zum Hauptinhalt
Mit vereinten Kräften. In Kontakt mit der Familie bleiben, Bilder verschicken, Geld überweisen: All das geht mit digitalen Hilfsmitteln besser – sofern man sie beherrscht.

© Ksenia Apresian

Online Banking ü70: Mit der Datenschleuder umgehen

Die Nachfrage nach Computerkursen für Senior:innen hat stark zugenommen. Weiterbilden können sich Interessenten unter anderem in VHS-Kursen.

Ein wenig skeptisch schaut Sigrun W. aus Friedenau auf ihr neues großes Smartphone, das mit hellblau leuchtendem Display vor ihr auf dem Tisch liegt. „Ich habe mich lange gegen ein Smartphone gewehrt“, sagt sie. „Aber jetzt musste ich mir so eine Datenschleuder zulegen.“ In der Hand hält sie ihr altes Mobiltelefon, ein kleines, schwarzes Handy, wie man es heute nur noch selten sieht. „Ich habe immer dieses Gerät benutzt, damit kann ich auch Nachrichten schreiben und telefonieren“, erzählt sie. Aber im Bekanntenkreis nutzten alle die praktischen Messenger-Apps und wollten für Bilddateien nicht mehr extra eine E-Mail an sie schicken. Somit passe sie sich jetzt an.

Gemeinsam mit sieben weiteren Senior:innen erweitert sie an der VHS Tempelhof-Schöneberg in der Alten Mälzerei ihre digitalen Kompetenzen. Im Kurs „Einfach erklärt: Smartphone/Tablet für Senior:innen“ lernen die Teilnehmer:innen in fünf Terminen Grundlegendes über ihr digitales Gerät: Nachrichten abrufen und schreiben, den Wecker einstellen, den Kalender benutzen. Auch die Verwendung des mobilen Internets und die Bedienung von Kamera, Foto-Galerie und Google Maps stehen auf der Agenda.

Besonders Online Banking ist gerade ein gefragtes Thema

Das größte Interesse in digitalen Seniorenkursen haben die Teilnehmer:innen an der Verwendung des Smartphones, beobachtet Kursleiterin Annette Kilian-Klass. Kontakte mit der Familie, Bilder versenden und empfangen stehen im Vordergrund, vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie. „Die meisten haben schon Whatsapp-Kenntnisse, sie wollen aber mehr wissen“, so die Kursleiterin. Zum Beispiel über das Speichern von Dateien in der Cloud oder Online-Banking. Weil die Gebühren für Überweisungen gestiegen seien, verlegten viele Ältere den Zahlungsverkehr ins Internet.

Maria Thalke aus Pankow nutzt ihr Smartphone schon seit fünf Jahren, zum Beispiel für E-Mails, Hotel- und Ticketbuchungen. Für das Transponieren und Lesen von Notenblättern sei ihr der Handy-Bildschirm zu klein, sagt die 67-jährige Musikerin. Deshalb habe sie sich ein Tablet zugelegt. Um sich einen sicheren Umgang mit dem neuen Gerät anzueignen, fährt sie aus dem etwa eine Autostunde entfernten Pankow hierher. „Ich habe in der Suchmaske der Volkshochschulen eingegeben, welche Inhalte mich interessieren, und nur hier einen passenden Kurs gefunden“, berichtet sie.

Die meisten haben schon Whatsapp-Kenntnisse, sie wollen aber mehr wissen

Annette Kilian-Klass

Knapp über 100 Angebote zum Thema Computer und Internet für Menschen ab 55 Jahren werden bei der Online-Suche für das aktuelle Semester der Berliner Volkshochschulen angezeigt. Im Vergleich zum Jahr 2018/19 haben sich die Computerkurs-Angebote an der VHS Tempelhof-Schöneberg mehr als vervierfacht. Insbesondere im laufenden Jahr seien die Kurse stark ausgebaut worden, sagt Indra Kühlcke, Direktorin der VHS Tempelhof-Schöneberg.

Besonders bei Menschen ab 65 Jahren sind digitale Angebote beliebter geworden

Eine im Januar 2022 erschienene Studie vom Bitkom e. V., dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, stellte heraus, dass Corona bei älteren Menschen einen wahren Digital-Boom ausgelöst hat. Demnach nutzen Menschen ab 65 Jahren digitale Technologien zu 75 Prozent häufiger als vor der Pandemie.

