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Die Australierin will in Zukunft auf ihr Auto und den Internetanschluss verzichten.

© dpa/ Christoph Sator

„Ich bin jetzt nicht in die Steinzeit zurückgegangen“: Wie eine Australierin völlig ohne Geld auskommt

Die Australierin Jo Nemeth lebt seit fünf Jahren ohne Einkommen und Ausgaben. In einem Blog hält sie ihre positiven Erfahrungen fest.

Die Idee kam Jo Nemeth an ihrem 45. Geburtstag. „Damals lag ich krank im Bett und las ein Buch über Menschen, die ohne Geld leben.“ Plötzlich sei auch bei ihr wortwörtlich der Groschen gefallen. „Ich musste an all die Menschen in den Entwicklungsländern denken, die unter entsetzlichen Umständen arbeiten und was das mit dem Geld zu tun hat, das ich ausgebe“, sagte sie und beschloss, ihr Leben radikal zu ändern. Seit Ostern 2015 lebt die Australierin nun schon ohne Geld: Nicht nur ohne Bargeld, sondern auch ohne Bankkonto oder Bankkarte. Seit fünf Jahren hat sie nichts mehr verdient und nichts mehr gekauft – keine Kosmetik, keine neue Kleidung, nicht mal einen Kaffee auf die Hand. Das letzte Geld gab die 51-Jährige für ein Busticket aus.

Am Anfang lebte die Australierin in einem Zelt, später in einer Hütte auf der Farm von Freunden. „Wenn ich irgendwo hin muss, fahre ich entweder per Anhalter oder mit dem Rad“, sagte sie. Gemüse und Obst pflanzt sie größtenteils im Garten an. „Reis und Getreide lasse ich mir von Freunden zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenken.“ Auch Zahnpasta oder Seife erhält sie von Freunden. Sie sammelt einfach deren fast leere Tuben ein, die diese normalerweise bereits wegwerfen würden. Ab und zu durchsucht sie sogar Mülltonnen nach Sachen, die noch verwertbar sind. „Als Toilettenpapier nehme ich alte Servietten aus dem Café einer Freundin, die zum Beispiel nur einen Kaffeefleck haben“, erzählte Jo Nemeth im Telefoninterview.

Über die Toilettenpapier-Hamsterkäufe während der Pandemie habe sie nur den Kopf schütteln können. Ihre Haare schneidet sie selbst. Arztbesuche sind in Australien über die gesetzliche medizinische Grundversorgung abgedeckt, andere Dienstleistungen oder Waren tauscht sie dagegen oft ein. „Ich helfe Leuten aus, dafür helfen sie mir andersherum auch wieder“, sagte sie. Auch ein wenig Luxus sei möglich: Freunde würden sie schon mal ins Café einladen und auch ins Kino gehe sie regelmäßig. Denn dort hilft sie auf Freiwilligenbasis aus.

Der nächste Plan: Die Australierin Jo Nemeth will auch ohne fossile Brennstoffe auskommen.
Der nächste Plan: Die Australierin Jo Nemeth will auch ohne fossile Brennstoffe auskommen.

© privat

Wichtig ist der Australierin zu betonen, dass ihr minimalistischer Lebensstil keinesfalls bedeutet, dass sie ein „schreckliches Leben“ führe. „Ich bin jetzt nicht in die Steinzeit zurückgegangen“, sagt Nemeth, die ihren Alltag in einem Blog festhält, den sie unter dem Namen „Jo Low Impact“ veröffentlicht. „Stattdessen kultiviere ich Genügsamkeit in meinem Leben“, sagte sie. Das habe sie nie als negativ empfunden, sondern vielmehr als ein Abenteuer. In gewisser Weise, sagte Nemeth, mache ihr neuer Lebensstil sie sogar deutlich glücklicher: „Ich muss mich jetzt nicht mehr so schuldig fühlen, dass ich der Umwelt Schaden zufüge.“

Ganz zufrieden ist Jo Nemeth aber noch nicht. Ihr nächstes Ziel ist es, bis 2023 einen Lebensstil zu pflegen, der völlig ohne fossile Brennstoffe auskommt. Die Australierin, die derzeit das Haus einer Freundin teilt, deren Mann plötzlich verstorben ist, nennt das neue Projekt „Montague House 2023“ – nach dem Haus ihrer Freundin. Dieses wollen die beiden in den kommenden Jahren so umweltfreundlich wie möglich gestalten.

Dafür wird Jo Nemeths Freundin auf ihr Auto verzichten und selbst den Internetanschluss stornieren. Auch ihr jetziger Lebensstil hatte die Australierin schon gezwungen, kreativ zu denken. Und er forderte ihr sogar einige Opfer ab. „Am Anfang fiel mir das Wäschewaschen mit den Händen im kalten Wasser schwer“, sagte sie. Auch der erste Besuch in der Stadt ohne Geld sei eine Herausforderung gewesen. „Normal hätte ich mir eine Tasse Kaffee oder eine Schokolade gegönnt.“ Das sei nicht schlimm, aber ein wenig surreal gewesen.

Insgesamt habe sie in den vergangenen fünf Jahren viel gelernt, findet Jo Nemeth. Vor allem, dass „die meisten Leute gute Menschen sind, die gerne geben und kooperieren wollen“. Viele würden ihr beispielsweise ständig Essen schenken wollen, sagte sie. Eine weitere Erkenntnis sei gewesen, dass es nicht nötig ist, völlig unabhängig zu sein. Dass jeder auch mal Hilfe annimmt, ist für sie völlig normal.

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