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Panorama: Kinder für Organhandel missbraucht und getötet Europarat besorgt über Babyhandel in der Ukraine

In der Ukraine gibt es ein kriminelles Netzwerk, das Neugeborene aus Geburtskliniken entführt. Zu diesem Schluss kommt Ruth-Gaby Vermot-Mangold, die im Auftrag des Europarates Berichten über solche Entführungen nachgegangen ist.

In der Ukraine gibt es ein kriminelles Netzwerk, das Neugeborene aus Geburtskliniken entführt. Zu diesem Schluss kommt Ruth-Gaby Vermot-Mangold, die im Auftrag des Europarates Berichten über solche Entführungen nachgegangen ist. Die Schweizer Sozialdemokratin hatte in der vergangenen Woche in Charkow und Kiew Gespräche mit betroffenen Müttern, Ärzten und Vertretern der Behörden geführt.

Die ersten Untersuchungen wurden durch den Fall von Swetlana Pusikowa angestoßen: Sie gebar am 4. November 2002 in der Geburtsklinik Nummer 6 der ostukrainischen Stadt Charkow ein Mädchen. Am Tag der Geburt war sie zu schwach, sich um ihr Kind zu kümmern. Als sie am nächsten Tag den behandelnden Arzt bat, ihr das Mädchen zu geben, weigerte sich dieser. Es sei bereits tot, sagte der Arzt. Einen Monat später gebar eine andere Frau, Elena Sacharowa, in der gleichen Klinik ein Kind. Sie sah es weder tot noch lebendig. Beide Frauen strengten eine Untersuchung an – ohne Ergebnis.

Im Herbst 2003 berichteten deutsche Medien über die Fälle, darunter das ZDF-Magazin „Mona Lisa“. Danach seien auf einer Abfalldeponie in Charkow die Leichen von Un- und Neugeborenen gefunden worden, denen Organe entnommen wurden. Daraufhin wurden auch in der Ukraine die Untersuchungen wieder aufgenommen – wiederum ohne Ergebnis.

Die zuständigen Behörden in der Ukraine bestreiten noch heute, dass es sich in den beiden Fällen um Entführungen gehandelt habe. Laut Gesundheitsminister Nikolaj Polischuk waren die Ärzte zum damaligen Zeitpunkt gesetzlich nicht verpflichtet gewesen, tote Neugeborene ihren Müttern zu zeigen. Zudem habe der Mann Elena Sacharowas darum gebeten, das tote Kind der Mutter nicht zu zeigen, aus Rücksicht auf ihre Gefühle. Inzwischen seien die Gesetze geändert worden. Genadi Moskal, der stellvertretende Innenminister, schloss auch jeden Zusammenhang mit einem möglichen Organraub aus: „Es gibt keinen Zusammenhang mit Verbrechen.“ Die Ukrainische Vereinigung der Mütter mit mehr als drei Kindern widerspricht dem: Allein zwischen 2001 und 2003 habe es 300 ähnliche Fälle von Entführungen Neugeborener gegeben.

Vermot-Mangold als Vertreterin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gibt den Müttern nun Recht. Ihre Untersuchung habe ergeben, dass sehr wohl Neugeborene geraubt worden seien, erklärte Vermot-Mangold der ukrainischen Zeitung „Kommersant“. Es habe mindestens fünf solcher Fälle in Charkow und weitere in Lemberg und Kiew gegeben, wahrscheinlich auch anderswo. Allerdings hätten viele Leute Angst, mit ihr zu sprechen.

Die Schweizer Sozialdemokratin warf insbesondere dem Generalstaatsanwalt und dem stellvertretenden Innenminister vor, nicht an der Aufklärung der Fälle interessiert zu sein. Dabei habe Präsident Viktor Juschtschenko den Europarat gebeten, bei der Bekämpfung des Menschenhandels zu helfen. „Es scheint ein ganzes kriminelles Netzwerk zu existieren, dass mit solchen Geschäften verbunden ist“, die Behörden müssten die Untersuchungen wieder aufnehmen. Ihren Bericht wird Ruth-Gaby Vermot-Mangold der Parlamentarischen Versammlung des Europarates im Frühjahr vorlegen.

Unabhängig vom Besuch der Schweizer Sozialdemokratin hat der Staatsanwalt im ostukrainischen Mariupol, Alexander Jegorow, im August eine Untersuchung gegen Ärzte einer Privatklinik der Stadt eingeleitet – die erste ihrer Art in der Ukraine: Er beschuldigt sie, mit gefrorenem Material aus Leber und Hirn menschlicher Embryos gehandelt zu haben. Diese seien aus verschiedenen Teilen des Landes in die Klinik gebracht worden, um bei Stammzellentherapien benutzt zu werden. Diese Therapie ist, anders als in vielen Ländern Europas, in der Ukraine legal. Vor allem reiche Leute lassen sich mit Stammzellen von Embryos behandeln, um sich jünger und schöner zu fühlen.

Elena Usenko[Charkow]

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