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Tausende Stiere werden auf Volksfesten zu Tode gequält.

© AFP/ANDER GILLENEA

Kulturgut Stierkampf: Die starke Lobby der Tierjäger in Spanien

Die Strafen für Quälerei und für das Aussetzen von Tieren wurden in Spanien erhöht. Nur an den traditionellen Stierkampf traut sich niemand heran.

Tierschutz hatte bisher keinen großen Stellenwert in Spanien: Tausende Stiere werden auf Volksfesten zu Tode gequält. Bei Hahnenkämpfen werden zur Publikumsbelustigung Tiere aufeinandergehetzt.

Zehntausende Jagdhunde, die nicht mehr schnell genug sind, werden jedes Jahr getötet oder ausgesetzt. Die Tierheime sind überfüllt mit Vierbeinern, die von ihren Besitzern verlassen oder fortgejagt wurden.

Nun macht Spanien beim Tierschutz einen Schritt voran ­– wenigstens, was Hunde oder Katzen betrifft: Anfang Oktober trat ein Gesetz in Kraft, das die Strafen für Quälerei und für das Aussetzen von Tieren erhöht.

Es enthält große – fast revolutionäre – Verbesserungen, die den Tieren in ganz Spanien zugutekommen werden.

Rundbrief der Madrider Organisation Alba über das Gesetz.

Und das zudem Maßnahmen vorsieht, die auch in anderen europäischen Ländern zum Teil heftig diskutiert werden: etwa ein „Hundeführerschein“, eine Sterilisations- und Registrierungspflicht und das Verbot von Wildtieren im Zirkus.

Einige heikle Themen, die Tierschützer in ganz Europa regelmäßig auf die Barrikaden bringen, wurden allerdings ausgeklammert: Stierkämpfe dürfen weiterhin stattfinden, weil sie gesetzlich als „nationales Kulturgut“ geschützt sind. Und auch mit dem Plan, Jagdhunde in das Gesetz einzuschließen, konnte sich die nationale Tierschutzbehörde nicht durchsetzen – die Lobby der Jäger war stärker.

„Haustierführerschein“ für alle Tierbesitzer

Trotz dieser Enttäuschung bewerten spanische Tierschutzorganisationen das Gesetz positiv. „Es enthält große – fast revolutionäre – Verbesserungen, die den Tieren in ganz Spanien zugutekommen werden“, heißt es in einem Rundbrief der Madrider Organisation Alba, in deren Auffangstation jedes Jahr Hunderte von ausgesetzten Vierbeinern gesund gepflegt werden.

Weil es in Spanien nicht genügend Adoptivfamilien gibt, um verlassenen Tieren ein neues Zuhause zu geben, vermitteln spanische Tierschützer viele Hunde und Katzen in den deutschsprachigen Raum. Die Tiere werden von „Flugpaten“, oftmals tierliebende Spanienurlauber, in Transportboxen nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz oder nach Luxemburg gebracht. Regelmäßig rollen zudem auf der Straße Transporte mit herrenlosen Tieren von Südeuropa in den Norden.

Eine der großen Neuerungen der spanischen Reform ist die Einführung eines „Haustierführerscheins“, der bisher nur für die Haltung gefährlicher Hunde Pflicht war.

Unter dem neuen Sachkundenachweis müsse man sich einen Schnellkurs vorstellen, den alle Besitzer von Haustieren künftig machen müssen, teilte ein Sprecher der staatlichen Tierschutzbehörde mit. Dies gelte unabhängig davon, ob man einen Hund, eine Katze, einen Hamster, einen Vogel, Fische oder eine Schildkröte halten wolle.

300.000
Hunde und Katzen landen nach Angaben der spanischen Regierung jedes Jahr in Tierheimen.

Schätzungen zufolge gibt es mehr als elf Millionen Hunde und Katzen in Spanien. Annähernd 300.000 von ihnen landen nach Angaben der spanischen Regierung jedes Jahr in Tierheimen. Der Hauptgrund für das Aussetzen von Hunden und Katzen in Spanien ist Studien zufolge, dass viele von ihnen unkontrollierten Nachwuchs produzieren, weil sie nicht sterilisiert sind.

„Hundewelpen günstig abzugeben“, kann man immer wieder in spanischen Kleinanzeigen lesen. Oder: „Katzenkinder zu verschenken.“ Viele diese Jungtiere landeten bisher, wenn sich niemand dem Nachwuchs erbarmte, im Tierheim. Damit soll nun Schluss sein.

„Alle Tierhalter müssen die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die unkontrollierte Reproduktion von Haustieren zu vermeiden“, heißt es im Gesetz. So dürfen künftig nur noch registrierte Züchter Haustiere zum Zweck der Nachwuchserzeugung paaren. Privatleuten wird diese Praxis verboten.

Spanien verschärft Strafen für Tierquälerei

Vor allem Spaniens Katzen, von denen viele auf Straßen und in Parks herumstreunen, vermehren sich stark. Deswegen müssen künftig alle Katzen, die von Züchtern oder Tierheimen abgegeben werden, sterilisiert sein. Verwilderte Straßenkatzen sollen eingefangen und von Amts wegen unfruchtbar gemacht werden. Bei Hunden gilt die Sterilisationspflicht zunächst nur für Vierbeiner, die in Tierheimen adoptiert werden.

Hinzu kommt eine Markierungs- und Registrierungspflicht von Hunden und Katzen, denen vom Tierarzt ein Mikrochip mit den Besitzerdaten implantiert werden muss. Bisher sind nur die wenigsten Geschöpfe, die von spanischen Tierheimen aufgenommen werden, mit einem Chip ausgestattet. Weswegen es normalerweise unmöglich ist, ihre Besitzer ausfindig zu machen und gegebenenfalls zur Rechenschaft zu ziehen.

Schließlich wird auch die Ausstellung von Hunden und Katzen in Schaufenstern sowie der Verkauf durch Tiergeschäfte, im Internet oder über privaten Handel verboten, um den impulsiven Erwerb von Vierbeinern zu vermeiden. Wer sich einen Hund oder eine Katze zulegen möchte, muss also künftig zunächst eine Sachkundeprüfung machen und sich dann an einen zertifizierten Züchter oder ein Tierheim wenden.

Verstöße gegen die neuen Tierschutzregeln werden hart bestraft. Für das Aussetzen von Tieren können Geldbußen zwischen 10.000 und 50.000 Euro verhängt werden. Schwere Fälle von Tierquälerei, wie etwa Hahnenkämpfe, können künftig in Spanien mit bis zu 200.000 Euro oder sogar Gefängnisstrafen geahndet werden.

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