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James Wood war tagelang auf der Suche nach den seltenen Kieferarten Tasmaniens.

© Justin Dyer

Samen sammeln in Tasmanien: Rettung für die Bleistiftkiefern

In der Wildnis Tasmaniens sucht Biologe James Wood nach speziellen Kiefern und ihrem Samen. Er sichert damit das Überleben der Nadelbäume.

Jeder Tag zählt. Während die Pandemie auch Australien lahmlegt, Büromitarbeiter ihre Laptops auf dem Esstisch aufbauen, Restaurants ihre Türen schließen und die Supermärkte eilig Abstandspunkte auf den Boden kleben, ist James Wood auf der Suche nach einem Baum.

Es eilt, denn die Bleistiftkiefern, die so symbolhaft für die Landschaft im Cradle Mountain-Lake St Clair National Park Tasmaniens sind, produzieren nur selten Samen. Das letzte Mal im Jahr 2015. Und nun inmitten der globalen Pandemie.

Die Samen der teils mehr als tausend Jahre alten Bäume sind für Botaniker ein wahrer Schatz – zumindest aber eine Versicherung für das Überleben der markanten Nadelbäume. „Die Kiefern leiden sehr unter dem Klimawandel“, erklärt James Wood, Botaniker und Leiter des Tasmanian Seed Conservation Centre des Botanischen Gartens in Hobart. Die Bäume vertragen nicht nur das plötzlich trockenere und wärmere Klima nicht gut, sie können auch – anders als die typischen australischen Grasbäume oder Eukalypten – nicht mit Feuer umgehen. „Feuer zerstört die Bäume völlig, sie wachsen nach einem Waldbrand nicht nach“, sagt Wood.

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Die Samen der Kiefern zu sammeln und somit ihr Überleben sowie die genetische Vielfalt der Flora Tasmaniens zu gewährleisten, ist deswegen eine wichtige Aufgabe, die der Klimawandel noch dringlicher gemacht hat. Denn ein wärmeres Klima könnte die Bäume in manchen Regionen sogar aussterben lassen. Sie anderswo anpflanzen zu können, würde auf lange Sicht ihr Überleben sichern können.

„Samenbanken gibt es erst seit 40 oder 50 Jahren“, sagte Wood. Deswegen sei es schwierig vorherzusehen, wie lange sich bestimmte Samen halten würden. Aber diese „Familie“ könne man generell gut aufbewahren. „Hoffentlich sogar mehrere hundert Jahre“, beschreibt der Forscher seine optimistische Erwartung.

Die Chance auf eine Samenentnahme durfte nicht verloren gehen

Auf Tasmanien wachsen zehn verschiedene Nadelbaumarten, sieben kommen dabei nur auf der „grünen“ Insel Australiens vor. Vor allem King Billy-Kiefern und Bleistiftkiefern, nach denen James Wood sucht, können mehr als tausend Jahre alt werden. Da die Bäume nur sehr selten Samen produzieren und dieses Ereignis zudem nur sporadisch vorkommt, durfte die Chance auf eine Samenentnahme in diesem Jahr nicht verloren gehen. „Eigentlich hatten wir eine große Aktion geplant mit einem Baumkletterer und einem Helikopter“, erläutert Wood die ursprünglichen Vorbereitungen. Doch die Pandemie zerstörte die Pläne. Letztendlich war Wood froh, dass er alleine mit einem Begleiter in den ansonsten geschlossenen Nationalpark durfte.

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Im Cradle Mountain-Lake St Clair National Park auf Tasmanien haben Gletscher mehr als zwei Millionen Jahre die Landschaft geformt, bis der letzte vor rund 10000 Jahren geschmolzen ist. In dieser Wildnis sind auch zu normalen Zeiten nur wenig Menschen unterwegs. Maximal 60 Wanderer pro Tag dürfen den Park über den 65 Kilometer langen Overland Track erwandern. „Während der Pandemie waren wir plötzlich die einzigen, da der Park geschlossen war“, sagt Wood.

Die einsamen Tage in der Wildnis wurden für den Forscher, der nur einen Bergführer dabei hatte, zu einem „magischen“ Erlebnis. „Plötzlich hatten wir den gesamten Ort für uns allein“, sagte Wood. „Es war so wunderbar ruhig zwischen den Bäumen – keine Menschenseele, kein Windhauch, der uns störte.“

Zusammengenommen sammelte der Botaniker bei seinen Wanderungen zwei Handvoll an Zapfen von unterschiedlichen Baumbeständen, um eine genetische Vielfalt zu gewährleisten. Rund 8000 Samen trocknen inzwischen in der tasmanischen Samenbank – ein Geschenk inmitten der Pandemie, das das Überleben der ikonischen Bäume für die Zukunft sichert.

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