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Begleitet von Zehntausenden Schaulustigen, schottischen Wachen und den Kindern der Queen, Charles (vorletzte Reihe, von links), Anne, Andrew und Edward, wird der Sarg der Königin durch Edinburghs Innenstadt geleitet. In der St. Giles Cathedral fand anschließend ein Gottesdienst statt.

© REUTERS / CARL RECINE

Schottischer Abschied: Ein Land zwischen Trauer und Unabhängigkeit

Zehntausende begleiten den Sarg der verstorbenen Queen durch Edinburgh. Das Königshaus betont die Verbindung mit Schottland – aus gutem Grund.

Eine Woche vor dem Staatsakt für die verstorbene Queen Elizabeth II. haben der neue König Charles III. und seine Familie am Montag die subtile Modernisierung der Monarchie vorangetrieben. Wie schon in London gab der 73-Jährige einer Reihe von Schaulustigen vor dem Königspalast von Edinburgh die Hand.

Später folgten sämtliche vier Kinder dem Sarg der Toten auf seiner Prozession durch die schottische Hauptstadt, wo Tausende von Trauernden die Royal Mile säumten. Nach einem Gedenkgottesdienst in der St. Giles-Kathedrale hatten vom Abend an und noch bis zum späten Dienstagnachmittag die Bürger die Gelegenheit, am Katafalk der toten Königin vorbeizupilgern; am heutigen Dienstag wird der Leichnam nach London überführt.

Dass die Monarchin am Donnerstag auf ihrer Sommerresidenz Schloss Balmoral verstorben war, gab der ohnehin an vorsichtigen Reformen interessierten Königsfamilie die Gelegenheit, die schottische Komponente der britischen Monarchie zu betonen. Die Kronen Englands und Schottlands sind seit 1603 in Personalunion vereint; eifersüchtig wachen die Schotten seither über die damals ausgehandelten Garantien ihrer kulturellen Autonomie, zumal im Zeitalter stärker werdender Unabhängigkeitsbestrebungen.

Trauerfeier in Schottland ist ungewöhnlich

Die öffentliche Prozession der Kinder, der Gedenkgottesdienst, die Gelegenheit zur persönlichen Verabschiedung von der Königin – dies sei „beispiellos“, erläuterte der schottische Historiker David Torrance auf Twitter. All diese Elemente öffentlicher Trauer waren bisher London und Windsor vorbehalten, wo Elizabeth II. am Montag ihre letzte Ruhe findet.

Unter den Befürwortern der Unabhängigkeit Schottlands findet sich eine kleine Gruppe von Republikanern, die dem neuen König lieber heute als morgen den Laufpass erteilen möchten. Hingegen hat die größte Nationalistenpartei SNP von Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon ausdrücklich die Fortführung der Monarchie vorgesehen für den Fall, dass das ersehnte Ziel in Erfüllung geht.

In der St. Giles Cathedral nahmen Angehörige, Weggefährten und Politiker aus Schottland Abschied von Queen Elizabeth II.

© dpa / Aaron Chown

Am Rande der öffentlichen Proklamation des neuen Königs nahm die Edinburgher Polizei am Sonntag eine junge Frau fest, die mit einem handgemalten Schild die Abschaffung der Monarchie forderte. Nach Feststellung der Personalien leitete die Behörde ein Strafverfahren wegen „Störung des öffentlichen Friedens“ ein.

Der royale Tag hatte in London mit einer Feierstunde im Parlament begonnen. Dazu versammelten sich die Mitglieder von Ober- und Unterhaus in der Westminster Hall, dem ältesten Teil des Parlamentspalastes. Die ersten Worte sprach auch hier ein Schotte, nämlich der Lord Speaker John McFall. Der 77-Jährige erinnerte an die „dauerhafte und beruhigende“ Präsenz der Queen, vor deren Sterblichkeit die Nation die Augen verschlossen habe. Nun gelte die Loyalität des Oberhauses dem König.

Mit Gottes Hilfe und Ihren Ratschlägen.

König Charles bei seiner Rede vor dem Parlament.

Ein königliches Lächeln erntete der Unterhaus-Speaker Lindsay Hoyle für seine hübsche Bemerkung, das Parlament habe 1988 an gleicher Stelle mit der Queen der sogenannten Glorious Revolution von 1688 gedacht, welche die konstitutionelle Monarchie auf der Insel begründete. Das sei doch wohl „sehr britisch, gemeinsam mit der Monarchin einer Revolution zu gedenken“.

Dass die beiden „demütigen Erklärungen“ live im Fernsehen gezeigt wurden, gehörte ebenfalls zu den erkennbaren Schritten, bestehende Traditionen zu pflegen, aber auch fürs 21. Jahrhundert weiterzuentwickeln.

König Charles und Königin Camilla erwiesen am Montagvormittag dem britischen Parlament in London die Ehre.

© REUTERS / John Sibley

Wie schon in seiner TV-Ansprache am Freitag verlieh der König erneut seiner Liebe zu William Shakespeare (1564-1616) Ausdruck, indem er ein Zitat des Nationaldichters in die kurze Rede einbaute. „Ein Muster aller Könige“ – was Shakespeare in „König Heinrich VIII.“ dem Erzbischof Cranmer als Prophezeiung für Königin Elizabeth I. in den Mund legt, sei seine Mutter tatsächlich gewesen, sagte Charles. Er fühle „das Gewicht der Geschichte“ und wolle dem Vorbild von Elizabeth II. nacheifern, „mit Gottes Hilfe und Ihren Ratschlägen“.

In London gab sich Prinz Harry in einer Würdigung der Verstorbenen sicher, die geliebte Granny sei nun „in Frieden mit Grandpa vereint“. Unterdessen hat Charles seinem Skandal-umwitterten Bruder die Höchststrafe aufgebrummt: Prinz Andrew muss sich fortan um die bekanntermaßen verwöhnten Corgis seiner toten Mutter kümmern.

An die weiterhin zu Zehntausenden zum Buckingham-Palast strömenden Briten wandte sich die zuständige Behörde Royal Parks mit der eindringlichen Bitte, auf das Mitbringen von Paddington Bears und der dazugehörenden Marmelade-Brote zu verzichten. Die Trauernden wollten damit wohl an den Sketch erinnern, mit dem Elizabeth II. im Juni zu den Platinjubiläumsfeiern beigetragen hatte.

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