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Mehr als zwei Kilometer werden durch die neue Brücke überspannt.

© imago/Milan Sabic

Brückenschlag am Mittelmeer: Eines der größten EU-Strukturprojekte steht nun in Kroatien

Von Europa bezahlt, von Chinesen errichtet: Der mehr als zwei Kilometer lange Peljesac-Bau wird Reiserouten an der Adria ändern

Hoch ragen die sechs Pylone über den noch unberührten Brückenasphalt in den blauen Adria-Himmel. Die Namensschilder an Kroatiens größter Meeresbrücke sind montiert. Nur an den Zufahrtsstraßen zur neuen Peljesac-Brücke werden noch hektisch letzte Arbeiten verrichtet.

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Ein in Kroatien gefertigter Flüsterflitzer des Elektromotor-Pioniers Mate Rimac soll am heutigen Dienstag als erstes Fahrzeug über die neue Meeresbrücke rollen, die Süddalmatien endlich mit dem Rest des Landes verbinden wird.

Die für diesen Mittwoch geplante Eröffnung des 2404 Meter langen Brückenschlags vom kroatischen Festland auf die Peljesac-Halbinsel ist nicht nur für Reisende auf dem Weg nach Dubrovnik eine touristische Zeitenwende: Auch die Bewohner Südkroatiens können sich zeitraubende Grenzkontrollen bei der Fahrt durch Bosniens neun Kilometer breiten Meereszugang bei der Ortschaft Neum künftig ersparen.

Ein Umweg wird zur Abkürzung

Ein Adria-Umweg als Abkürzung: Die Umfahrung des Neum-Korridors plus gut 30 neue Autobahnkilometer werden nicht nur die Reisezeiten verkürzen und Süddalmatien besser mit dem Rest des Landes verbinden. Von der kostspieligen Meeresbrücke verspricht sich der Adria-Staat auch eine wirtschaftliche Neubelebung der Region Dubrovnik sowie der von Abwanderung geplagten süddalmatischen Inseln Korcula, Lastovo und Mljet.

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Einfach war die Überbrückung der Bucht von Mali Ston keineswegs. Wegen finanzieller Probleme, aber auch wegen Widerständen im benachbartesna, das um seinen freien Meereszugang fürchtete, wurden die im Jahr 2007 begonnenen Bauarbeiten am ersten Brückenprojekt zunächst verzögert – und 2010 endgültig gestoppt. Erst Kroatiens EU-Beitritt 2013 brachte Bewegung in die auf Eis gelegten Brückenpläne.

Der Neum-Korridor, der ein zweimaliges Passieren einer EU-Außengrenze nötig macht, erwies sich als eines der größten Hindernisse für Kroatiens geplanten Beitritt zur Schengen-Zone. Alternative Optionen wie der Bau eines Meerestunnels, neue Fährdienste oder Überlegungen, einen exterritorialen EU-Korridor durch Bosnien anzulegen, wurden diskutiert. Und allesamt verworfen.

Von Europa bezahlt, von Chinesen gebaut

Stattdessen ließ Zagreb in Absprache mit den bosnischen Nachbarn vom slowenischen Ingenieur Marjan Pipenbaher ein Brückenkonzept entwerfen, dessen Verwirklichung vor allem Brüssel zu verdanken ist. 2018 sagte die EU zu, 85 Prozent der auf 418 Millionen Euro veranschlagten Kosten zu übernehmen. Neben der U-Bahn im portugiesischen Porto ist die Peljesac-Brücke eines der kostspieligsten Infrastrukturprojekte, das die EU jemals finanziert hat.

Die Brücke wurde zwar weitgehend von Europa bezahlt, aber von Chinesen gebaut. Wegen des günstigsten Angebots und der kürzesten Baudauer erhielt bei der Ausschreibung der chinesische Staatskonzern CRBC den Zuschlag für den Bau der Spannbetonbrücke. Mit dem wegen nötiger Tunnel und Viadukte sehr aufwendigen Bau der Zufahrtsstraßen wurde die österreichische Strabag sowie der griechische Avax-Konzern beauftragt.

