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Mein Garten Eden: Das Sexleben des Regenwurm

Das meist verfolgteste Tier der Welt ist der Regenwurm. Und einer der wichtigsten für den Garten. Nur lernt man in der Schule nie über sein Sexualleben.

Man kann ihn essen, im äußersten Notfall. Der bekannte Überlebensstratege Rüdiger Nehberg behauptet sogar, dass er gar nicht so schlecht schmeckt. Jedenfalls liefert er Eiweiß. Sein länglicher Körper besteht aus ringförmigen Muskeln und Haut, er hat kein Gehirn, keine Augen und keine Ohren. Aber am vorderen Ende einen Mund, mit dem er Erde frisst. Die ist durchsetzt mit kleinen Würzelchen und den Resten winziger Tierkadaver. Am hinteren Ende scheidet er die Erde wieder aus, gereinigt von den gröberen Inhaltsstoffen – eine feine, krümelige Erde, deren Häufchen wir manchmal am Boden sehen können.

Der Regenwurm ist eine Art Kompostieranlage, überaus nützlich für die Bodenkrume. Er arbeitet unterirdisch, lockert, lüftet, bestellt im wahrsten Sinn des Wortes unseren Garten. Auf einem Gebiet von 0,405 Hektar befördert er mehr als zehn Tonnen trockener Erde durch seinen Körper. Ist mal ausgerechnet worden. Er gehört zur Spezies Ringelwürmer, Unterabteilung Borstenwürmer. Wenn man ihn in der Hand hält, beschreibt der Tierforscher Alfred Brehm, kann man die Borsten spüren. Aber wer nimmt schon einen Regenwurm in die Hand? Die Menschen mögen ihn nicht, sie ekeln sich, wenn sie nach einem Regenguss einen verirrten Wurm in einer Pfütze sehen. Brehm betrachtet ihn voller Sympathie. Er hält ihn für eines der meist verfolgten Tiere der Welt. Denn der Wurm ist ein besonderer Schmaus für Amseln, Maulwürfe, Spitzmäuse, Igel, Kröten. Der Spaziergänger tritt gern und brutal auf ihn drauf.

Klimaveränderung bedroht den Regenwurm

Dabei haben Regenwürmer sensible Nerven. Stößt man sie an, ringeln sie sich zusammen. Zieht eine Amsel sie aus dem Boden, kämpfen sie heftig um ihr Leben, sie haben starke Muskeln. Das alles hat Brehm beobachtet, auch das Sexualleben des Regenwurms, über das wir in der Schule nichts erfahren haben. Wir haben immer nur die Staubfäden der Tulpe gezählt. Allerdings ist das Sexleben dieses Ringelwurms ziemlich dürftig: Er ist ein Zwitter, aus seinen Hautfalten scheidet er an einer Stelle ein ringförmiges Sekret aus, „worin er seine Eier befestigt“, so Brehm. Das Sekret verhornt, aus dem hartgewordenen Ring schlüpft der Eltern-Wurm heraus. Zu seinen vielen kleinen Kindern hat er kein besonderes Verhältnis, sie brüten sich selber aus.

Durch eine Klimaveränderung wäre der Regenwurm zweifellos schwer bedroht, er braucht für seine Existenz einen durchfeuchteten Boden. Nach der langen Trockenheit dieses Frühjahrs hat es ja endlich geregnet. Meine Überlegungen sind daher wohl überholt, ob ich nicht nur die Rosen, sondern auch die Regenwürmer gießen soll.

Ursula Friedrich

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