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Voll. Schon seit Jahren gibt es Versuche, Autofahren in Paris unattraktiver zu machen.

© Fredrik von Erichsen/dpa

Pläne von Bürgermeisterin Hidalgo: Auch Paris erwägt kostenlosen Nahverkehr

Frankreichs Hauptstadt leidet unter Autosmog. Bürgermeisterin Hildalgo erwägt nun kostenlosen Nahverkehr, doch längst nicht alle finden das gut.

Paris war immer eine Autostadt. Die Straßen eng und verstopft, auf dem Boulevard Périphérique, der Ringstraße, stauen sich die Autos, genauso wie im Zentrum. Doch seit einiger Zeit weht ein frischer Wind in der französischen Hauptstadt, nachdem in den vergangenen Jahren die Luftverschmutzung zugenommen hat.

Die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, seit April 2014 im Amt, hat nun vorgeschlagen, aus Umweltschutzgründen solle der öffentliche Nahverkehr kostenlos werden. Sie ist der Ansicht, dass dadurch die Zahl der Autos auf der Straße gesenkt werden könnte und kündigte dazu eine Machbarkeitsstudie an. Damit lässt sie sich durch andere Weltstädte inspirieren, die ebenfalls darüber diskutierten, unter anderem Berlin: „Wir müssen das Gebührensystem überdenken“,sagt Hidalgo.

Allerdings gibt es mehrere Probleme bei ihrem Vorschlag. Schon jetzt sind die Pariser Metros mehr als ausgelastet, zur Hauptverkehrszeit fährt auf den wichtigen Strecken alle zwei Minuten ein Zug und alle Wagen sind brechend voll. Dazu kommt die Frage, ob der kostenlose Verkehr auch auf die RER-Bahnen ausgeweitet wird, die in die Vorstädte fahren.

Viele Menschen aus den Vorstädten kommen mit dem Auto

Denn vor allem die Vorstädter benutzen ihr Auto, um nach Paris zu fahren. „Jeder zweite Haushalt in Paris hat kein Auto. Und die Pariser benutzen ihr Auto vor allem, um aus Paris herauszufahren“, betont der Ökonom Yves Crochet, der auf das Transportwesen spezialisiert ist. Das wirft das Problem der Finanzierung auf. Denn würden auch die RER-Bahnen kostenlos, müsste sich nicht nur Paris, sondern auch die Region beteiligen.

Anne Hidalgo ist seit vier Jahren Bürgermeisterin von Paris.
Anne Hidalgo ist seit vier Jahren Bürgermeisterin von Paris.

© Charles Platiau/Reuters

Kritik an Hidalgos Vorschlag kam sofort von der Chefin der Region Ile-de-France um Paris. Die konservative Politikerin Valérie Pécresse, die unter Ex- Präsident Nicolas Sarkozy Hochschulministerin war, will lieber den Verkehr modernisieren, als ihn kostenlos zu machen. „Wir brauchen das Geld“, sagt sie. Der Fahrkartenverkauf bringt in Paris und Umgebung jährlich 3,6 Milliarden Euro ein.

Hintergrund des Kampfes der Politikerinnen ist allerdings nicht nur Umweltschutz. Es ist nicht auszuschließen, dass Pécresse bei den Bürgermeisterwahlen im Jahr 2020 gegen Hidalgo antreten könnte. Deshalb bringen sich die beiden schon seit längerem in Stellung.

Die französische Hauptstadt ist derzeit eine einzige Baustelle

Was Pécresse anführt, eine Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs um Paris, ist schon im Gange. Die französische Hauptstadt ist derzeit eine einzige Baustelle. Riesige Kräne ragen in die Luft, gigantische Löcher werden gegraben. Gearbeitet wird am Projekt Grand Paris Express: 200 Kilometer neue U-Bahnen, die die Vorstädte mit Paris verbinden.

