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Er ist ein erfahrener Alpinist: Der österreichische Bergsteiger Geri Winkler auf den letzten Schritten vorm Gipfel des Mount Everest.

© imago images / imagebroker/giovannini

Der tödliche Mount Everest: Der Massentourismus muss ein Ende haben

Acht Tote in vier Tagen sind zu viel: Das Dach der Welt ist nichts für wenig trainierte Hobbykletterer. Der Zugang muss stärker begrenzt werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ingrid Müller

Die Welt will Helden. Und viele möchten Helden sein. Offenbar aber zu viele am Mount Everest.

Hier suchen jedes Jahr mehrere hundert Menschen eines der letzten Abenteuer der Erde. In fast 9000 Metern Höhe wollen sie sich wohl den Kick ihres Lebens holen. Das fordert jeden Körper ungemein, bringt ihn an seine Grenzen. Wer allein schon mal versucht hat, auf 4000 Metern kräftig durchzuatmen und voranzukommen, ahnt, welche Kräfte so viel weiter oben in schwierigster Umgebung und fordernden Temperaturen auf einen Menschen einwirken. Es hat etwas Unmenschliches.

Viele, allzu viele Bergsteiger hat ihr Wunsch, einmal auf dem Dach der Welt gewesen zu sein, in jüngster Zeit über ihre Grenzen gebracht: acht Tote in den vergangenen vier Tagen, zehn seit Beginn der Hauptklettersaison. Die Saison ist kurz dort oben, die Zugangsgenehmigungen pro Jahr sind bereits begrenzt.

Aber bei gutem Wetter machen sich offenkundig inzwischen viel zu viele auf den Weg. Das aktuelle Foto eines Sherpas spricht für sich. 200 Kletterer im Stau, auf einer Strecke, auf der selbst Extrembergsteiger nicht zu lange unterwegs sein wollen. Und leider sind unter ihnen wohl auch immer mehr zu schlecht vorbereitete Menschen.

Es reicht. Die Verantwortlichen müssen dringend ihr System überdenken – und auch direkt am Berg den Zugang regulieren. Ja, der Aufstieg ist extrem teuer. Aber das alles darf nicht länger zu solchen Wahnsinnstouren führen. Die Kletterer, die sich nach dem Kick sehnen, können die Gefahr selbst kaum einschätzen, wenn sie sich mit ihren Bergführern auf den Weg machen. Niemand aber – weder Sherpa noch zahlender Kletterer – sollte auf eine solche Todestour geschickt werden. Im Interesse aller. Denn der Stau gefährdet am Ende alle. Und selbst wenn ein Kletterer jedes Risiko eingehen wollte: Es gibt kein Recht auf den Tod vor den Augen der Welt.

Finanzielle Potenz darf kein Zugangskriterium sein

Deshalb sollte zum einen für den Aufstieg auf einen Achttausender ein Mindestmaß an nachgewiesenem Training Voraussetzung sein, jenseits finanzieller Potenz. Und Genehmigungen sollten im Zweifel aufs kommende Jahr übertragen werden, wenn zu viele Kletterer auf einmal unterwegs sein wollen oder es einige in einer Saison wegen des Wetters nicht auf den Berg schaffen können. Wenn ein Konzert ausfällt, bleibt ein Ticket oft auch gültig.

Es geht um viel Geld, sehr viel Geld. Aber mit keiner Summe ist ein Leben zu bezahlen. Vielleicht muss dann auch überlegt werden, ob über einen Fonds den Anrainern gegebenenfalls ein Ausfall gezahlt werden sollte, damit sie eine Beschränkung auf weniger Devisen bringende Kletterer leichter mittragen können.

Die Saison 2019 geht schon bald wieder zu Ende. Alle Verantwortlichen sollten sich jetzt zusammensetzen und überlegen, wie es weitergehen soll. Das wird nicht einfach. Ein neues System zu installieren, ist aus vielen Gründen kompliziert. Aber es muss sein.

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