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Ein Mann läuft durch den Schlamm in Montemurlo, in der Nähe von Prato.

© AFP/FEDERICO SCOPPA

Update

Mindestens zwölf Tote nach Sturmtief „Ciaran“ in Europa: Auswärtiges Amt rät von touristischen Reisen in die Toskana ab

Seit Mittwochabend wütet Orkantief „Ciaran“ über Europa. Allein in Italien kamen fünf Menschen ums Leben. Im Harz wurde eine Frau von einem umstürzenden Baum erschlagen.

| Update:

Mit extremen Sturmböen und Wellen ist das Orkantief „Ciaran“ in der Nacht zum Donnerstag über den Nordwesten Frankreichs und den Südwesten Englands hereingebrochen, ehe der Herbststurm die Niederlande, Deutschland und Italien erfasste.

In Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Spanien kamen mindestens sieben Menschen ums Leben, mehr als eine Million Menschen waren zwischenzeitlich ohne Strom. Nach den schweren Unwettern mit heftigen Regenfällen in der mittelitalienischen Region Toskana ist die Zahl der Todesopfer auf fünf gestiegen.

Das Auswärtige Amt in Berlin veröffentlichte einen neuen Reisehinweis und rät vorerst dazu, nicht notwendige, touristische Reisen in die Region Friaul-Julisch-Venetien zu vermeiden. Zudem sollte in den besonders betroffenen Gebieten auf Autofahrten verzichtet.

Italien: Notstand in der Toskana ausgerufen

In der Gemeinde Montemurlo, etwa eine Stunde nordwestlich von Florenz, wurde ein 85-jähriger Mann ertrunken in seiner Wohnung aufgefunden, eine 84-jährige Frau erlitt einen Schwächeanfall, wie der Gouverneur der Region Toskana, Eugenio Giani, am Freitag erklärte. Eine dritte Person kam italienischen Medien zufolge in der Küstenstadt Rosignano ums Leben.

Was heute Nacht in der Toskana geschah, hat einen Namen: Klimawandel.

Eugenio Giani, Gouverneur der Region Toskana

Heftige Regenfälle ließen in der beliebten Urlaubsregion Flüsse über die Ufer treten und führten zu Überschwemmungen. Das Unwetter verwandelte binnen weniger Stunden die Straßen in mehreren Dörfern zu reißenden Strömen aus Wasser und Schlamm.

Ein Mann watet durch das Hochwasser in Downpatrick, Großbritannien.

© dpa/Liam Mcburney

Die Kleinstadt Montemurlo mit etwa 20.000 Einwohnern registrierte einer Mitteilung zufolge innerhalb weniger Stunden 20 Zentimeter Regen. Diese Messwerte seien „beispiellos“, hieß es. Gouverneur Giani schrieb im Onlinedienst X, ehemals Twitter: „Was heute Nacht in der Toskana geschah, hat einen Namen: Klimawandel.“

Die italienische Regierung erklärte den Notstand für die Toskana. Regierungschefin Giorgia Meloni verfolge die Ereignisse „mit großer Sorge“, hieß es in einer Mitteilung.

Die Feuerwehr berichtete, dass sie in der Umgebung von Florenz, Pistoia, Pisa und Prato Dutzende von Einsätzen ausgeführt habe, um Autofahrer zu retten, die in ihren Fahrzeugen in überfluteten Tunneln oder wegen umgestürzter Bäume auf der Fahrbahn festsaßen. Drei Krankenhäuser der Region waren von Überschwemmungen betroffen.

Die Lage in Florenz sei „kritisch“, erklärte Bürgermeister Dario Nardelle in der Nacht auf X. Es wird erwartet, dass der Arno im Verlauf des Freitags seinen Hochwasserscheitel erreicht.

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Der Regen hörte am Freitagmorgen auf oder schwächte sich ab und das Wasser begann örtlich zurückzugehen. Die Alarmstufe orange blieb in der Region jedoch zunächst in Kraft. Der Sturm erreichte auch Venedig, wo örtlichen Medien zufolge zwei Menschen vermisst wurden.

Goslar in Deutschland: Frau stirbt durch umstürzenden Baum

Durch das Sturmtief ist im niedersächsischen Goslar eine Frau getötet worden. Die 46-Jährige starb durch einen umstürzenden Baum nahe des Rammelsbergs im Harz, wie die örtliche Polizei am Donnerstag mitteilte. Für die Frau aus Bayern kam jede Hilfe zu spät. Sie erlag am Donnerstagvormittag noch am Unglücksort ihren Verletzungen.

Das Sturmtief tobte im Harz „deutlich stärker“ als erwartet, berichtete die Goslarer Kreisfeuerwehr. Wegen umgestürzter Bäume mussten nach Angaben vom frühen Nachmittag zwei Landstraßen gesperrt werden.

In der Rue des Pinçons in den Côtes-d’Armor fiel am 2. Novermber ein Baum auf ein Auto.

© IMAGO/MAXPPP

In Nordrhein-Westfalen behinderten durch den Sturm umgefallene Bäume bereits am Donnerstagmorgen den Zugverkehr. Betroffen waren die Regionen Euskirchen, Remscheid, Mönchengladbach/Viersen und Dorsten.

In Frankreich sorgt „Ciaran“ für Stromausfälle und blockierte Straßen

Die Bilanz ist schlimm“, konstatierte Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne. In Frankreich habe es zwei Tote und 47 Verletzte gegeben. Ein Lastwagenfahrer starb, als er in einen umgestürzten Baum krachte. In Le Havre wurde ein Mann beim Schließen seiner Fensterläden von einem Windstoß erfasst und tödlich verletzt.

