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Da kommt was ins Glas. Eierlikör ist besonders zur Osterzeit beliebt, inzwischen wird er nicht nur pur, sondern gerne auch als Mixgetränk getrunken – vor allem in der Altersklasse unter 40.

© Shotshop/Imago

Das Comeback des Eierlikörs: Von wegen nur für ältere Damen

Eierlikör ist etwas für ältere Damen? Von wegen! Er ist gerade wieder richtig hip. Ehrenrettung eines Kultgetränks.

Von Katrin Schulze

Zeit, endlich mit einem Klischee aufzuräumen. Damit, dass Eierlikör vor allem auf den Tisch kommt, wenn ältere Damen sich zu einer Tratschrunde treffen oder Udo Lindenberg in der Nähe ist. Wer das noch glaubt, hat ganz offensichtlich ein paar geschmackliche Entwicklungen verpasst. „Eierlikör war bis vor einigen Jahren sicherlich bei vielen Menschen nicht das hippste Getränk. Doch das hat sich deutlich geändert“, sagt Patricia Wöllner, die als Produktmanagerin bei Nordbrand Nordhausen arbeitet, einem Tochterunternhmen der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien.

Sie weiß zu berichten, dass Eierlikör inzwischen als „richtig cool und angesagt“ gilt. Der Absatz habe sich deutlich vergrößert, aber eben auch der Käuferkreis. 3,6 Millionen Flaschen Eierlikör hat alleine Nordbrand Nordhausen im Jahr 2021 verkauft. „Das entspricht einem Wachstum von zehn Prozent, Tendenz deutlich steigend“, sagt Wöllner. „Das sind für eine Likör-Spezialität sensationelle Zahlen.“ Der Trend geht zum guten alten Eierlikör. Woran liegt das nur?

Eierlikör lässt sich recht einfach zu Hause anfertigen

Zum einen wahrscheinlich an den vielen Möglichkeiten. Eierlikör wird natürlich besonders gerne an den Ostertagen getrunken, pur aus dem Glas oder im beliebten schokaladenbeschichteten Waffelbecher. Cremig, sahnig, dick- oder dünnflüssig – wie es beliebt. Allerdings eignet er sich auch hervorragend als Mixgetränk, Kreationen mit Sekt und Aperol etwa machen aktuell die Runde. Dazu kommen Punschvarianten an kalten Tagen sowie Pralinen- und Tortenmischungen. Und in einigen Teilen dieses Landes wird man mit Freude an den Schwedeneisbecher denken: Vanilleeis plus Krokant plus – Eierlikör selbstverständlich.

Eine andere Erklärung für die Popularität kommt ein bisschen überraschender. Wöllner sagt, bei einer Umfrage für ihr Unternehmen gaben 40 Prozent der Menschen an, ihnen sei die Herkunft ihres alkoholischen Getränks wichtig. Neben den allseits bekannten Herstellern finden sich in den Regalen der Supermärkte Flaschen regionaler Anbieter. „Jeder Händler – egal, ob das Warenhaus, der Discounter oder der Edeka um die Ecke – hat immer Eierlikör im Regal“, erzählte einer der ganz großen Produkthersteller, William Verpoorten, vor einer Weile dem „Handelsblatt“. Verpoorten verortet Eierlikör in der deutschen Spirituosen-Beliebtheitsskala auf Platz drei hinter Aperol und Ramazotti. Zur Popularität trägt bei, dass sich gerade Eierlikör recht einfach zu Hause in Eigenregie anfertigen lässt.

Udo Lindenberg genehmigt sich auf der Bühne auch mal gerne einen Eierlikör.
Udo Lindenberg genehmigt sich auf der Bühne auch mal gerne einen Eierlikör.

© Imago

Stichwort Herkunft: Was sich nach einem typisch deutschen Likör anhört, kommt in Wirklichkeit vom anderen Ende der Welt. Der Überlieferung nach sollen Seefahrer im 17. Jahrhundert bei Ureinwohnern am Amazonas auf ein leckeres Erfrischungsgetränk mit Avocada gestoßen sein, verfeinert mit Rohrzucker und Rum ergab das ein erheiterndes Schnäpschen namens „Advocaat“. Ärgerlich nur, dass die Avocados auf dem langen Weg zurück vergammelten und hier auch rar waren. Eugen Verpoorten, ein Vorfahr von William, soll es gewesen sein, der auf die Idee kam, die gewünschte Cremigkeit des Getränks statt mit Avacodos einfach mit Eigelb zu erreichen. Gesagt, getan.

1876 gründete er in Heinsberg bei Aachen seine Firma, die Eierlikör erstmals kommerziell herstellte. Der Beginn einer Erfolgsgeschichte: William Verpoorten leitet das Unternehmen nunmehr in fünfter Generation . „Ei, Ei, Ei …“ – wer kennt ihn nicht, den eingängigen Werbeslogan der Marke, der sich seit 1961 nicht verändert hat? Entlehnt wurde er vom Schlagerlied „Ay, Ay, Ay, Maria aus Bahia“, zu dem es die Deutschen in den 1960er auf die Tanzflächen des Landes zog. Eierlikör- Boomzeit. „In den 60ern wurde Eierlikör auf der geklöppelten Decke serviert und aus der Likörschale zum Kaffee getrunken“, sagte Verpoorten.

Oma hätte die Renaissance des Eierlikörs gefreut

Daher wohl auch das Klischee, das sich bis heute gehalten hat. Der Altersdurchschnitt der Käufer:innen liegt Firmenangaben zufolge heutzutage jedoch gerade einmal bei 44 Jahren. Der immer noch bekannteste Eierlikör-Fan ist schon ein bisschen älter. Udo Lindenberg, mittlerweile 75, genehmigt sich auf und neben der Bühne gerne mal einen. Er würde wohl unterschreiben, was William Verpoorten behauptet: dass Eierlikör eigentlich nie out war.

Mit einer derartigen Renaissance seines Produkts hat der Unternehmer allerdings wohl selbst auch nicht gerechnet. Seine Tochter Viktoria, die die Tradition des Hauses fortführt, spricht gar von einem „gewissen Hype um Eierlikör, ähnlich wie bei Gin“. Oma hätte es gefreut. Darauf ein Likörchen!

So gelingt der Likör:
Der klassische Eierlikör besteht aus Eiern, Alkohol und Zucker oder Honig. Um dem Likör mehr Cremigkeit zu verleihen, erhält er oft Sahne. Als Alkoholgrundlage kann Rum, Doppelkorn oder Wodka dienen. Für einen Liter Eierlikör benötigt man: 8 frische Eigelb, 1 Päckchen Vanillezucker, 250 Gramm Puderzucker, 1 Dose Kondensmilch und 250 Milliliter weißen Rum. So kann’s gehen:

Eigelb und Vanillezucker in einer Schüssel verrühren. Puderzucker, Kondensmilch und Rum nach und nach dazugeben und die Masse mit einem Schneebesen über heißem Wasserbad cremig schlagen. Wenn der Likör selbst zubereitet wird, sollte man ihn nicht zu lange aufbewahren. In jedem Fall sollte auch ein professionell hergestellter Eierlikör nach dem Öffnen kühl gelagert werden. Am besten schmeckt er bei einer Temperatur von etwa 10 Grad. Es ist also ratsam, die Flasche ein bis zwei Stunden vor dem Genuss aus dem Kühlschrank zu nehmen.

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