zum Hauptinhalt
Eine Million Chilener sind an der Küste evakuiert worden - das hat vielen von ihnen das Leben gerettet.

© Mario Ruiz/dpa

Erdbeben in Chile: Mit dem Schrecken davongekommen

Ein neues Frühwarnsystem hat bei dem starken Erdbeben in Chile eine schnelle Reaktion der Behörden ermöglicht. Doch mindestens elf Menschen starben.

Erst das Tageslicht am nächsten Morgen zeigte das ganze Ausmaß der Katastrophe: Das Erdbeben mit der Magnitude (Stärke) 8,4 hatte Chile einen mächtigen Schrecken eingejagt, ebenso wie die 100 Nachbeben, die seitdem die Andenregion erschüttert haben. Acht Tote, zahlreiche eingestürzte Gebäude und in der Region Coquimbo ein Bild der Verwüstung – doch es hätte viel schlimmer kommen können. Dass es nicht dazu kam, ist vor allem der Erdbebenerfahrung des Landes und seiner Einwohner zu verdanken. Wie ein Uhrwerk funktionierte der Katastrophenschutz in den Abendstunden, als der mächtige Erdstoß vor der chilenischen Küste sogar die Häuser in der Hauptstadt Santiago gefährlich ins Wanken brachte und die Menschen schreiend auf die Straße liefen.

Internet und Radio - überall wird gewarnt

Nur wenige Minuten nach dem Erdstoß war in der Online-Ausgabe der Tageszeitung „La Tercera“ auf die Minute genau die Uhrzeit für das Eintreffen der zu erwartenden Tsunami-Wellen aufgelistet: Valparaiso: 20.21 Uhr, Coquimbo 20.24 Uhr. Radiostationen unterbrachen ihr Programm und informierten ihre Hörer über den aktuellen Stand . Zwar fiel in einigen Regionen der Strom aus, doch die Mobilgeräte funktionierten und so brachten sich die Menschen über ihre Smartphones auf den neuesten Stand.

Dass das Erdbeben mit dem Epizentrum in der Provinz Choapa, 270 Kilometer nördlich der Hauptstadt, nicht mitten in der Nacht, sondern in den Abendstunden kam, erleichterte den Helfern das Prozedere. Insgesamt sollen eine Million Menschen so innerhalb kurzer Zeit in Sicherheit gebracht worden sein, berichteten lokale Medien.

Hohe Flutwellen setzten nach dem Beben einige Küstenstädte unter Wasser.

© Claudio Reyes/AFP

Wie wichtig das war, zeigte sich nur Minuten später in der Küstenstadt Coquimbo, die nach Angaben der chilenischen Marine von bis zu 4,5 Meter hohen Flutwellen getroffen wurde. „Mehrere Wohnviertel wurden überflutet“, berichtete Bürgermeister Cristian Galleguillos geschockt. „Der Ozean hat die Innenstadt von Coquimbo erreicht.“ Weil aber die Menschen rechtzeitig in Sicherheit gebracht wurden, konnte eine größere Katastrophe vermieden werden.

Deutsche halfen bei neuen Messstationen mit

Auch die sozialen Netzwerke halfen mit. Facebook schaltete eine Erdbeben-Seite frei: Wer in Sicherheit ist, klickt sich in die Gruppe ein und schon wurden alle digitalen Freunde informiert. So wussten schon wenige Minuten nach dem Beben die Menschen, wie es ihren Freunden und Familienangehörigen in den betroffenen Regionen erging.

2010 war es etwas weiter südlich vor Concepcion, der zweitgrößten Stadt Chiles, zu einem Erdbeben gekommen. Mit einer Magnitude von 8,8 gehörte es zu den fünf stärksten Erdbeben seit Beginn der seismologischen Aufzeichnungen. Mehr als 500 Menschen kamen ums Leben. Chile baute daraufhin ein landesweites Netz von Messstationen auf, das nahezu die gesamte Küste mit einer Länge von 4000 Kilometern abdeckt. Pate stand das in gemeinsamer Arbeit mit dem Deutschen Geoforschungszentrum und französischen Partnern aufgebaute Erdbebenobservatorium „IPOC“ in Nordchile.

In Chile sind Erdbeben nicht ungewöhnlich und das Land hat sich in vielen Teilen auch bei der Bauweise darauf eingestellt. „Das Problem der Provinz Choapa, die das Epizentrum bildet, ist der hohe Anteil von aus Lehmziegeln gebauten Häusern, die erfahrungsgemäß wenig widerstandsfähig sind“, berichtete Jürgen Schübelin von der Kindernothilfe dem Tagesspiegel. Er kennt das Land seit langen Jahren und steht bereits seit der Nacht mit Menschen in Santiago in Kontakt. In der Bebenregion liegen einige der ärmsten Kommunen des Landes. Offenbar um zu verhindern, dass sich wieder zehntausende Menschen auf den Weg machen, um nach Verwandten in der Bebenregion zu suchen, wie dies 2010 der Fall war, versuche die Regierung offenbar, den gesamten Autoverkehr zwischen Santiago und dem Norden zu stoppen, berichtet Schübelin.

Viele Beben im Feuerring

Ursache des Bebens ist die Begegnung zweier tektonischer Platten, der Nazca- und der Südamerikanischen Platte. Die Nazca-Platte schiebt sich ostwärts mit einer Geschwindigkeit von 68 Millimeter pro Jahr unter den südamerikanischen Kontinent. Bei diesem Prozess verhaken sich die beiden Platten. Die dabei aufgebaute Spannung entlädt sich schlagartig, und es kommt zu einem Erdbeben.

Vor wenigen Tagen war es bereits im Golf von Kalifornien zu einer Serie von Beben gekommen. „Das steht jedoch mit dem jetzigen Erdbeben in Chile nicht in Zusammenhang“, sagt Franz Ossing, Sprecher des Deutschen Geoforschungszentrums. In Kalifornien war der Auslöser die Reibung zwischen Pazifischer und Nordamerikanischer Platte. Sie „rutschen“ aneinander vorbei und verhaken sich dabei. Die Plattengrenzen Süd- und Nordamerikas sind Teil des „pazifischen Feuerrings“. Damit wird die 40.000 Kilometer lange Küstenlinie rund um den Pazifik bezeichnet, an dem die Erdkrustenverschiebungen Beben hervorrufen und Vulkane wachsen lassen. Auch das große japanische Beben von 2011 ereignete sich am „Feuerring“.

Die tektonischen Platten im Pazifik

© Anna Schmidt/Tsp

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false