zum Hauptinhalt
Plötzlich omnipräsent. Die Vermarktungs-Maschinerie ist angeworfen.

© Illustration: Peyo - 2011 - licensed through I.M.P.S. (Brussels) - www.schlumpf.com

Panorama: Schlumpfige Zeiten

Ein Comeback der Comicfiguren ist kaum zu bremsen – wenn sie bloß nicht wieder anfangen zu singen

Jede Generation hat ihre eigenen Erfahrungen mit den Schlümpfen gemacht: In den 1970ern sammelte man noch die kleinen Hartgummifiguren und war stolz, wenn man dazu noch eines der pilzartigen Häuser besaß, doch als Vader Abraham „Das Lied der Schlümpfe“ anstimmte und sich dieses 48 Wochen in den deutschen Charts hielt, wandte man sich mit Grausen von den einstigen Lieblingen ab. Dann folgte eine sehr erfolgreiche Zeichentrickfilmserie aus den USA, die die Bildschirme rauf und runter wiederholt wurde, doch als die Techno-Schlümpfe mit ihren Kirmes-Beats loslegten, da war die Grenze des Ertragbaren erreicht. Die Schlümpfe verschwanden aus dem Alltag, man kaufte lieber Tierfiguren für die Kinder und die Comics wurden in Deutschland nicht mehr verlegt. Es herrschte Ruhe und die Figuren wurden zu nostalgischen Kindheitserinnerungen.

Doch in einem kleinen Vorort von Brüssel wurde weiter am Erfolg gebastelt, jährlich wurde ein neuer Comicband veröffentlicht, die Schlümpfe waren in Mal- und Wimmelbüchern ebenso zu finden wie als Spielzeug oder in Babyschlumpf-Bilderbüchern für die ganz Kleinen. Einmal im Jahr feierte man einen Welt-Schlumpf-Tag und ganz nebenbei arbeitete man auch mit einem US-Animationsstudio an einem neuen abendfüllenden Kinofilm.

Im Süden von Brüssel liegt das Studio Peyo mit der Vermarktungsfirma I.M.P.S., die weiterhin sorgfältig das Schlumpf-Universum ausbauen. Federführend sind Thierry und Véronique Culliford, die sich um die Geschicke der Schlümpfe kümmern, seit ihr Vater verstarb. Das war der große Pierre Culliford (1928 bis 1992), besser bekannt unter seinem Kürzel Peyo, der Vater der „Schtroumpfs“, wie sie im Original heißen. Sie erblickten 1958 in einer Rittercomicserie das Licht der Welt. Mit ihrer charismatischen Farbe, der unverwechselbaren Physiognomie und dem putzigen uniformen Kleidungsstil wurden sie schnell populär, erhielten eine eigene Serie und wurden zum franko-belgischen Comic-Klassiker. Alles dreht sich um die blau-weiße Gemeinschaft, deren Mitglieder sich nur durch verschiedene Eigenschaften unterscheiden, während über allem der weißbärtige Papa Schlumpf wacht. Hinzu kommt diese eigentümliche Sprache, in der wahlweise Verben oder Substantive mit dem Wort „Schlumpf“ ersetzt werden. Die Konzeption ist so überzeugend schlicht, dass sich die Geschichten fast von selbst erzählten. Die Versuche des Hexers Gargamel nach Schlumpfhausen einzudringen, oder ein Zauberei, eine Wettermaschine, es sind komische und bisweilen etwas alberne Geschichten, genau richtig für Kinder. Doch die Schlümpfe wurden zum zeitlosen Klassiker, weil sie noch eine andere Lesart anbieten. Es sind auch Allegorien auf das menschliche Zusammenleben, Gier, Neid und Eifersucht stören die Gemeinschaft, dazu kommen wunderbare Geschichten, wie eine Fabel über den Missbrauch von Macht, die Auswirkungen einer einzelnen Frau auf ein Patriarchat oder den flämisch-wallonischen Sprachstreit, was sich in Schlumpfhausen in der Frage äußert, ob es nun „Schraubenschlumpf“ oder „Schlumpfzieher“ heißt. Das ist auch für Erwachsene ganz und gar köstlich zu lesen und zu genießen.

Nun sind die Schlümpfe zurück auf dem Buchmarkt. Toonfish, ein Imprint des Splitter-Verlags, sorgt dafür, dass rund 30 Originalbände in großformatigen Hardcover-Alben wieder aufgelegt werden. Zudem erscheinen auch die frühen Abenteuer in einer Gesamtausgabe der Reihe „Johann und Pfiffikus“ und auch die Gagstrips, die für Zeitungen entstanden, werden erstmals unter dem Titel „Schlumpfereien“ veröffentlicht. Das ist in seiner Fülle ein gediegenes Rundum-Paket.

Doch Peyo war nicht nur ein guter Geschichtenerzähler, sondern auch ein guter Geschäftsmann und wusste um den Wert seiner Figuren. So baute er das Lizenzgeschäft sukzessive aus, bis er kaum noch zum Zeichnen kam. Die Schlümpfe hatten ein Eigenleben entwickelt und waren zu einer eigenen Marke geworden. Diese Marke hat heutzutage einen Bekanntheitsgrad von außerordentlichen 95 Prozent, das hätte wohl selbst Peyo überrascht, der zunehmend unter dem Spagat der Vermarktung und dem Zeichnen litt. Mittlerweile sind die Comics nur noch ein Geschäftszweig unter vielen. Parallel zum Filmstart von „Die Schlümpfe in 3D“ am 4. August wird die riesige Merchandise-Maschinerie wieder in Gang gebracht, dann werden die Gesichter plötzlich omnipräsent sein und die Schlümpfe werden als Weingummi, Bettwäsche oder bei Fast-Food-Ketten zu finden sein.

Ob es ein langfristiger Erfolg sein wird, hängt auch vom Film ab, in dem sich, im Gegensatz zu früheren Zeichentrick-Verfilmungen, nicht nur die Technik zu modernen computeranimierten 3D-Effekten verändert hat. Auch die Geschichte ist modernisiert, erstmals treffen die Schlümpfe auf Menschen von heute, zufällig natürlich in New York, wohin sie auf der Flucht vor Gargamel geraten und dort wird Neil Patrick Harris („How I met your mother“) mit den skurrilen Eigenheiten der Schlümpfe konfrontiert. Man verspricht schlumpfige Unterhaltung für die ganze Familie, das wird sicherlich den Bekanntheitsgrad wieder etwas steigern. Ein jüngst erschienenes Buch eines französischen Soziologen, das den Schlümpfen Rassismus und Chauvinismus unterstellt, wird allenfalls verwundert zur Kenntnis genommen, aber die naiv-harmlosen Figuren werden kaum darunter leiden. Dafür sind die Schlümpfe schon zu tief im kollektiven Bewusstsein angelangt, sie sind ohne Frage globale Ikonen. Damit das so bleibt, werden weiterhin von Belgien aus die Fäden gesponnen, Comics gezeichnet und Lizenzen verkauft. So können sie also wieder die Herzen der Kinder und Junggebliebenen erobern, nur eines sollten sie aber partout nicht mehr tun: wieder anfangen zu singen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false