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Eine Straße in einem Wohngebiet in Lilienthal steht unter Wasser. Hier ist die Wümme über die Ufer getreten. Die Anwohnerinnen und Anwohner des Ortes können ihre Häuser nur noch mit Booten erreichen.

© dpa/Markus Hibbeler

Update

Hochwasser in Deutschland: Kitesurfer und Schaulustige sollen die Arbeit der Rettungskräfte behindert haben

Das Hochwasser in Teilen des Landes bricht Rekorde. An der Weser hat der Wasserstand den bisherigen Höchstwert aus 1981 überschritten. Auch an der Aller wurde die Höchstmarke gerissen.

| Update:

Die Lage in den Hochwassergebieten in Deutschland bleibt auch am Samstag kritisch. Betroffen sind unter anderem Teile Niedersachsens und der Süden Sachsen-Anhalts an der Grenze zu Thüringen. Der Landkreis Mansfeld-Südharz hat wegen des Hochwassers den Katastrophenfall festgestellt.

Allerdings zeichnete sich in Niedersachsen, dem flächenmäßig zweitgrößten Bundesland, mancherorts eine leichte Entspannung ab. Etwa der Landkreis Celle sowie die Stadt Meppen sprachen am Samstag von leicht sinkenden Pegelständen. Weiterhin sei aber die höchste Meldestufe an den Pegeln überschritten, sodass unverändert größere Überschwemmungen drohten, hieß es vom Landkreis Celle.

Wegen vieler Schaulustiger in den Hochwasser-Gebieten in Niedersachsen hat die Polizei ihre Kontrollen in den Sperrgebieten verstärkt. Das sagte Landesinnenministerin Daniela Behrens (SPD) am Samstag dem „Spiegel“. „Tatsächlich gibt es sogar Sichtungen von Kite-Surfern, die in Hochwasser-Gebieten unterwegs sind.“ Das sei lebensgefährlich. „Ich kann vor so einem lebensgefährlichen Unsinn nur warnen.“

Medienberichten zufolge sollen in den vergangenen Tagen auch in Überschwemmungsgebieten in Ostfriesland und Sachsen-Anhalt Kiter-Surfer gesehen worden sein. Nach Angaben der Ministerin müssen Schaulustige, die selbst verschuldet in Notlagen geraten, damit rechnen, die Rettung zu bezahlen.

Behrends bezeichnete Schaulustige und Katastrophen-Touristen als ärgerlich. „Viele reisen extra an, um sich die Wassermassen anzusehen. Sie ignorieren die Absperrungen.“ Es habe bereits mehrere Fälle gegeben, bei den die ohnehin schon extrem belastete Feuerwehr Schaulustige habe retten müssen, sagte die Innenministerin.

In der Stadt Oldenburg wird eine mögliche Evakuierung vorbereitet. Die Deiche seien unverändert einem hohen Druck ausgesetzt, teilte die Stadt am Samstag mit. Pegelstände würden höchstens marginal sinken. Bisher seien die Deiche allerdings trocken und stabil. Dort unterstützt die Bundespolizei die Deichsicherung. Am Freitag habe ein Helikopter vom Typ Super Puma besonders große Sandsäcke zu Deichen in Hatten gebracht, um diese zu sichern, teilte die Bundespolizei am Samstag mit. Auch am Samstag sei der Hubschrauber im Einsatz.

Sandsäcke und Bigbacks liegen bereit, um mit einem Hubschrauber an die Hunte gebracht zu werden.

© dpa/Jörn Hüneke

Im Serengeti-Park im niedersächsischen Hodenhagen hat sich die kritische Hochwasserlage dagegen leicht entspannt. Pumpen auf dem Gelände hätten es geschafft, große Wassermengen hinter den Deich Richtung Meiße zu drücken, sagte eine Sprecherin des Freizeitparks nördlich von Hannover. Auch im Tierhaus der Antilopen und Giraffen sei das Wasser merklich gesunken und wieder aus dem Gebäude hinausgeflossen.

Menschen versuchen in evakuierte Häuser zurückzukehren

In der Gemeinde Winsen/Aller seien evakuierte Bewohner mehrfach zu ihren Häusern zurückgekehrt, teilte der Landkreis Celle weiter mit. Die Feuerwehr habe die Menschen zurückgeholt. Auch in der Gemeinde Lilienthal in der Nähe von Bremen dauern die Evakuierungen an. Rund 500 Menschen seien in den betroffenen Gebieten gemeldet, sagte eine Gemeindesprecherin. Wann sie zurück in ihre Häuser könnten, sei noch nicht absehbar.

Die Gefahrenlage laut dem Hochwasserportal vom 29. Dezember.