Im Achten Altersbericht der Bundesregierung von 2020 appelliert die Kommission an alle älteren Menschen, „sich dem digitalen Wandel nicht zu verschließen“. Zwar solle niemand gezwungen werden, gegen seinen Willen etwas Neues zu lernen. Es könne aber nicht sichergestellt werden, dass es immer analoge Alternativen zu digitalen Angeboten gebe.

Ganz freiwillig ist die Umstellung also nicht immer. In der Pandemie seien digitale Kenntnisse für manche Aktivitäten notwendig geworden, etwa wenn man sich für den Museumsbesuch online registrieren musste, so Kilian-Klass. „Ich versuche in den Kursen auch Ängste zu nehmen“, sagt sie. „Viele befürchten, dass sie aus Versehen etwas kaufen, etwas Falsches anklicken oder kaputt machen.“

Annette Kilian-Klass nutzt ein Smartphone zur Kommunikation und ein Tablet zum Lesen, Sport machen und Film gucken. „Schon in jungen Jahren war ich ein Computer-Fan“, erzählt sie. Seit 1999 leitet sie Computer- und Digitalkurse für Senior:innen. Mit 65 Jahren ist sie mittlerweile älter als einige Teilnehmer:innen. „Vor 20 Jahren hatte ich noch die Altersgruppe 50 plus in den Kursen, jetzt sind es eher Altersgruppen von 70 bis 80 plus.“ Die Generation 60 plus könne digitale Geräte normalerweise bedienen – bis auf diejenigen, die sich bisher nicht an die Technik getraut hätten.

Wichtig für den Einstieg: ein großer Bildschirm und ein aktuelles Betriebssystem

Wer sich sein erstes Smartphone anschaffen will, dem empfiehlt Annette Kilian-Klass für den Anfang eher ein günstiges Gerät. Man könne zum Üben auch ausgemusterte Geräte von den Kindern verwenden. Wichtig sei aber, dass das Betriebssystem aktuell sei, wegen der Sicherheits-Updates. Auch ein großer Bildschirm sei sinnvoll, so Kilian-Klass.

Sigrun W. aus Friedenau schaut auf ihr neues großes Smartphone. Im Kurs lernt sie, Unsicherheiten zu überwinden und die Technik für sich zu nutzen.

© Ksenia Apresian

Der Achte Altersbericht gibt an, dass „ältere Menschen genauso wie Menschen anderer Altersgruppen im Rahmen ihrer jeweiligen individuellen Möglichkeiten und sozialen Netzwerke grundsätzlich kompetent und verantwortungsvoll ihr Leben gestalten – auch in Bezug auf digitale Technologien.“ Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V. (BAGSO) fordert in einer Stellungnahme einen „Digitalpakt Alter“: Älteren Menschen sollten in allen Kommunen niedrigschwellige Angebote für Digital-Kurse zur Verfügung stehen.

Digitale Teilhabe bedeutet auch mehr gesellschaftliche Teilhabe

Digitalisierung im Alter bedeutet mehr soziale, gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe. Laut der 2021 vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) veröffentlichten SIM-Studie („SIM - Senior:innen, Informationen, Medien“) gibt es angesichts der dynamischen technischen Entwicklungen auch auf lange Sicht einen kontinuierlichen Unterstützungsbedarf. Internetdistante Personenkreise könnten sich nicht nur digital ausgegrenzt, sondern auch gesellschaftlich entfremdet fühlen, heißt es in der SIM-Studie.

Zwar hätten 78 Prozent der befragten Personen ab 60 Jahren einen W-Lan-Anschluss, ein Smartphone mit umfangreichen Funktionalitäten sei bei 72 Prozent der Haushalte vorhanden. Doch nur 60 Prozent aller befragten Personen trauten sich zu, einfache Aufgaben im Internet erledigen zu können und 30 Prozent würden sich eine Videokommunikation mit einem Arzt oder einer Ärztin zutrauen.

Die Kurse der zwölf Berliner Volkshochschulen laufen zu verschiedenen Tageszeiten, bieten unterschiedliche Themenschwerpunkte an und richten sich an Teilnehmer:innen mit und ohne Vorkenntnisse. Allerdings ist manchmal eine lange Anfahrt nötig, will man am passenden Kurs teilnehmen. Alle Kurse sind ermäßigt buchbar, einige Angebote sind kostenlos. Der Kurs von Annette Kilian-Klass kostet ermäßigt knapp 18 Euro. Senioren-Digital-Kurse bietet auch die AWO Berlin an. Seit September 2021 ist zudem das Seniorennetz Berlin online, eine Plattform für Weiterbildungsangebote, Veranstaltungen und Orte - speziell für ältere Menschen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false