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Erziehung: Missbrauch durch Gesinnung

Ein kanadisches Mädchen kam mit Nazisprüchen am Körper in die Schule, auf dem Arm hatte sie ein aufgemaltes Hakenkreuz. Den Eltern wurde daraufhin das Sorgerecht entzogen. Zu Recht?

Eine Siebenjährige aus dem kanadischen Winnipeg trug im Unterricht ein aufgemaltes Hakenkreuz am Arm. Der erschrockene Lehrer ließ es abwaschen. Doch schon am nächsten Tag hatte das Mädchen neben einem Hakenkreuz Nazisprüche auf Armen und Beinen. Außerdem behauptete sie, Schwarze müssten getötet werden. Die Schule schaltete das Jugendamt ein, und den Eltern wurde das Sorgerecht für die inzwischen Achtjährige und ihren dreijährigen Halbbruder entzogen.

Jetzt wird die Angelegenheit vor Gericht verhandelt. Mutter und Stiefvater klagen in Winnipeg. Sie wollen jeder für sich die Kinder zurück. Sie sind inzwischen getrennt. Beide gehören offensichtlich der Neonazi-Szene an, was Sozialarbeiter laut der Lokalzeitung Winnipeg Free Press mittlerweile auch vor Gericht bezeugten. In der Wohnung wurden Neonazisymbole und Fahnen gefunden.

Die Tochter erzählte ihren Betreuern überzeugt davon, dass man Schwarze so lange auspeitschen sollte, bis sie sterben und dass sie eine Bedrohung für weiße Kinder seien. "Es ist eine weiße Welt.", sagte sie. Das Mädchen kannte die rechtsextreme Skinhead-Webseite ihrer Eltern, sogar die Passwörter wusste sie. Sozialarbeiter und Lehrer sind besorgt, dass das Mädchen von ihren Eltern aufgehetzt wurde, nicht nur gegen Schwarze sondern auch gegen andere Minderheiten. Die Mutter sagt, man wäre nur stolz, nicht rechtsradikal, und das Hakenkreuz sei lediglich ein altes Symbol für Erfolg.

Der Fall scheint offensichtlich zu sein. Man sollte diesen Eltern den Sohn und die Tochter nicht mehr anvertrauen. Denn die Eltern missbrauchen ihre Kinder für rassistischen Überzeugungen. Mal davon abgesehen, was den Seelen der Kinder angetan wird, können sie auch selbst zu einer Gefahr für Angehörige von Minderheiten werden, wenn sie derart zum Hass erzogen werden.

In den USA hat vor kurzem ein ähnlicher Fall für Aufsehen gesorgt. Der dreijährige Sohn einer Familie aus der Nähe von New Jersey heißt Adolf Hitler, eine Tochter trägt als zweiten und dritten die Namen "Arian Nation". Obwohl die Behörden die Namensgebung erst anstandslos hinnahmen, wurden die Eltern schließlich doch zum Gespräch der Nation. Und zwar nur durch einen Zufall: Sie wollten zum Geburtstag von Adolf eine Torte mit seinem Namen bestellen. Der Bäcker machte es publik. Auch diesen Eltern wurde das Sorgerecht entzogen, weil sie offenkundig Anhänger von nazistischer Ideologie sind.

Es geht also alles sein richtigen Weg? Ganz einfach ist die Antwort nicht. Der kanadische Stiefvater beruft sich auf die Meinungsfreiheit. Und Kritiker sind besorgt. Auch wenn der kanadische Fall so eindeutig ist, welche Türen würde ein dauerhafter Sorgerechtsentzug öffnen?

Wem werden demnächst noch die Kinder weggenommen? Religiösen Fanatikern? Auch sie indoktrinieren manchmal ihre Kinder und wenden Erziehungsmethoden an, die die modernen Gesellschaften nicht gut heißen können. Was ist mit Eltern, deren Überzeugungen extrem links sind? Wer kann objektiv definieren, wo der Missbrauch beginnt? Margaret Wente von The Globe and Mail verweist auf den Aktivismus in Großbritannien, wo der Vorwurf "Missbrauch" auch für Eltern gilt, deren Kinder zu dick sind. Falsche Ernährung kann man tatsächlich als eine Form der Misshandlung ansehen. Aber können Gesinnung oder Vorlieben darüber entscheiden, ob jemand Kinder haben darf?

Nun wird es wahrscheinlich auch auf anderem Weg möglich sein, die Kinder aus Winnipeg nicht ihrer Neonazi-Familie zurück zu geben. Denn neben den extremen Überzeugungen gibt es noch ein anderes Argument: das der Vernachlässigung. Die Siebenjährige ging nicht regelmäßig in die Schule, weil die Eltern noch schliefen und sie nicht weckten. Der Junge lief tagelang in einer schmutzigen Windel herum, und seine Sprachentwicklung ist verzögert. Sozialarbeiter gaben an, dass die Eltern Probleme mit Alkohol, Drogen und Gewalt haben und ihre Kinder vernachlässigten. Und der Anwalt des Jugendamts meinte schließlich, ein Kind wie eine Tafel mit Tinte zu bemalen, sei auch kriminell. (Zeit Online)

Parvin Sadigh

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