Erdbebensicher und mit Rücksicht auf die Austernzucht

Die Brückenbauer hatten zahlreiche Bedingungen und Tücken zu beachten. Einerseits durfte die Brücke ausschließlich über kroatisches Gewässer führen und musste auf Drängen Sarajevos hoch genug sein, damit auch größere Schiffe noch das bosnische Neum ansteuern können. Andererseits wurde die Brücke in einem Erdbebengebiet mit regelmäßigen Stürmen errichtet. Zudem durfte deren Bau keinesfalls die auf klares Wasser angewiesene Austernzucht in der Bucht von Mali Ston gefährden.

Hohe Windschutzwände an den Fahrbahnen sollen die Passage auch an stürmischen Tagen ermöglichen. Zumindest die ersten unfreiwilligen Erdbebentests bei kleineren Beben im nahen Bosnien hat die Brücke unbeschadet überstanden. Dennoch werden bei den den nun umfahrenen EU-Nachbarn in Bosnien auch Sorgen laut: Der Wegfall des Transittourismus dürfte der Gastronomie in Neum Einnahmeverluste bescheren.

Die Brücke ist hoch genug, dass auch Kreuzfahrtschiffe unter ihr Platz haben.

© imago/Milan Sabic

Doch die lange Vorlaufzeit hat es Sarajevo ermöglicht, negative Folgen des Brückenbaus abzufedern. Mithilfe günstiger Kredite von Europäischer Investitionsbank (EIB) und Weltbank wurde in den vergangenen beiden Jahren eine Fernstraße von Stolac nach Neum gebaut – und so die Anbindung ans bosnische Hinterland und nach Mostar verbessert.

In Neum blüht der "Hochzeitstourismus"

Bereits in den vergangenen Corona- Sommern erlebte Bosniens verschlafener Küstenort wegen des vermehrten Andrangs von heimischen, aber auch serbischen Touristen einen ungekannten Boom. Kroaten wiederum steuern das schmucklose Neum schon seit einigen Jahren wegen der geringeren Kosten vermehrt für die Ausrichtung von Familienfesten an: Allein der blühende „Hochzeitstourismus“ dürfte einen Teil der Einnahmeausfälle aus dem Transittourismus kompensieren.

Die bessere Anbindung ans Hinterland macht Bosniens bisher kaum angesteuerten Küstenstrich nun auch für die Kreuzfahrtriesen interessant: Von Neum lassen sich dank der neuen Straße leicht Tagesausflüge nach Mostar, die Wasserfälle von Kravica oder den Wallfahrtsort Medjugorje organisieren.

Die ursprüngliche Kostenkalkulation ist kaum zu halten

Auch wenn die Peljesac-Brücke selbst rechtzeitig fertiggestellt wurde, sorgte die Pandemie vor allem bei den Zufahrtsstraßen für Bauverzögerungen – und verhinderte die eigentlich noch vor Beginn der Sommersaison geplante Eröffnung. Auch die Folgen des Ukraine-Kriegs sind an den Bauarbeiten nicht spurlos vorübergegangen. Wegen der stark gestiegenen Preise für Strom und Baumaterialien wird sich die ursprüngliche Kostenkalkulation wohl kaum einhalten lassen.

Wie die bald über die Brücke donnernden Touristen müssen sich auch die Bewohner von Ston mit der Fertigstellung der neuen, acht Kilometer langen Umgehungsstraße gedulden: Noch bis zum Jahresende wird sich der Transitverkehr durch die mittelalterliche Kleinstadt quälen. 2029 soll die neue Brücke Teil der geplanten Autobahn nach Dubrovnik werden. „Wir verbinden unser Territorium“, sagt Verkehrsminister Oleg Butkovic.

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