischee, dass nach durchlebter Midlife Crisis manchmal eine sogenannte „Trophy Wfe“ her muss, eine blondmähnige Frau mit Kurven und anderen einschlägigen Attributen, mit der man bei den Kumpels ordentlich etwas her machen kann.

Manchmal verbirgt sich in dem Buhlen um die jüngere Frau aber auch nur die Angst vor dem Tod, die unbezähmbare Sehnsucht, die eigene Jugend wiederzugewinnen.
Prominente Beispiele gibt es genug. Und es ist vielleicht auch ein Zeichen für die Emanzipation, dass mit der 46-jährigen Heidi Klum gerade erst eine Frau, einen deutlich jüngeren Mann geheiratet hat, den 29-jährigen Tom Kaulitz. Gesellschaftlich anerkannt ist das längst. Zumal es nicht mehr so ist, dass die Frau das Opfer ist. Nach der Trennung von Angelina Jolie war Brad Pitt mit Anfang 50 angeblich so traurig, dass er eine Bildhauer-Therapie brauchte.
Wladimir Putin und seine Frau Ljudmila wählten 2013 in Moskau eine Pause beim Ballett, um ihre Trennung nach 30 Jahren Ehe bekannt zu geben: „Wir sehen uns praktisch nie. Jeder hat sein eigenes Leen“, sagte die Frau. Dieses Schicksal ist vor allem in Politikerkreisen verbreitet. Unter anderem Bettina Wulff und Walter Kohl haben über die Herausforderungen, in einem Politikerhaushalt zu leben, Bücher geschrieben.

Überfüllte Terminkalender auch am Wochenende, Blitzlichtgewitter, sobald man im Theater oder im Konzert auftaucht und ein unersättliches Interesse der Öffentlichkeit am Privatleben sind nicht jedermanns Sache. Wo der Spruch „Gegensätze ziehen sich an“ beim Zusammenkommen geholfen hat, wendet sich der Partner mit Grausen, wenn die Selbstdarstellung und das Sympathiepunktesammeln des eingefleischten Politikers gerade erst begonnen hat.

Sexuelle Attraktivität zwischen Partnern soll im Durchschnitt nur 4 Jahre anhalten

Sowas endet dann auch mal in Beziehungen, in denen beide Profis sind, wie bei Nicolas Sarkozy und Carla Bruni oder Heiko Maas und Natalia Wörner. Pragmatisch ging Oskar Lafontaine vor, der in dritter und vierter Ehe mit Christa Müller und Sahra Wagenknecht Frauen heiratete, die mit eigener Politikkarriere genau wissen mussten, worauf sie sich einließen. Es gibt auch für Normalbürger viele Gründe, sich zu trennen. Der Klassiker ist natürlich ein Seitensprung, aber das ist längst nicht der einzige mögliche Grund. Das zeigt sich gerade im erhöhten Anteil der Ehen, die erst Jahrzehnte nach der Hochzeit getrennt wurden.

Zwischen der Hochzeit und dem endgültigen Auseinandergehen lagen nach so vielen Jahren viele Verführungen am Wegesrand, zumal es Untersuchungen gibt, nach denen die sexuelle Attraktivität zwischen zwei Partnern im Durchschnitt nur vier Jahre von selber anhält. Danach muss man dran arbeiten, dass das Liebesleben erfüllt bleibt. Die New Yorker Paartherapeutin Esther Perel beschreibt in ihrem jüngsten Buch „Die Macht der Affäre“ auch den Wandel des Zusammenseins.

Danach war die Eheschließung zweier Menschen Jahrtausendelang weniger die Verbindung zweier Individuen als die strategische Partnerschaft zwischen zwei Famuilien, „durch die deren wirtschaftliches Überleben gesichert und der soziale Zusammenhalt befördert wurde“. Für die Erfüllung der ehelichen Pflichten gab’s zur Belohnung das Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit.

Die Liebe spielte eine Nebenrolle, mochte mit der Zeit entstehen oder auch nicht. Erst die Romantik, der aufkommende Individualismus und die industrielle Revolution lösten die Ehe aus diesem Korsett. Plötzlich durfte es Liebe sein, die zwei Menschen vor den Traualtar brachte.

Den neuen Partner maßgeschneidert aus dem Internet

Wenn es aber nur Liebe ist im Sinne vom Tanz der Hormone, dann ist die Formel „Bis dass der Tod euch scheidet“ schwer einzuhalten. Bis weit in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts hielten gesellschaftliche Konventionen die Scheidungsraten niedrig. Sowas tat man einfach nicht, man biss die Zähne zusammen und blieb. Auch die damals noch signifikante Macht der Kirchen mag dazu beigetragen haben. Wie so vieles änderte die 68er Revolution solche Gepflogenheiten, brach mit alten Tabus. Eine Zeitlang rangierte guter Sex fast höher als alle Gefühle. Die digitale Revolution brachte die nächsten Änderungen im Paarungsverhalten.

Inzwischen kann man sich den Partner maßgeschneidert aus dem Internet holen. Die einschlägigen Partnervermittlungen klären letzte Fragen vorab bis in Detail. Schläfst du lieber bei offenem oder geschlossenem Fenster? Wir haben das Passende für dich!

Was wie ein Rückschritt in die strategische Partnerschaft wirkt, nur eben aufs individuelle Glück umgedacht, kann tatsächlich gut halten. Beispiele sprechen sich herum in Freundeskreisen. Sie senken die Hemmschwelle, auch jenseit der 50 noch nach dem Glück mit langer Haltbarkeit zu streben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false