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Passagiere, die von einem Flug aus China kommen, werden bei ihrer Ankunft am internationalen Flughafen Jomo Kenyatta in Kenia auf den Coronavirus untersucht.

© dpa/ Patrick Ngugi

Erster Virusfall in Ägypten: Sorge um Corona-Ausbruch in Afrika wächst

In Afrika wurde der erste Corona-Fall bestätigt. Experten sorgen sich, denn die Gesundheitssysteme gelten als schlecht gewappnet.

Die Nachricht war dürr wie ein Kameldorn in der Wüste. In Kairo sei der erste Fall eines mit dem Coronavirus infizierten Mannes bestätigt worden, teilte das ägyptische Gesundheitsministerium vor wenigen Tagen mit: Der „Ausländer“, der keine Symptome des Virus gezeigt habe, sei in eine Isolierstation eingeliefert, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorschriftsmäßig unterrichtet worden. Später wurde bekannt, dass es sich bei dem Mann um einen Chinesen und bei der Isolierstation um ein Krankenhaus in Matrouh, gut 400 Kilometer westlich von Kairo, handelt. Mehr war der ägyptischen Regierung der Umstand offenbar nicht wert, dass es sich bei dem Mann um den ersten bestätigten Corona-Fall auf afrikanischem Boden handelte.

Vor diesem Einschnitt warnen Fachleute bereits seit Wochen. „Wenn diese Krankheit nach Afrika kommt, wird es noch dramatischer als in China werden“, orakelte Bill Gates auf einer Konferenz der „Amerikanischen Vereinigung zur Förderung der Wissenschaften“ am Wochenende im US-amerikanischen Seattle: Auf dem schwächlichen Kontinent könnten dem Virus „zehn Millionen Menschen“ zum Opfer fallen, sagte der philanthrope Microsoft-Gründer.

Trotzdem wurden die Alarmglocken auch vom Fall in Kairo nicht ausgelöst – was wohl daran liegt, dass Ägypten im öffentlichen Bewusstsein gar nicht zu Afrika gehört. Das Gesundheitswesen in dem Grenzstaat zwischen arabischer und afrikanischer Welt ist den meisten südlich der Sahara gelegenen Ländern weit überlegen. Tatsächlich sind es aber die mangelhaften Gesundheitssysteme, die den Experten beim Gedanken an die Ankunft des Virus in Afrika die größten Sorgen bereiten.

In Expertenkreisen wundert man sich, dass die Epidemie noch immer nicht im wirklichen Afrika angekommen ist – trotz der engen Verbindungen, die der Kontinent zum Reich der Mitte unterhält. Zwei Millionen Chinesen leben derzeit in Afrika, Hunderttausende afrikanischer Studenten und Geschäftsleute halten sich in China auf. Die beiden Weltregionen wurden bislang von acht Flügen am Tag direkt verbunden.

Zu der angeblichen Unfähigkeit des Virus, sich in Afrika niederzulassen, werden in den sozialen Netzwerke die kühnsten Thesen verbreitet. Dem Erreger sei es dort zu heiß, heißt es etwa. Oder auch: Afrikaner seien gegen das Virus immun. „Alles Quatsch“, meint Corona-Experte Paul Hunter, der an der englischen University of East Anglia Medizin lehrt. Wer weiß, ob das Virus nicht schon längst in Afrika angekommen ist?

„Wir leben in einem Gefängnis“

Auf allen internationalen Flughäfen des Kontinents wird die Körpertemperatur der Fluggäste gemessen. Da das Virus allerdings schon übertragen werden kann, noch bevor sein erzwungener Gastgeber überhaupt Symptome zeigt, ist diese Vorsichtsmaßnahme zumindest unzureichend. Im schlimmsten Fall wird das Virus erst viele Tage nach seiner Ankunft in einem entlegenen afrikanischen Staat entdeckt – nachdem der Patient bereits Hunderte infiziert hat.

Schon heute leiden viele Afrikaner unter dem offiziell „Covid-19“ benannten Virus, auch wenn der Erreger noch gar nicht angekommen ist. Südafrikas Hummer-Fischer können ihren Fang inzwischen nicht mehr nach China schicken – und dabei haben sie bisher 90 Prozent ihrer Beute ins Reich der Mitte gesandt. Auch die Tourismusbehörden klagen über eine Stornierungswelle – und das, wo Südafrika die Zahl seiner chinesischen Besucher in den nächsten zehn Jahren von 100.000 auf zwei Millionen steigern wollte. Kein guter Start.

Das schlechteste Los haben jedoch die rund 5000 junge Afrikaner gezogen, die im Epidemiezentrum Wuhan studieren: Sie sitzen seit Wochen in ihren Wohnungen, von der Außenwelt abgeschnitten. „Wir leben in einem Gefängnis“, klagt der südafrikanische Geschäftsmann Pieter Viljoen übers Telefon der Johannesburger Wochenzeitung „Mail & Guardian“: „Wir fühlen uns alleingelassen.“ Viele Staaten haben ihre in der Krisenregion lebenden Bürger längst evakuiert. Selbst die nordafrikanischen Länder Marokko, Algerien und Ägypten haben ihre Landsleute aus China ausgeflogen.

Dagegen sind der Regierung von Senegal die Kosten für einen Evakuierungsflug zu hoch. Und Südafrikas Regierung will vom schlechten Zustand der Landsleute noch gar nichts gehört haben. „Wir haben keine Ahnung, wer auf die Idee von den verzweifelten Leuten gekommen ist, die nach Südafrika zurückkommen wollen“, sagte Außenministerin Naledi Pandor am Wochenende im Radio.

Dabei hätte sie nur mal in die Zeitung schauen müssen. In der Zeitung „Mail & Guardian“ wird der in Wuhan unterrichtende Lehrer François Daneel zitiert: „Die Dinge werden schlimmer und schlimmer. Wir sitzen allein in unseren Verschlägen.“ Vielen afrikanischen Studenten geht bereits das Geld für Lebensmittel aus, deren Preis sich in den vergangenen Wochen verzehnfacht hat. Das afrikanische „Centre for Disease Control“ appellierte jetzt an die Regierungen des Kontinents, ihre Landsleute aus Wuhan zu holen.

Johannes Dieterich

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