Etwa 1,2 Millionen Haushalte waren ohne Strom und Hunderttausende vom Mobilfunknetz abgeschnitten. Umgestürzte Bäume blockierten Straßen sowie Bahnstrecken. Es gab erhebliche Sachschäden. 13 500 Feuerwehrleute rückten zu rund 3500 Einsätzen aus. Mehr als 1300 Menschen wurden in Sicherheit gebracht.

21 
Meter Höhe soll eine Sturmwelle im Departement Finistère in der Bretagne erreicht haben

Sturmböen erreichten örtlich Geschwindigkeiten bis zu 200 Kilometern pro Stunde. Vor dem zur Bretagne gehörenden Departement Finistère − dem westlichsten kontinentalen Zipfel Frankreichs − wurde eine 21 Meter hohe Sturmwelle gemessen.

Im Département Hauts-de-France nördlich von Paris fielen am Freitag noch zahlreiche Regionalzüge aus. „Die Fernverbindungen sind kaum beeinträchtigt“, sagte Verkehrsminister Clément Beaune. Am Wochenende enden die französischen Herbstferien, es werden 1,5 Millionen Reisende erwartet.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wurde an Freitagnachmittag in Plougastel in der Bretagne erwartet. Dort wolle er den Nothelfern danken und mit Betroffenen sprechen. An der französischen Atlantikküste wurde derweil mit einem weiteren, aber schwächeren Sturmtief gerechnet.

Auch an der Südküste Englands sorgte der Sturm für Probleme. Tausende Haushalte hatten zwischenzeitlich keinen Strom, wie die Nachrichtenagentur PA meldete. Bäume stürzten um, Straßen waren blockiert. Hunderte Schulen blieben geschlossen. Bahnbetreiber im Großraum London riefen die Menschen auf, nur wirklich notwendige Reisen anzutreten.

Die Hagelkörner waren schwerer und größer als ein Golfball und haben uns drei Fenster beschädigt.

Betroffene gegenüber der Nachrichtenagentur PA

Auf der Insel Jersey im südwestlichen Ärmelkanal wurden der Polizei zufolge Windgeschwindigkeiten von bis zu 164 Stundenkilometern gemessen. „Bitte bleiben sie drinnen. Es ist sehr gefährlich da draußen“, warnte die Jersey Police.

Wellen brechen über die Hafenmauer in Folkestone, Kent, während der Sturm Ciaran an der Südküste Englands starken Wind und heftigen Regen mit sich bringt.

© picture alliance/dpa/PA Wire

Eine Frau berichtete PA von großen Hagelkörnern: „Die Hagelkörner waren schwerer und größer als ein Golfball und haben uns drei Fenster beschädigt.“

Tote und Verletzte durch herabfallende Äste und Bäume

In Belgien forderte das Orkantief zwei Todesopfer. In einem Park in Gent stürzte ein Baum auf zwei Fußgänger, von denen einer ums Leben kam. In einem weiteren Park mit Spielplatz wurde eine Fünfjährige von einem schweren, herabstürzenden Ast erschlagen, berichtete die Zeitung „De Standaard“.

In Antwerpen wurde ein Mann von einer umstürzenden Dachkonstruktion schwer verletzt. In den Niederlanden wurde in Venray nahe der Grenze zum Niederrhein ein Mensch von einem umstürzenden Baum erschlagen, teilte die Polizei mit.

An mehreren anderen Orten hatten umstürzende Bäume Menschen verletzt, darunter war eine Frau in Den Haag. Auch Radfahrer waren von herabfallenden Ästen und Bäumen getroffen worden.

Alarmstufe Orange auf Mallorca

Das Orkantief traf auch Teile der iberischen Halbinsel und forderte ein Menschenleben. Eine junge Frau wurde in Madrid von einem umstürzenden Baum erschlagen, wie der Rettungsdienst mitteilte. Drei weitere Menschen wurden leicht verletzt.

Spanien behielt für die Region Galicien und für das Baskenland am Freitag die höchste Alarmstufe bei. In Mitleidenschaft gezogen wurden von „Ciaran“ vor allem der Norden Portugals sowie der Norden und das Zentrum Spaniens.

In Nordfrankreich an der Küste von Le Croisic brachte Sturmtief „Ciaran“ Böen mit Windgeschwindigkeiten bis zu 170 km/h mit sich.

© IMAGO/MAXPPP

Es gab viel Regen und Windböen mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern, die zu Beeinträchtigungen des Bahn- und Luftverkehrs führten. In Madrid wurde der auch bei Touristen beliebte Stadtpark Retiro aus Sicherheitsgründen geschlossen. Auf den Balearen mit der vor allem bei Deutschen beliebten Urlaubsinsel Mallorca wurde mit Alarmstufe Orange in erster Linie vor hohem Wellengang gewarnt.

Flug- und Schiffsverkehr stark beeinträchtigt

Wegen des Sturms mit Windböen von bis zu 110 Stundenkilometern waren Hunderte Flüge gestrichen worden. Auch die Züge von und nach Paris fuhren nicht. Die Schifffahrt war ebenfalls stark beeinträchtigt.

Der Deutsche Wetterdienst gab eine Sturmwarnung für Teile der Nordseeküste und eine Starkwindwarnung für Teile der Ostseeküste heraus. In Deutschland wird das international unter „Ciaran“ bekannte Tief „Emir“ genannt.

Laut Deutschem Wetterdienst überqueren Ausläufer des von Südenglands zur Nordsee ziehenden Orkantiefs „Ciaran“ Deutschland bis Freitagmorgen. Vor allem in der Westhälfte sei mit starkem Wind sowie Orkanböen zu rechnen. (dpa, AFP, Tsp)

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