Berliner Schnauzen: Azara-Aguti: Nagetier mit Tischmanieren
Die Vielfraße sind ökologisch engagiert und können sogar Äpfel schälen. Mit einem Trick bekommt man sie zu Gesicht
Vorne Eichhörnchen, hinten Känguru, dazwischen Meerschweinchen. Das Azara-Aguti erinnert an das Gesellschaftsspiel „Zoo Mix Max“, gehört es doch zu jenen Tieren, die wie eine zusammengewürfelte Kreuzung aus verschiedenen Arten aussehen.
Im Tierpark ist es nicht einfach, eins der drei Agutis überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Seit ihrem Umzug aus dem Elefantenhaus ins runderneuerte Affenhaus leben Agatha, Agnes und deren Tochter Chantal in einer WG mit Brüllaffen und Weißkopfsakis. Die Affen turnen auf den Baumstämmen und machen Krach, die Nagerinnen hocken im Unterholz und machen sich rar. Bodenbewohner, Baumbewohner, „da gibt es keine größeren Konflikte“, sagt Zoo-Tierarzt Andreas Pauly.
Die Agutis pflegen den Regenwald
Der Doktor erklärt auch, wie wichtig die braunfelligen Vielfraße aus Südamerika für die dortigen Regenwälder sind. Außer Gräsern und Gemüse knacken sie sogar Paranüsse und legen Vorräte an. Indem sie die hartschaligen Samen im Boden verbuddeln, sorgen sie für die Erhaltung und Verbreitung des Baumbestands. Bolsonaro lässt den Regenwald roden, die Agutis forsten sie wieder auf? Pauly lacht: „Kann man so sagen, sie sind kleine Gärtner.“
Im Tierpark drückt man sich erstmal die Nase an der Scheibe zum Außengehege platt. Da, plötzlich huscht eins der etwa kaninchengroßen Viecher ins Blickfeld, hockt sich auf die langen Hinterbeine, streckt die Schnuppernase in die Höhe, greift nach einem Endivienstrunk, beäugt den Salat in seinen Fingern und fängt an zu knabbern. Spitzt die Ohren und ist, wusch, samt Mahlzeit schon wieder verschwunden. Ein Brüllaffe hatte sich der Lichtung genähert.
Wenn der Fressfeind kommt, schlagen sie das Borstenrad auf
Agutis sind wieselflinke Sprinter, naturnervöse Meisterhorcher, die schon aus der Ferne die Nüsse vom Baum fallen hören. Immer in Warnstellung – es könnte ja ein Leopard oder Ozelot des Wegs kommen –, schlagen sie notfalls ein Borstenrad rund um ihren Hintern, um dem Fressfeind zu imponieren. Schließlich sind sie nicht nur mit den Meerschweinchen, sondern auch mit den Stachelschweinen verwandt.
Elf Aguti-Arten gibt es in Brasilien, Mexiko, Paraguay, Argentinien. Mal größer, mal kleiner, mit eher rötlichem oder mit schwarzem Rückenfell. Fünf stehen auf der Liste gefährdeter Arten; immerhin sind sie auch in 88 europäischen Zoos zu Hause.
Wann man Agutis am besten erspähen kann
Wie ist es um die Zukunft speziell der Azara-Agutis bestellt, wenn der Regenwald abgeholzt wird? Zoo-Arzt Pauly hat da seine Befürchtungen; die Experten wissen es nämlich nicht so genau. Benannt sind die Tiere nach ihrem Erstbeschreiber, dem spanischen Naturforscher und Offizier Felix Manuel de Azara, der Ende des 18. Jahrhunderts die La-Plata-Länder erkundete.
Aguti-Interessierten sei ein Besuch in der kalten Jahreszeit empfohlen; im kleineren Innengehege lassen sich Agatha, Agnes und Chantal besser erspähen. Wer Glück hat, kann dann sogar sehen, wie sie einen Apfel schälen, bevor sie ihn verputzen. Ein Aguti, verrät Pauly, dreht den Apfel nämlich erstmal um dessen Achse, brrrrb, und nutzt seine Nagezähne dabei als Obstmesser. Die Gärtnerin hat Tischmanieren. Christiane Peitz
Azara-Aguti im Tierpark
Lebenserwartung
Über 15 Jahre
Fütterungszeiten
Zwischen 14.30 und 15 Uhr
Interessanter Nachbar
Bzw. Mitbewohner: Brüllaffe, Weißkopfsaki
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