Ins Leben gerufen wurde diese Ausweitung der Stadt schon im Jahr 2008 von Sarkozy. Der Grund: Das kleine Paris mit seinen nur 2,2 Millionen Einwohnern hinkt anderen Großstädten hinterher. London kommt auf 3,21 Millionen Einwohner, Berlin auf 3,67 Millionen (Ende 2016), im Grand Paris werden es sieben Millionen sein, im Großraum London sind es 8,67 Millionen. Das Greater London entstand allerdings schon 1965.

Auf den 200 Kilometern sollen 68 neue Stationen entstehen, die Bauarbeiten haben schon 2015 begonnen, das bestehende Netz wird dabei verdoppelt. Geplant sind vier neue Linien, sowie Verlängerungen einiger schon bestehender Metrolinien. Ziel ist es, die Flughäfen besser an die verschiedenen Knotenpunkte der Stadt anzubinden und einen Ring um die Stadt zu schaffen. Denn bisher kam man von einem Ort in der Vorstadt zur nächsten Vorstadt nur mit Bussen oder dem Auto fahren. Wirtschaftliches Ziel des Projektes ist es, Nachfrage und Angebot von Arbeitskräften näher zusammen zu bringen.

Ursprünglich sollte das neue große Paris pünktlich zu den Olympischen Sommerspielen im Jahr 2024 fertig sein. Doch die Kosten sind immens gestiegen, geplant waren 19 Milliarden Euro, derzeit wird schon mit 35 Milliarden Euro gerechnet, weshalb sich einige Projekte bis 2030 verzögern könnten. Denn Frankreich muss sparen, um die europäischen Defizitrichtlinien zu erfüllen.

Schon länger wird versucht, Autofahren unattraktiver zu machen

Verbunden mit dem Verkehrsnetz ist auch der Bau von neuen Wohnungen. 70.000 im Jahr sind geplant, was den teuren Immobilienmarkt in Paris entspannen soll. Damit werden in Zukunft allerdings noch mehr Vorstädter nach Paris fahren. Paris verdreifacht damit die Zahl der Personen, die von der Stadt profitieren können. Mit den neuen öffentlichen Verkehrsmitteln wird man in kürzester Zeit in die Stadt fahren können, etwa vom Flughafen Orly zum Stadtzentrum Chatelet in 20 Minuten. Diese Rekordzeit soll die Vorstädter davon abhalten, mit dem Auto nach Paris zu fahren.

Um das Autofahren in Paris weniger attraktiv zu machen, hat Bürgermeisterin Hidalgo schon seit einigen Jahren zahlreiche Maßnahmen ergriffen. So wurden die Straßen an der Seine gesperrt, was allerdings dazu führt, das es auf den anderen Straßen ständig mehr und längere Staus gibt.

Hidalgo will auch mehr Platz für Radfahrer

Studien ergaben, dass die Luftverschmutzung noch nicht wesentlich nachgelassen hat. Von ihren konservativen Gegnern wird Hidalgo deshalb immer wieder kritisiert. Sie ist auch für eine Innenstadt-Maut an den Toren von Paris, um den Verkehr zu reduzieren und hat Mitarbeiter beauftragt, Erfahrungen damit in anderen Städten wie in London zu untersuchen. Die Maut könnte das kostenlose U-Bahn-Fahren finanzieren. Diese Maßnahme empfiehlt auch Ökonom Crozet.

Anne Hidalgo will zudem ab dem Jahr 2030 Benzinautos in der französischen Hauptstadt verbieten. Schon vor einiger Zeit hatte die Stadt entschieden, Dieselautos schon zum Jahr 2024 aus der Stadt zu verbannen – pünktlich zu den Olympischen Sommerspielen.Gleichzeitig will sie den Fahrradfahrern mehr Platz einräumen. Dafür sorgen zahlreiche Fahrradwege die gebaut wurden und damit den Platz auf den Straßen für die Autos einengten. Das Leihfahrrad-Angebot wurde ausgebaut, zudem gibt es immer mehr Leih-Elektroautos in der Stadt. Das Umdenken hat begonnen, doch den größten Effekt verspricht sich Paris vom Projekt Grand-Paris.

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