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© Reuters

Oscar-Favoritin: Carey Mulligan und das gewisse Etwas

Die Schauspielerin Carey Mulligan gilt als Entdeckung des Jahres – ihre Rolle in „An Education“ macht sie zur Oscarfavoritin.

Der Aufstieg ist rasant. Noch vor einem Jahr wurde die britische Schauspielerin Carey Mulligan auf der Berlinale als European Shooting Star vorgestellt. Das ist ein Programm für junge, vielversprechende Schauspieler, die (noch) niemand kennt. Nun, ein Jahr später, ist sie für ihre Rolle in „An Education“ als beste Hauptdarstellerin für den Oscar nominiert, neben Meryl Streep und Sandra Bullock. Manche sprechen schon von der neuen Audrey Hepburn. Das Gerücht, dass sie die Hauptrolle in der Neuverfilmung von „My Fair Lady“ übernehmen soll, dementiert die Britin allerdings – noch.

Ein Film, und schon berühmt, mit 24 Jahren. Audrey Hepburn gelang das 1953 mit ihrem Debüt in William Wylers „A Roman Holiday“, als junge Prinzessin auf Abwegen. Auch Carey Mulligan ist 24, als sie die Rolle der Jenny annimmt, in „An Education“. Der Film der Dänin Lone Scherfig („Italienisch für Anfänger“) nach einem Drehbuch von Nick Hornby spielt in den sechziger Jahren, in einem Londoner Arbeiterbezirk, und ist die Geschichte einer Emanzipation, eines Erwachsenwerdens. Es ist die Zeit von Hula Hoop und ersten Zigaretten, Schuluniform und Juliette-Gréco-Platten. Und Emma Thompson gibt die strenge Schulleiterin, die Affären ihrer Schülerinnen nicht dulden kann.

Carey Mulligan spielt Jenny, den stillen Star ihrer Klasse. Eine Sechzehnjährige, die brav Schuluniform und Kniestrümpfe trägt, für ihre Oxford-Aufnahmeprüfung büffelt, Cello spielt im Schulorchester und der das Leben in ihrem kleinbürgerlichen Elternhaus viel zu glanzlos ist, zu langweilig, zu bieder. Und die deshalb nur zu bereitwillig folgt, als der ältere, charmante David in ihr Leben tritt. Plötzlich locken Konzerte und Dinnerpartys, man ersteigert auf Auktionen präraffaelitische Gemälde, fährt für ein Wochenende nach Oxford. Unter Anleitung der eleganten Helen wird aus dem Schulmädchen ein Schwan: aufgesteckte Haare, Etuikleider, Lippenstift und Seidentücher, Champagner und ein roter Bristol. Es folgen: ein Parisausflug, der erste Sex, ein Heiratsantrag. Und eine Enttäuschung. Am Ende ist Jenny erwachsen geworden, auch wenn sie noch einmal die Schuluniform trägt.

Wo liegt das Besondere, der Zauber? Bei Audrey Hepburn wie bei Carey Mulligan ist es vor allem: das Lächeln. Entwaffnend. Noch kindlich, etwas naiv. Und unendlich strahlend, glamourös. Dieses Schulkind, das die Haare offen trägt und den Babyspeck noch im Gesicht hat, mit süßen Grübchen. Sie kann ihren Blick aufleuchten lassen, dass das ganze Wesen vibriert vor Erwartung. Sie kann die Verwandlung vom Kind zur jungen Frau in Sekundenbruchteilen vollziehen, und wieder zurück, in einer Mischung von Schüchternheit und Selbstbewusstsein.

Inzwischen trägt Carey Mulligan ihr Haar kurz und blond gefärbt – ähnlich übrigens wie Mia Wasikowska, die die Hauptrolle in Tim Burtons „Alice im Wunderland“ spielt und als die zweite Entdeckung der Saison gilt. Carey Mulligan lebt inzwischen mit ihrem Kollegen Shia LaBeouf zusammen, den sie 2009 bei den Dreharbeiten zu Oliver Stones „Wall Street: Money Never Sleeps“ kennenlernte. Außerdem hat sie die Hauptrolle in Mark Romaneks Verfilmung von Kazuo Ishiguros gefeiertem Science-Fiction-Roman „Never Let Me Go“ (deutscher Titel: „Alles, was wir geben mussten“) übernommen: auch das eine Schulgeschichte.

In „An Education“ träumt Jenny davon, Englisch zu studieren, in Oxford. Und nimmt in der Schule gerade „Jane Eyre“ durch, die Liebe der Gouvernante Jane zum rätselhaften Mr. Rochester.  Auch für Carey Mulligan selbst war Literatur der Ausgangspunkt: Wie so oft für britische Schauspielerinnen führte auch für sie der Weg zum Ruhm über Literaturverfilmungen. Und wie immer sind es die Evergreens: Jane Austen und Charles Dickens. In der US-Verfilmung von „Stolz und Vorurteil“ von 2005, in der Keira Knightley die Rolle der Elizabeth spielte, war Carey Mulligan die jüngste Schwester Kitty, ein Flattergeschöpf, pubertär, vergnügungssüchtig, naiv: ein aufregendes Kinodebüt. Im gleichen Jahr spielte sie die Waise Ada in der gefeierten BBC-Serie, die Charles Dickens’ „Bleak House“ geschickt modernisierte. Ein Gerichtsdrama aus dem finstersten 19. Jahrhundert, und dazwischen eine junge, tragische Liebe. Zwei Jahre später war es noch einmal Jane Austen, ihr Gruselroman „Northanger Abbey“, und Carey Mulligan spielt Isabella, die flirtfreudige Freundin der Heldin Catherine Morland (Felicity Jones). Doch am kommenden Sonntag dürfte die Zeit der Nebenrollen für Carey Mulligan endgültig beendet sein. Die Zeit der BBC-Literaturverfilmungen wohl auch.

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