zum Hauptinhalt
Die Yanomami sind sowohl vom Coronavirus als auch von Schatzsuchern bedroht.

© imago images/Agencia EFE

Schatzsucher in Brasilien: Die schmutzige Spur des Goldes

Rund 25.000 illegale Schatzsucher bedrohen die Existenz des indigenen Volks der Yanomami in Brasilien. Präsident Jair Bolsonaro ermutigt die Kriminellen sogar.

Das Mädchen liegt zusammengekauert und nackt in einer Hängematte. Es ist so abgemagert, dass seine Rippen zu erkennen sind. Neben ihm ist eine Feuerstelle auf der blanken Erde. Das Foto wurde in dem abgelegenen Indigenen-Dorf Maimasi im brasilianischen Bundesstaat Roraima aufgenommen. Acht Jahre alt soll das Mädchen alt sein und statt der in dem Alter normalen 20 Kilo lediglich 12,5 Kilogramm wiegen.

Das Bild ist zum Symbol für die Leiden der Yanomami geworden, einem indigenen Volk, dessen rund 27.000 Angehörige im Amazonaswald im Nordosten Brasiliens zuhause sind. Sie leben in dem Reservat Terra Yanomami, dessen Fläche der Portugals entspricht.

Das mag viel erscheinen, doch die Yanomami sind in ihrer Existenz bedroht. Zum einen wegen Krankheiten: Die Regierung von Präsident Jair Bolsonaro hat die gesundheitliche Versorgung der Indigenen in der Pandemie zurückgefahren. Personal wurde reduziert, Gesundheitsposten wurden geschlossen und abgelegene Dörfer wie Maimasi nicht mehr versorgt. Das Leben des kleinen Mädchens, das unter Malaria, Pneumonie und Parasitenbefall litt, konnte nur gerettet werden, weil es einige Tage nachdem das Foto von ihm in den sozialen Netzwerken geteilt worden war, per Flugzeug in ein Hospital gebracht wurde.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die zweite Bedrohung ist mindestens ebenso groß. Illegale Goldgräber haben zur Attacke auf Terra Yanomami geblasen. Die Bolsonaro-Regierung schaut dabei untätig zu und ermutigt die Eindringlinge sogar. Goldgräber, Holzfäller, Viehzüchter und Landtitelfälscher gehören zu den treuesten Wählern Bolsonaros. Die Situation gleicht der im Wilden Westen, und es soll in den vergangenen Tagen bereits Tote auf beiden Seiten gegeben haben.

Allerdings sind solche Angaben aus den entlegenen Ecken Amazoniens schwer zu verifizieren. Fest steht, dass vor etwas mehr als einer Woche bewaffnete Goldgräber mit Motorbooten über den Fluss Uraricoera kamen und auf das Yanomami-Dorf Paliminú schossen. Handyvideos der Indigenen zeigen die Attacke. Dabei wurde offenbar ein Yanomami von einem Streifschuss verletzt. Die Yanomami gaben anschließend an, drei Eindringlinge getötet zu haben. Sie besitzen Flinten zur Jagd auf Wildtiere im Wald und sind gute Schützen.

Nach der Konfrontation landete Brasiliens Bundespolizei in Paliminú. Die Behörde erlebt derzeit eine Zerreißprobe, weil einige führende Beamte die Gesetze auch gegen die Interessen der Bolsonaro-Regierung durchzusetzen versuchen, während andere auf Regierungslinie agieren und die Attacken auf die Indigenen und die Umwelt tolerieren. Als die Bundespolizisten in Paliminú eintrafen, wurden jedenfalls auch sie von den Goldgräbern angegriffen, die zurückgekommen waren.

Sie hatten offenbar Rache an den Indigenen geschworen. Es entbrannte ein mehrminütiges Feuergefecht, das ebenfalls per Handyvideo festgehalten wurde. Der Angriff auf die Beamten weckte bei vielen Beobachtern den Verdacht, dass dahinter nicht einfache Goldgräber stünden, sondern die Mafiaorganisation PCC aus São Paulo. Offenbar will sie im lukrativen Goldgeschäft mitmischen und investiert in Amazonien. Letztlich liegt das am hohen Goldpreis.

Die Zahl der Goldsucher wird auf 25.000 geschätzt

Nachdem die Polizisten aus Paliminú abgezogen waren, kehrten die Kriminellen nachts mit 15 Booten wieder und beschossen das Dorf mit Trängengas, so die Angaben der Yanomami. Die Indigenen flüchteten in den Dschungel. Dabei sollen zwei Kinder verlorengegangen sein, die laut dem Yanomami-Verband Hutukara ertrunken aufgefunden wurden. Seit dem ersten Angriff am 10. Mai habe es jeden Tag Attacken gegeben, so Hutukara.

Die Zahl der Goldsucher, die in das Yanomami-Reservat eingedrungen sind, wird auf mittlerweile 25.000 geschätzt. Die größten ihrer Camps haben eine Infrastruktur mit Läden, Bars, Bordellen, Internetcafés und Arztpraxen, in denen Gold als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Mindestens 14 illegale Landepisten soll es laut der Seite „Observatório da Mineração“ heute im Reservat geben.

Viele Goldgräber sind Männer ohne Perspektiven aus dem armen Nordosten Brasiliens, die in den Amazonas kommen und hier von Investoren für Hungerlöhne angestellt werden. Um eine Grabung zu finanzieren, braucht es Bagger, Pumpen, Benzin, Boote, Landepisten und vieles mehr. Die Hintermänner sind meist nicht vor Ort, sondern leben in der Stadt. Dass nun auch die finanzstarke und gut bewaffnete Mafia PCC in dem lukrativen Geschäft mitmischen soll, ist für viele Beobachter eine alarmierende Nachricht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Eine weitere Folge der Suche nach Gold ist die Vergiftung des Amazonasbeckens mit Quecksilber. Das Schwermetall, das zu gravierenden Gesundheitsschäden führen kann, ist mittlerweile in den Körpern von Indigenen in den entferntesten Siedlungen nachgewiesen worden.

Sie nehmen es mit Fischen auf, die sie essen. Schon seit Monaten verlangen die Yanomami von Brasiliens Regierung, dass sie die illegalen Goldgräber aus ihrem Reservat entfernt. So sieht es eigentlich die Verfassung Brasiliens vor, die die Reservate streng schützt. Doch weder Präsident Bolsonaro noch die Indio-Behörde Funai oder Umweltminister Ricardo Salles reagieren.

Bolsonaro hat die Indigenen als „Zootiere“ bezeichnet und gegen Salles wird pikanterweise gerade ermittelt, weil er mit Brasiliens Holzmafia kooperieren soll. Es gehörte zu den wichtigsten Wahlversprechen Bolsonaros, Brasiliens Reservate für die wirtschaftliche Ausbeutung zu öffnen.

In Erwartung einer Gesetzesänderung haben Minenfirmen bereits auf 40 Prozent der Terra Yanomami Grabungslizenzen beantragt. Sollte die Regierung ihren Wunsch erfüllen, wäre es das Ende von Brasiliens größtem Indigenen-Schutzgebiet und

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false