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Alexander McQueen: Zweite Heimat

Alexander McQueen war ein scheuer Star der Modebranche. Nur eine Fotografin ließ er Wohnung und Atelier besuchen.

Jahrelang stand der Designer Alexander McQueen im Rampenlicht der Modeindustrie. Zuerst mit dem eigenen Label, das der Brite 1993 gründete, von 1997 bis 2001 als Chefdesigner für das Pariser Luxuslabel Givenchy, und bis zu seinem Tod im Februar 2011 als Kreativchef der eigenen, immer größer werdenden Marke. Es gibt Tausende Fotos von seinen Modeschauen, von Empfängen und Partys, aber nur eine Fotografin durfte ihn zu Hause besuchen: Anne Deniau.

„Reserviert, schüchtern, beinahe zärtlich“, so beschreibt die zierliche Französin den Designer. Man ist geneigt, ihr dieselben Attribute zuzugestehen. Sie redet leise, und wenn sie lacht, klingt das wie ein Spatzenzwitschern. Vergangene Woche stellte sie in Berlin ihren Fotoband mit vielen unveröffentlichten Bildern von McQueen und seinem Werk vor, im Gespräch beschrieb sie die Wohnung des Designers als „Kuriositätenkabinett“: „Er hatte Kunst von Damien Hirst in der Wohnung, Fotografien von JoelPeter Witkin an der Wand, ein Skelett stand in einem Zimmer, auf einer Kommode lagen Steine, antiker Schmuck und Gürtelschnallen aus dem 17. Jahrhundert.“ Andenken an Reisen, Geschenke von Freunden, Funde auf Flohmärkten.

Sie nennt McQueen konsequent „Lee“ – sein erster Vorname, unter dem ihn Freunde kannten. Lee war der Mann, der sie fragte: Willst du mein Schlafzimmer sehen? Und sie den Vorschlag ablehnte. „Zu intim“, sagt sie. Sie waren Freunde, nie Liebhaber, er war schwul, sein Bett zu sehen, damit hätte sie eine Grenze übertreten. „Ich habe kurz ins Zimmer hineingesehen. Es war komplett dunkel.“

Viel wurde nach seinem Tod von McQueens dunkler Seite geschrieben, von Depressionen, denn der 40-Jährige hatte sich einen Tag vor dem Begräbnis seiner Mutter erhängt. Das tat er in seinem Haus in der Green Street, nicht in jener Wohnung, wo Deniaus Bilder 2000 entstanden: nahe der Angel Street im Nordosten Londons. Mc Queen gab ihr drei Mal zehn Minuten Zeit, um Porträts zu schießen. Zwischendurch wühlte er in Schränken nach Kleidung, zog sich um. Zwei Rollen Film, jeweils mit 16 Bildern, fotografierte Deniau pro Outfit.

Ein Bild der Serie hängte sich der Designer ins Wohnzimmer, in denselben Raum, in den er Freunde einlud. „Und dann schauten alle zusammen die Sitcom ‚Friends’ an. Er liebte diese Serie.“ Das andere Bild im schwarzen Pullover, das oben auf dieser Seite steht, liebte er aus einem anderen Grund. „Er fragte mich: Sehe ich mit diesem Gesichtsausdruck nicht ein wenig wie Armani aus? Und grinste.“

Das andere Zuhause McQueens war das Atelier. Dort lernten sich die Fotografin und der Designer im Januar 1997 kennen, als beide für Givenchy arbeiteten. Im Trainingsanzug kam er manchmal zur Arbeit, im Büro mit Aussicht auf die Avenue Charles V. liefen die Models auf und ab, wenn McQueen die Entwürfe kontrollierte – und manchmal schlief er hier auf Stoffballen, wenn es abends spät wurde. „Das war sein zweites Heim“, sagt Anne Deniau. Richtig wohl fühlte er sich woanders: „In den eigenen vier Wänden.“

Anne Deniau: Love Looks Not With The Eye, Knesebeck Verlag München. Eine Ausstellung mit einigen Bildern läuft bis zum 14.10. im Murkudis Store, Potsdamer Str. 81 E.

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