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Polizisten durchsuchen das Anwesen des mutmaßlichen Mafiosi Sebastian Marset in Santa Cruz, Bolivien.

© AFP/RICARDO MONTERO

Südamerikas meistgesuchter Drogenboss: Jagd auf den Paten von Montevideo

Lange war Sebastian Marset unsichtbar, obwohl er tonnenweise Kokain nach Europa exportierte. Dann ließ er einen Staatsanwalt ermorden, der ihm auf den Fersen war. Seither bröckelt sein Imperium.

Es war seit dem kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar wohl die aufwändigste Jagd auf einen Mafiapaten. Die Ermittler scheuen keine Mühe, um der „Operation Pfau“ zum Erfolg zu verhelfen: 2250 Polizisten, 23 Hausdurchsuchungen und zwölf Festnahmen in den vergangenen Tagen führten sie schließlich in ein Villenviertel in der bolivianischen Wirtschaftsmetropole Santa Cruz.

Doch als sie das Anwesen stürmten, trafen sie auf erbitterten Widerstand der Leibwächter – was dem Gesuchten die Gelegenheit bot, wieder zu entkommen. Sie konnten lediglich ein beeindruckendes Arsenal an Schnellfeuerwaffen, Drogen, exotischen Tieren und Luxuslimousinen der Presse präsentieren. Die Nachbarn waren konsterniert. Sie kannten den Gesuchten als Luis Paulo Santos Amorim, einen brasilianischen Geschäftsmann, Eigentümer des Zweitligisten Los Leones, in dessen Team er manchmal mitspielte.

Sebastian Marset gilt als einer der berüchtigtsten Drogenhändler Südamerikas.

© AFP/HANDOUT

Sein wahrer Name ist Sebastian Marset. Er ist klug, reich, gewalttätig, politisch gut vernetzt und gilt als der Drahtzieher des Mordes an dem paraguayischen Staatsanwalt Marcelo Pecci. Der wurde im Mai 2022 während seiner Flitterwochen auf der kolumbianischen Insel Baru von zwei Auftragskillern getötet, die mit einem Jetski flüchteten. Seither sind Interpol, Europol, die US-Antidrogenbehörde DEA und Staatsanwaltschaften aus vier südamerikanischen Ländern dem 32-Jährigen auf den Fersen.

22
Jahre alt war Sebastian Marset, als er zum ersten Mal wegen Drogenhandels festgenommen wurde.

Er soll mindestens 16 Tonnen Kokain nach Europa exportiert haben. Die Killer Peccis, die 340.000 US-Dollar für den Mord erhalten hatten, wurden inzwischen festgenommen, ebenso wie zwei kolumbianische Hintermänner, die den Mordplan ausgeheckt hatten. Doch Marset, der mutmaßliche Auftraggeber, entkommt immer wieder.

Er hat mehrere Pässe und stammt ursprünglich aus einem Land, das normalerweise nicht mit dem Drogengeschäft in Verbindung gebracht wird: Uruguay. Das kleine Land am Rio de la Plata ist eigentlich ein Musterknabe in einer sonst turbulenten Region: Es ist wirtschaftlich stabil, hat eine solide Demokratie und gilt als relativ sicher. Doch der Hafen von Montevideo hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Drogenumschlagplatz entwickelt. Und das hat mit Marset zu tun.

Er wurde mit 22 Jahren zum ersten Mal in Montevideo wegen Drogenhandels festgenommen. Damals ging es um eine Ladung Kokain, deren Spur zum Onkel des damaligen paraguayischen Präsidenten Horacio Cartes führte. Im Gefängnis knüpfte er dann internationale Kontakte. 

Fünf Jahre später kam er wieder frei, heiratete, wurde Vater von drei Kindern und arbeitete als Musikproduzent und Profifussballer. Doch diese Betätigungen waren lediglich Fassade. Im Geheimen baute er ein Drogenimperium auf, das Kokain aus Bolivien über Paraguay nach Uruguay schmuggelte, um es von dort per Container nach Europa und Afrika zu exportieren.

Im Anwesen von Marset in Bolivien wurden zahlreiche Waffen, Munition und Drogen sichergestellt.

© AFP/HANDOUT

Marsets kriminelles Imperium nannte sich Erstes Uruguayisches Kartell – und es florierte dank einer ganzen Reihe korrupter Funktionäre in den beteiligten Ländern.

Bis Pecci 2021 in Paraguay auf seine Spur kam und Haftbefehl erließ. Doch Marset kam einer erneuten Festnahme zuvor und tauchte unter. Im November 2021 wurde er in Dubai mit einem gefälschten paraguayischen Pass festgenommen.

Den dortigen Behörden erzählte er, man habe ihn bei der Passausstellung betrogen, und er sei auch Uruguayer. Einige Wochen später bekam er dann auch wirklich auf Betreiben der uruguayischen Konsulin einen Pass, der ihm von einem Angehörigen persönlich ausgehändigt wurde.

Später musste eine Staatssekretärin im Außenministerium zurücktreten, nachdem Chats bekannt wurden, aus denen hervorging, dass sie sehr wohl das Vorstrafenregister Marsets kannte.

Wir kriegen Marset.

Eduardo Del Castillo, Innenminister Bolivien

In Bolivien reiste er den Ermittlungsbehörden zufolge im September 2022 ein und etablierte sich in Santa Cruz als Geschäftsmann. Doch die Schlinge um ihn zog sich enger.

Im Mai war sein paraguayischer Geschäftspartner, Miguel Insfran, in Brasilien festgenommen und nach Paraguay ausgeliefert worden. Auch der paraguayische Abgeordnete Erico Galeano von der regierenden Colorado-Partei wurde inzwischen angeklagt. Er soll die Drogengelder der beiden gewaschen haben.

Der Polizei zufolge ist Marset nun in einem Geländewagen mit seiner Familie unterwegs nach Cochabamba. „Wir kriegen Marset“,, verkündete Boliviens Innenminister Eduardo Del Castillo. 

Sicher ist das allerdings nicht, denn auch in Bolivien hat Marset gut geschmierte Netzwerke. Über die ist bislang wenig bekannt. Doch das Terrain ist politisch vermint: Derzeit beschuldigen sich unterschiedliche Fraktionen der linken Regierung gegenseitig, ins Drogengeschäft involviert zu sein.

Anhänger des ehemaligen Präsidenten Evo Morales, der aus der Bewegung der Kokabauern im Tiefland von Cochabamba kommt, werfen Del Castillo vor, Drogenhändler zu schützen. Castillo habe beschlagnahmte Drogenflugzeuge wieder freigegeben, und inzwischen seien die illegalen Landepisten sogar nächtens beleuchtet, so die Anschuldigungen.  

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