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Eine Frau arbeitet von zu Hause aus.

© dpa/Daniel Naupold

Krank zur Arbeit: Warum das viele machen – und wann es erlaubt ist

Vor allem im Homeoffice arbeiten viele trotz Erkältung oder Kopfschmerzen. Generell ist das erlaubt, doch der sogenannte „Präsentismus“ birgt Experten zufolge langfristige Risiken.

Egal ob in der U-Bahn oder im Supermarkt, überall schnieft und hustet es momentan wieder, die Grippesaison hat begonnen. Und trotzdem schleppen sich viele Arbeitnehmende ins Büro oder arbeiten weiter aus dem Homeoffice.

So zeigten jüngst die Ergebnisse einer Studie der Techniker Krankenkasse, dass jede zweite beschäftigte Person in Deutschland manchmal, häufig oder sehr häufig krank zur Arbeit geht oder von zu Hause arbeitet. Da die Umfragewerte aus den Jahren 2018 bis 2021 stammen, dürfte die Zahl angesichts der mittlerweile etablierten Homeoffice Möglichkeiten weiter steigen.

Das gemeinhin als „Präsentismus“ bezeichnete Phänomen, bei dem Arbeitnehmer trotz gesundheitlicher Beschwerden arbeiten, trifft sogar auf viele Corona-Infizierte zu. Jeder zehnte Infizierte geht laut einer Studie der Pronova BKK sogar trotz positivem Corona-Test zur Arbeit. Während zumindest in diesem Fall das Auftauchen im Büro laut Infektionsschutzgesetz rechtlich verboten ist, bleibt alles andere oft Ermessenssache.

Als wichtigstes Mittel im Krankheitsfall gilt logischerweise die sogenannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU). Der als „gelber Schein“ bekannte Nachweis des Arztes über die Krankheit des Arbeitnehmers gilt aber rechtlich gesehen als Prognose für den Krankheitsverlauf, nicht als Arbeitsverbot.

Fühlt sich die betroffene Person also in der Lage, ihren Job auszuüben, ist das auch möglich ohne dies vom Arzt offiziell absegnen zu lassen.

„Präsentismus“ birgt Risiko von langen Fehlzeiten

Versicherungstechnisch drohen lediglich im Fall von absoluten Beschäftigungsverboten, etwa während einer Schwangerschaft, Probleme. Alle anderen Arbeitnehmer sind auch mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung während der Tätigkeit versichert.

Expert:innen warnen jedoch davor, dass bei der Arbeit während einer Krankschreibung das Unfall- und Fehlerrisiko stark erhöht ist. Anschließende längere Ausfallzeiten durch eine verschleppte Infektion gefährden im Zweifelsfall das gesamte Unternehmen, so der stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, Helmut Schröder, gegenüber der „Apotheken-Umschau“.

Ebenso riskant ist die mittlerweile weitverbreitete Arbeit im Homeoffice. Wer von zu Hause arbeitet, sieht sich oft eher in der Lage oder Pflicht, trotz Kopfschmerzen oder anderer leichter Beschwerden eine Schicht zu erfüllen. Im Endeffekt entstehen laut Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aber durch „Präsentismus“ knapp dreimal so hohe Kosten für das Unternehmen.

Anders sieht die Lage ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus: Ist die betroffene Person theoretisch in der Lage, ihren im Arbeitsvertrag ausgeschriebenen Tätigkeiten nachzukommen, kann sie auch dazu verpflichtet werden, dies zu tun.

Rechtlich gesehen muss zwar erst nach dem dritten Krankheitstag eine Bescheinigung vom Arzt vorgelegt werden. Konkrete Einzelregelungen durch die Arbeitgeber können jedoch zu Ausnahmen führen.

Der Arbeitgeber besitzt aber eine sogenannte Fürsorgepflicht. Er darf von krankgeschriebenen Beschäftigten keinerlei Tätigkeit verlangen. Sollte sich dessen Zustand durch eine Tätigkeit verschlechtern, droht eine Schadensersatzzahlung. Ohne „gelben Schein“ kann das Unternehmen eigene Regelungen einführen, für das Betriebsklima ist das jedoch nicht zuträglich.

Krankenscheine liegen auf einem Schreibtisch.
Krankenscheine liegen auf einem Schreibtisch.

© dpa/Jens Büttner

Genau an diesem Punkt liegt auch das größte Problem des „Präsentismus“: Fühlt sich ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in der Pflicht, immer verfügbar zu sein, liegt das meist an der Fehlkommunikation oder der mangelnden Vorbildfunktion des Arbeitsgebers oder der Vorgesetzten.

„Wenn die auch krank zur Arbeit kommen, dann machen das auch die Mitarbeitenden“, erklärt etwa Arbeitswissenschaftlerin Daniela Lohaus gegenüber dem Hessischen Rundfunk. Ein Arbeitsklima ohne Leistungsdruck und vor allem ohne hohe Arbeitslast sorge demnach langfristig dafür, dass Arbeitnehmer nicht durch chronische Erkrankungen ausfallen.

Neben den Rechten auch die Pflichten beachten

Auf der anderen Seite sollte sich der Chef von seinen Mitarbeitenden auch nicht hintergangen fühlen. Da eine Krankschreibung dem Heilungsprozess dienen soll, muss eben sogenanntes „genesungswidriges Verhalten“ vom Arbeitnehmer vermieden werden.

Was genau man im Krankheitsfall darf oder nicht, hängt natürlich auch von der Erkrankung ab. Verordnet der Arzt Bettruhe, dürfen nur Apotheken, Ärzte und Gottesdienste aufgesucht werden.

Bei einem gebrochenen Arm könnte etwa der Bauarbeiter im Zweifelsfall auch ins Kino gehen. Da aber bei nahezu allen Erkrankungen Ruhe die beste Medizin ist, sollte man es bei derlei Aktivitäten nicht übertreiben.

Können nämlich private Aktivitäten während einer Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen werden, gilt dies als Täuschung und damit als sofortiger Kündigungsgrund.

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