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Das Viertel Es Jonquet liegt in der Nähe der Meerespromenade und des Hafens. Auch die Altstadt von Palma ist nur wenige Schritte entfernt – das zieht Touristen und Spekulanten gleichermaßen an.

© Imago / robertharding

Fischerorte auf Mallorca: Die Idylle wird zum Spekulationsobjekt

Spekulanten haben die Bewohner einer alten Fischersiedlung vertrieben. Das einst ruhige Viertel gilt jetzt als eines der angesagtesten der ganzen Insel.

Früher war die Welt in Es Jonquet noch in Ordnung. In der alten Siedlung oberhalb des Hafens von Mallorcas Hauptstadt Palma wohnten viele Fischer, Matrosen und Kaufleute, die vom Seehandel lebten. Windmühlen drehten sich und mahlten Getreide. Santa Catalina, die Schutzpatronin der Seefahrer, wachte über das Wohl der Menschen. Die Nachbarn kannten sich und formten eine Gemeinschaft.

Heute ist von dieser heilen Welt in der Siedlung Es Jonquet, die zu Palmas Stadtviertel Santa Catalina gehört, nicht mehr viel übrig. Das Fischer-und-Mühlen-Viertel hat viel von seinem historischen Charme verloren. Und es ist ein Beispiel dafür, wie Immobilienspekulation, Tourismus und Vergnügungsindustrie die alteingesessene Bevölkerung verdrängen.

An etlichen Häusern, die oberhalb der alten Stadtmauer Palmas liegen, hängt das Schild „Se vende – zu verkaufen“. Die Wohnungen sind aus verschiedenen Gründen auf dem Markt: Etwa weil die alten dort lebenden Besitzer verstarben.

Weil die Eigentümer mit hohen Mietforderungen die Bewohner vertrieben haben, um Kasse zu machen. Oder weil Immobilienhaie die Häuser kauften und nun Investoren anbieten. „In Es Jonquet werden heute Mondpreise gezahlt“, erklärt der Stadtteilforscher Albert Herranz in der Inselzeitung „Diario de Mallorca“.

Herranz hat ein Buch über die Geschichte des Viertels geschrieben. Er bedauert, dass Spekulation und Preiswucher dem historischen Geist des Quartiers den Garaus machen. Die Maklerbranche sieht dies anders.

„Der Stadtteil ist das Modeviertel Palmas“, umwirbt eine internationale Immobilienagentur die Kunden. „Hier mischt sich das schlichte, dörfliche Ambiente mit einem modernen Lebensstil.“ Die Lage sei traumhaft: Meerespromenade und Hafen sind vor der Tür, die Altstadt ist nur wenige Schritte entfernt.

„Gegenüber meinem Haus wurde für viel Geld eine Wohnung verkauft“, berichtet ein Anwohner. Sie sei in eine Ferienwohnung umgewandelt worden, die über die Plattform Airbnb angeboten werde. So geschah es mit vielen Wohnungen. Auf Airbnb kostet schon ein kleines Urlaubsapartment in Es Jonquet zwischen 1000 und 2000 Euro – pro Woche.

Ein Blick in die Maklerportale zeigt, wie es heute in Es Jonquet zugeht: Von der Branche werden Objekte mit den Worten „ideale Investition“ und „zur Ferienvermietung geeignet“ angepriesen.

20.000
Euro pro Quadratmeter kosten einige Wohnungen inzwischen

Ein Beispiel: Vier renovierte Studios, jedes rund 35 Quadratmeter groß, kosten jeweils zwischen 380.000 und 400.000 Euro, plus Steuern und Gebühren. Der Quadratmeterpreis liegt in diesem Fall bei mehr als 10.000 Euro. Aber das ist noch günstig verglichen mit Luxusangeboten im Viertel. So ist derzeit eine Penthouse-Wohnung mit 126 Quadratmetern für 2,5 Millionen Euro auf dem Markt – mit Pool auf der Dachterrasse. Hier liegt der Quadratmeterpreis bei nahezu 20.000 Euro.

Manche Wohnungen würden innerhalb kurzer Zeit mehrfach den Besitzer wechseln, schreibt der „Diario“. Vor allem aus einem Grund: „Die Häuser werden aufgekauft, modernisiert und schließlich weiterverkauft.“ Manchmal zum doppelten oder dreifachen Preis der Ausgangsinvestition.

Ich kenne eine Wohnung, die in fünf Jahren dreimal verkauft wurde – und zwar jedes Mal für mehr Geld.

Bericht in der Zeitung „Diario“

„Ich kenne eine Wohnung, die in fünf Jahren dreimal verkauft wurde – und zwar jedes Mal für mehr Geld“, berichtet ein Leser im „Diario“. Viele Käufer seien Ausländer, vor allem wohlhabende Deutsche, Briten und Skandinavier, heißt es weiter. Manche ausländische Besitzer nutzten das Objekt dann als gelegentlichen Zweitwohnsitz, um ab und zu mal ein Wochenende oder die Ferien auf Mallorca zu verbringen.

Immer mehr Ferienwohnungen und Zweitwohnsitze, viele Besitzerwechsel, ganze Gebäudeblöcke im Umbau: Das führt dazu, dass nicht wenige Häuser längere Zeit leer stehen. „Es Jonquet – millionenschwere Spekulationen in einem Geisterviertel“, titelte eine Inselzeitung.

Doch von „Geisterviertel“ kann in Es Jonquet eigentlich keine Rede sein. Denn die Anwohner beschweren sich nicht über zu viel, sondern über zu wenig Ruhe in den Straßen: Das Viertel und der umliegende Stadtteil Santa Catalina sind zu den beliebtesten Ausgehzonen Palmas geworden, und zwar für Urlauber wie für Einheimische.

Mehr als 100 Restaurants und Bars verdrängten jene kleinen Geschäfte, die früher die Bevölkerung mit dem Nötigsten versorgten. Das Nachtleben pulsiert. Und es sorgt für wachsende Konflikte mit den Bewohnern.

An vielen Balkonen, Fenstern und Fassaden prangen deswegen Plakate, mit denen gegen Lärm und unzivilisiertes Verhalten der Gastronomiebesucher protestiert wird. „Ruhe, Respekt, Rücksicht“, steht auf den Schildern. Und: „Wir müssen Es Jonquet retten.“

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