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Der Luchs ist in der freien Wildbahn auch in Deutschland nur sehr schwer zu beobachten. Dieses Exemplar befindet sich im niedersächsischen Wildpark Schwarze Berge.

© Axel Heimken/dpa

Rückkehr des Luchses im Harz: Gelegentlich frisst er ein Schaf

Im Harz gibt es mindestens 55 wilde Luchse. Die Bevölkerung soll sie gut akzeptieren, inzwischen kommen sogar Touristen, um ein Exemplar zu sehen.

Am 17. März 1818 erlegte der königlich-hannöversche Förster Johann Friedrich Wilhelm Spellerberg nach einer zweiwöchigen Hatz den letzten wilden Luchs im Harz. An die 200 Jäger und Treiber waren damals im Einsatz, um das Tier ausfindig zu machen und zur Strecke zu bringen. Am Teufelsberg bei Lautenthal erschoss der Forstmann schließlich den Luchs.

182 Jahre später, am 21. August 2000, wurden in dem Mittelgebirge erstmals wieder drei Luchse ausgewildert. Die beiden Weibchen und das Männchen, in der Jägersprache Katze und Kuder geheißen, hatten zuvor in verschiedenen Wildparks gelebt. Sie gewöhnten sich schnell an die neue Freiheit. Bereits im folgenden Jahr wurden die ersten Jungtiere geboren. Seither hat sich der Bestand der Raubkatzen in dem Mittelgebirge gut entwickelt.

„Wir haben hier inzwischen eine sehr vitale Luchspopulation“, sagt der Luchsexperte im Nationalpark Harz, Ole Anders. Der diplomierte Forstwirt betreut das Auswilderungsprojekt von Beginn an. Die genaue Zahl der Tiere lasse sich zwar nur schätzen, im gesamten Harz seien jedoch schon Luchse mit Wildkameras fotografiert worden. „Demnach haben wir hier etwa 55 selbstständige Luchse – also Luchse, die nicht mehr hinter ihrer Mutter herlaufen“, erklärt Anders. „Dazu kommen ungefähr 35 Jungtiere, insgesamt sind rund 90 Luchse im Harz unterwegs.“

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Anders als im Bayerischen Wald, wo Luchse trotz strengen Verbotes gejagt und die Kadaver teils Umweltschützern vor die Tür oder aufs Dach gelegt werden, gebe es im Harz kaum noch Akzeptanzprobleme. „Anfangs gab es schon Befürchtungen“, sagt Anders. „Der Luchs frisst nun mal Rehe, das wird sich auch nie ändern. Und gelegentlich frisst er auch ein Schaf, da steckte ein gewisses Konfliktpotenzial drin.“

Er und seine Mitarbeiter hätten damals viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht, erzählt Anders. „Wir kamen uns vor wie Wanderprediger, die von Veranstaltung zu Veranstaltung gezogen sind.“ Heute lasse sich aber sagen: „Der Luchs hat hier eine sehr hohe Akzeptanz, ist schon fast ein Maskottchen für die Region.“ Inzwischen kämen sogar Touristen eigens für den Luchs in den Harz. Zu sehen bekämen ihn aber nur sehr wenige Besucher. „Möglich ist es, aber man kann es nicht planen.“

Einige Luchse sind über mehrere hundert Kilometer in andere Reviere abgewandert

Etliche Luchse haben Anders zufolge den Harz in den vergangenen Jahren verlassen, sie wanderten zum Teil mehrere Hundert Kilometer und besetzten andere Reviere. Inzwischen seien Luchse schon in mehreren Bundesländern nachgewiesen worden, im Solling und im Westerhöfer Wald in Niedersachsen auch „reproduzierende Tiere“.

Die Nachweise erfolgen zunächst durch Zufallsbeobachtungen in der freien Natur. „Wir sammeln alles, was von Spaziergängern, Förstern oder Jägern gemeldet wird“, sagt Anders. „Dann können wir mit unseren Kameras in das Gebiet gehen.“ In den vergangenen Jahren habe sich allerdings auch das genetische Monitoring sehr stark etabliert – „das heißt, dass wir Kot oder Tierhaare untersuchen lassen“.

Größere Luchs-Vorkommen gibt es außer im Harz noch im Bayerischen Wald und seit Kurzem im Pfälzer Wald. Sie leben voneinander isoliert. Langfristig müsse es gelingen, diese Populationen miteinander zu vernetzen, betont Anders. Sonst drohe eine genetische Schwächung. Zwar seien die Harzer Luchse noch gesund, es gebe keine akute Gefahr. „Aber klar, mit jeder Generation nimmt die genetische Diversität ab. Und deshalb brauchen wir auf lange Sicht die Vernetzung.“

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Um diese zu erreichen, müssten sich Luchse fest zwischen den drei bestehenden Territorien ansiedeln. „Das würde aber großen, auch politischen Vorlauf benötigen und erscheint als kurzfristige Lösung deshalb fraglich“, sagt der Luchsexperte. „Die andere Möglichkeit ist, dass die Tiere das auf ihren eigenen Pfoten realisieren. Und durch Tierkorridore über die Bundesstraßen und Autobahnen geleitet werden.“

Außerdem brauche es zusammenhängende Waldgebiete. „Der Luchs braucht und sucht den Wald“, erläutert Experte Anders. „Wenn der aus dem Wald heraustritt, dann guckt er erst mal, wo sind die nächsten Bäume.“ Um entsprechende Möglichkeiten zu schaffen, „wäre ein dickes Brett zu bohren in unserer intensiv genutzten Landschaft. Aber wir müssen versuchen, es zu bohren.“

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