© Quelle: Hochwasserportal, Stand Freitag 29.12. (12 Uhr)

An mehreren Pegeln brachte das Hochwasser neue Höchstwerte. An der Weser etwa überschritt der Wasserstand am Samstagmorgen bei Drakenburg mit 835 Zentimetern den bisherigen Höchstwert aus 1981 um einen Zentimeter, wie der Überregionale Hochwasserdienst am Samstag mitteilte.

Zahlreiche Pegelstände sind weiterhin über der höchsten Meldestufe, wie es in einem Lagebericht des Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) am Samstagvormittag hieß. Der am Freitag im Harz gefallene Regen sorge dafür, dass die Wasserstände in den Oberläufen der Leine und Oker sowie in deren Zuflüssen wieder anstiegen.

Mehrere Pegelstände hätten jedoch bereits ihren Scheitel erreicht und würden wieder sinken. Laut NLWKN verbleiben die Pegelstände in den Mittel- und Unterläufen der Aller, Leine und Oker vorerst auf dem derzeitigen Niveau. Auch in anderen Flussgebieten wie denen der Hunte und Wümme sei die Lage weiter sehr angespannt. Es sei aber davon auszugehen, dass die Wasserstände dort leicht sinken oder auf dem Niveau bleiben.

Steigende Wasserstände in Sachsen-Anhalt, Rückgang in Sachsen

In Sachsen-Anhalt stiegen die Wasserstände in einigen Flüssen durch Regenfälle wieder an. Der Landkreis Mansfeld-Südharz hat den Katastrophenfall festgestellt. Die Entscheidung sei durch die lange Dauer der Abwehrmaßnahmen gegen die Hochwasserlage begründet, teilte Landrat André Schröder am Samstag mit. Die Talsperre Kelbra an der Landesgrenze zu Thüringen wird seit einigen Tagen kontrolliert abgelassen, weil sie drohte überzulaufen. Dadurch ist der Wasserstand der Helme stark angestiegen.

Land unter am Kyffhäuser. Oberhalb der Talsperre Kelbra sind riesige Flächen überflutet.

© dpa/Heiko Rebsch

Am Donnerstagabend öffneten die Behörden einen Deich des Flusses, sodass das Wasser auf freie Felder in Richtung Thüringen ablaufen kann. Der Bürgermeister der Gemeinde Südharz, Peter Kohl, bezeichnete die Situation als kritisch. Evakuierungen oder die Anforderung der Bundeswehr sind nach Angaben des Landkreises derzeit noch nicht geplant. 

Erneut Sandsäcke gestohlen

Die schauerartigen Niederschläge seien stärker ausgefallen als zunächst prognostiziert, teilte der Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) mit. Weil die Böden bereits gesättigt seien, habe dies in einigen Bereichen zu ansteigenden Wasserständen geführt.

In einer Ortschaft im thüringischen Kyffhäuserkreis stellten Helfer am Samstag mit Entsetzen fest, dass Unbekannte auf einer Länge von 40 Metern Sandsäcke aus den errichteten Schutzwällen entlang der Helme gestohlen haben. Auf 20 Metern sei der Schutzwall bei Mönchpfiffel-Nikolausrieth vollständig abgetragen worden, so das Landratsamt. Zu den Tätern konnten zunächst keine Angaben gemacht werden. Das Landratsamt will Strafanzeige stellen.

Derweil geht das Hochwasser der Elbe in Sachsen weiter zurück. Am Pegel Dresden wurde am Samstagmorgen ein Wasserstand von 5,30 Meter gemessen. Einen Tag zuvor waren es noch 5,92 Meter gewesen. Normal sind rund 2 Meter. In der Landeshauptstadt galt ebenso wie in Schöna an der tschechischen Grenze sowie flussabwärts in Riesa noch die Alarmstufe 2. Die Hydrologen rechnen mit weiter sinkenden Wasserständen.

In den Hochwasserregionen in Nordrhein-Westfalen können die Menschen ein wenig durchatmen. „Insgesamt ist der Trend bei den Pegelständen rückläufig“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums NRW auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Samstag.

Das Technische Hilfswerk (THW) stellte sich auf einen Einsatz in den Hochwasser-Gebieten bis in die erste Januar-Woche hinein ein. „Es ist ganz klar, dass das über den Jahreswechsel andauern wird“, sagte THW-Präsidentin Sabine Lackner der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. „Was uns hoch besorgt, ist der Zustand der Deiche.“ Sie seien massiv aufgeweicht. Täglich seien etwa 1000 Einsatzkräfte in den betroffenen Gebieten unterwegs. Zahlreiche Landkreise appellierten erneut, Deiche nicht zu betreten, da diese aufgeweicht seien und beschädigt werden könnten. (dpa)

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