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Ein Helikopter bringt neuen Sprengstoff zur Unfallstelle.

© Jorge Guerrero/AFP

Unglück in Spanien: Mit Sprengstoff und Spitzhacke

In Spanien sind die Bergleute kurz vor der Stelle, an der der zweijährige Julen vermutet wird.

Ein Hubschrauber der Guardia Civil schwebt über dem 352 Meter hohen Hügel Cerro de la Corona nahe der südspanischen Ortschaft Totalán. An Bord hat der Helikopter explosive Ladung. Er schafft neuen Sprengstoff aus dem 160 Kilometer entfernten Sevilla heran, um den Fels zu sprengen – ein letztes Mittel, um endlich den zweijährigen Julen zu erreichen. Der Junge steckt seit zwölf Tagen in 70 Meter Tiefe in einem engen Bohrloch fest. Nur noch die allergrößten Optimisten hoffen, dass das asthmakranke Kind vielleicht noch lebt.

Jorge Martín ist Chef der örtlichen Guardia Civil, der paramilitärischen Polizeieinheit des Landes, die den Einsatz zwar nicht logistisch, aber disziplinarisch leitet. Denn sollte Julen tot geborgen werden, müssen die Ermittler zunächst einmal ein Verbrechen ausschließen. Eine Obduktion müsste die Todesursache klären. Offiziell aber verbreiten die Verantwortlichen einen letzten Funken Hoffnung, dass glückliche Umstände das Leben des Kindes retten könnten.

Doch dieser Berg erweist sich seit fast zwei Wochen als zäher Widersacher aller Rettungspläne. „Wir bestimmen nicht den Arbeitsrhythmus, der Berg bestimmt ihn“, sagt Martín. Der Querstreb, den acht Bergleute vom Rettungsschacht hinüber zu der Stelle buddeln wollen, an der Julen vermutet wird, ist zu diesem Zeitpunkt erst anderthalb Meter tief. Das Gestein stemmt sich gnadenlos gegen einen schnelleren Vormarsch.

Die Retter gehen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit

Die Männer gehen dort unten an die Grenzen ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit. Immer zu zweit sind sie im Schacht. Ihre Bewegungsfreiheit in der stählernen Auskleidung ist massiv eingeschränkt. Nach 30 bis 40 Minuten werden sie abgelöst. Aus Kreisen der Familie des Jungen heißt es, die Spezialisten hätten angeboten, dass sie auch ohne Auskleidung in die Tiefe gegangen wären. Die Einsatzleitung hatte den Vorschlag aber abgelehnt, dass die Männer in ein ungesichertes Bohrloch steigen.

Am Freitag zündeten Experten der Guardia Civil im Schacht die dritte Ladung Sprengstoff. Das Prozedere kostet zermürbend viel Zeit, mehr als zwei Stunden vergehen dabei. Juan López Escobar ist Bergbaufachmann vom Ingenieurskolleg in Málaga. Gibt es keine andere Möglichkeit als zu sprengen? „Das Bohren würde noch länger dauern“, sagt Escobar. Immerhin gibt es gute Nachrichten. Die dritte Sprengung hat einen Meter mehr Raum geschaffen. Jetzt sollen es nur noch 150 Zentimeter sein, die zum Schacht fehlen. Auf weitere Detonationen müsse man deshalb verzichten. Jetzt sind wieder die Bergleute gefragt, die sich mit Spitzhacken und kleinen Presslufthämmern den Weg bahnen müssen. Escobar appelliert noch einmal an die Journalisten vor Ort. „Diese Bergleute sind absolute Spezialisten, in dem, was sie da unten tun. Aber sie sind keine Helden.“

Marcel Grzanna

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