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Ein Satellitenbild zeigt ein mit Getreide beladenes Schiff in Sewastopol, Krim, 12. Juni 2022.

© via REUTERS/Maxar Technologies

Auf dem Weg „in befreundete Staaten“: Schmuggelt Russland tonnenweise Getreide aus der Ukraine?

Russland steht im Verdacht, Getreide aus der Ukraine zu stehlen und weiter zu verkaufen. So könnte der Schmuggel ablaufen.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs steht der ukrainische Getreidehandel über die Häfen ab dem Schwarzen Meer still. Russland steht im Verdacht, tonnenweise Getreide aus der Ukraine zu stehlen und teilweise an andere Staaten weiter zu verkaufen. Etwa an den engen Partner Syrien, aber auch an das Nato-Mitgliedsland Türkei, wie eine Recherche der „Financial Times“ ergab.

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Als „Geste des guten Willens“ hat sich Russland nun von der ikonischen Schlangeninsel zurückgezogen – nach eigener Aussage, um der Ukraine zu ermöglichen, den Handel wieder aufzunehmen, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor , am Donnerstag. Dass von der Ankündigung nicht viel zu halten ist, verdeutlich eine weitere Nachricht vom selben Tag.

Aus der von russischen Truppen besetzten ukrainischen Hafenstadt Berdjansk lief am Donnerstag ein Schiff mit 7000 Tonnen Getreide an Bord aus, teilte die von Russland eingesetzte Verwaltung mit. Der Frachter sei auf dem Weg „in befreundete Staaten“.

Bereits Ende Mai berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass über Getreideexporte aus besetzten Gebieten nach Russland. Bisher gab es keine Beweise dafür, dass aus der Ukraine gestohlenes Getreide in andere Länder verschifft wurde. Die Erklärung aus Berdjansk dürfte Beweis genug sein.

Der Frachter, der von der Bildfläche verschwand

In ihrer Recherche verdächtigt die „Times“ mehrere Frachter des Getreideschmuggels mit Ausgangshafen auf der Krim und Zielhafen in Syrien oder der Türkei. Einer dieser Frachter, der auffällige Bewegungen zeigt, ist die Fedor. Innerhalb kürzester Zeit sei das Schiff im Hafen von Sewastopol auf der von Russland seit 2014 annektierten Krim und in der türkischen Hafenstadt, südlich von Istanbul gesichtet worden.

Fotos von ukrainischen Aktivisten und Satellitenfotos des Unternehmens „Planet Labs“ würden zeigen, wie der Frachter im Hafen von Sewastopol liegt und scheinbar mit Getreide beladen werde. Der türkische Abnehmer versicherte der „Financial Times“, dass in den Frachtdokumenten Russland als Ausgangsort der Lieferung stünde und nicht die Krim – also nicht unter Sanktionen falle.

Nach der Löschung ihrer Ladung in Bandırma ist die Fedor laut dem Schiffsortungsportal „Vesselfinder“ vergangenen Dienstag durch den Bosporus wieder ins Schwarze Meer eingelaufen. Wenig später verliert sich der Standort des Frachters. Als Zielhafen war der russische Hafen Port Kawkas auf der gegenüberliegenden Seite der Krim angegeben. Ob die Fedor diesen mittlerweile erreicht hat oder einen ganz anderen Hafen ansteuert, ist unklar.

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Das Frachter plötzlich nicht mehr geortet werden können, sei mehrfach beobachtet worden, schreibt die „Financial Times“. Durch das Abschalten des Transponders ist die Route von Schiffen nicht mehr nachzuvollziehen. Das Verhalten sei vor allem zu beobachten, wenn Schiffe den Hafen von Sewastopol auf der Krim ansteuern, berichtet die „Financial Times“. Ob diese Technik auch von der Fedor genutzt wurde, ist unklar.

Neben dem Ausschalten von Transpondern und gefälschten Dokumenten gebe es aber auch noch andere Möglichkeiten, um den wahren Ursprungsort von Schiffsladungen zu verschleiern, schreibt die „Financial Times“. Wenn ukrainisches Getreide mit russischem Getreide vermischt werde und aus einem Hafen in Russland verschifft werde, „ist es sehr schwierig, dies zu verfolgen“, sagte ein europäischer Beamter der Zeitung.

Herkunft von Getreide zu bestimmen ist „sehr schwierig“

Eine weitere Form der Verschleierung ist die Schiff-zu-Schiff-Verladung. Ein russischer Getreideexporteur sagte der „Financial Times“, dass ein bestimmter Ankerplatz vor dem Hafen von Port Kawkas seit mehreren Jahren ein beliebter Ort zum Waschen von Getreide sei.

Dafür werde Getreide von einem Schiff von der Krim nach Port Kawkas gebracht und auf See auf ein anderes Schiff verladen. Das andere Schiff kann dann als Ursprungsort den russischen Hafen angeben. Satellitenaufnahmen von „Planet Labs“ würden die Schiff-zu-Schiff-Verladungen in Port Kawkas bestätigen, schreibt die Zeitung.

Die Zeitung habe mehrere Schiffe identifiziert, die im Mai Getreide von der Krim in die Türkei geliefert hätten, heiß es weiter. Alle hätten Port Kawkas als Ursprungshafen angegeben. Ein türkischer Beamter erklärte der „Financial Times“, dass die Zollbeamten die „notwendigen Kontrollen durchgeführt“ und mitgeteilt hätten, dass der „erklärte Ursprung der Fracht Russland sei“.

Der Beamte habe aber hinzugefügt, dass „es technisch sehr schwierig ist, die geografische Herkunft von Getreide zu bestimmen“.

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Branchenkenner versicherten der „Financial Times“ jedoch, dass die türkischen Hafenbeamten sehr wohl von der Möglichkeit wüssten, dass das Getreide aus Port Kawkas möglicherweise aus annektierten Gebieten stamme. Laut „Financial Times“ sind alleine im Mai 43.000 Tonnen an Getreide, das ursprünglich auf der Krim verladen wurde, in die Türkei geliefert worden. Etwa 90.000 Tonnen sollen ihren Zielhafen in Syrien gehabt haben.
Die „Financial Times“ gibt zu Bedenken, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, dass das Getreide, das Russland mit Starthafen „Port Kawkas“ exportiert, tatsächlich aus der Ukraine stammt. Auffällig sei aber, dass die Exportmengen an russischen Häfen um ein Vielfaches höher liegen als üblich. (mit Agenturen)

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